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Überraschender Kurswechsel

Ausbaupläne vom Tisch? Warum Nußdorfs Steinbruchgegner jubeln

Am Heuberg gewinnt Rohrdorfer Zement Ausgangsmaterial. Anton Bartinger von Rohrdorfer verteidigte die Ausbaupläne, Nußdorfs Bürgermeisterin Grandauer bekämpfte sie.
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Ein Steinbruch, der die Gemüter erhitzt: Am Heuberg gewinnt Rohrdorfer Zement sein Ausgangsmaterial. Anton Bartinger von Rohrdorfer verteidigte die Ausbaupläne, Nußdorfs Bürgermeisterin Susanne Grandauer bekämpfte sie.

Ist dies das Ende der Ausbaupläne von Rohrdorfer Zement? Die Gegner der Steinbrucherweiterung jubeln über eine Botschaft des Zementherstellers. Und Rohrdorfer Zement selbst hadert mit dem Landratsamt Rosenheim.

Nußdorf - Der Rückzieher, der Nußdorf jubeln ließ, kam am frühen Montagnachmittag (8. Mai): Rohrdorfer Zement baut im Steinbruch am Heuberg auch künftig kein Gestein über eine Höhe von 758 Meters hinaus ab. Den Abschied von seinen Erweiterungsplänen verkündete das Unternehmen selbst.

Entscheidend war der ablehnender Bescheid des Landratsamtes Rosenheim. Aufgrund dessen Einschätzung, ein Biotop, das sich oberhalb von 758 Höhenmetern befindet, könne nicht ausgeglichen werden, habe sich das Südbayerische Portlandzementwerk (SPZ) - so der eigentliche Name des Standorts im Verbund von Rohrdorfer - entschieden, seinen Antrag auf Erweiterung seines Steinbruchs am Heuberg zurückzuziehen. So hieß es es in einer E-Mail von Rohrdorfer, der eine ausführliche Mitteilung angehängt war.

Bürgermeisterin Grandauer: „Das ist der Wahnsinn für uns“

Die Nachricht löste in Nußdorf Jubel aus. „Die Freude ist riesengroß, das ist der Wahnsinn für uns alle“, sagte Nußdorfs Bürgermeisterin Susanne Grandauer dem OVB. „Für uns ist die Nachricht sehr, sehr überraschend, nachdem wir gehört hatten, dass Rohrdorfer einen Antrag auf Befreiung gestellt hatte.“

Dafür, dass der Heuberg oberhalb der 758-Meter-Marke unangetastet bleibe, sei die „geballte Gegenwehr“ von Gemeinderat, Verwaltung, Aktionsbündnis, Bürgern, Naturschutzverbänden und Vereinen ausschlaggebend gewesen, sagte Grandauer, die sich den Kampf gegen die Steinbrucherweiterung früh auf die Fahnen geschrieben hatte und dafür auch Wirtschaftsminister Aiwanger persönlich ein Schreiben des Gemeinderats in die Hand drückte.

„Erleichtert“ zeigte sich auch Ulrich Kottmann vom Aktionsbündnis „Rettet den Heuberg“ gegenüber dem OVB. Auch er äußerte sich darüber hinaus „erstaunt“, dass Betreiber Rohrdorfer selbst zurückziehe, anstatt den Klageweg zu beschreiten.

Rohrdorfer kämpft seit Jahren um Abbaurechte

Seit 2019 ließ Rohrdorfer die Genehmigung des Abbaus im Steinbruch Überfilzen oberhalb einer Höhe von 758 Metern prüfen. Pech für den Zementhersteller: Während des Verfahrens kam ans Licht, dass im beantragten Abbaubereich ein bis dahin nicht kartiertes, rund 1800 Quadratmeter großes Felsbiotop liegt. Das Vorhaben, in einem solchen Bereich Rohstoffe abzubauen, stand damit vor hohen rechtlichen Hürden.

Das Landratsamt stellte sich gegen Rohrdorfers Abbaupläne

Die Frage, ob das Biotop im Falle eines Abbaus ausgleichbar wäre, wurde aufgrund der komplizierten Ausgangslage dem Landesamt für Umwelt (LfU) vorgelegt. Das LfU vertritt die Auffassung, dass eine Beseitigung von Felsbiotopen in der dafür vorgesehenen Zeit nicht ausgeglichen werden könne. Aber, so sagte das LfU aus, über einzelne Punkte könne durchaus diskutiert werden. Allerdings schloss sich das Landratsamt in einem öffentlich bekannt gewordenen Anhörungsschreiben der ablehnenden Auffassung des LfU an.

Rohrdorfer beantragte in einem Schreiben vom 1. März 2023 die Befreiung vom gesetzlichen Biotopschutz - was wiederum das Landratsamt als die untere Naturschutzbehörde abgelehnt. habe, wie Sprecher Michael Fischer mitteilte. „Daraufhin hat der Antragsteller heute (08.05.23) seinen Antrag auf wesentliche Änderung des Steinbruchs in Nußdorf am Inn zurückgezogen.“ Hintergrund sei vor allem die „fehlende Ausgleichbarkeit der Beseitigung der als Biotop gesetzlich geschützten Garwand“, teilte Fischer mit. Dem Beschluss zum Abschied von den Erweiterungsplänen gingen eine Prüfung und eine Entscheidung des Beirats voraus, heißt es von Seiten des Unternehmens.

Stellte das Landratsamt lokale Interessen über das Allgemeinwohl?

„Wir hätten uns gewünscht, dass die Untere Naturschutzbehörde das Allgemeinwohl über lokale Interessen stellt und damit die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Treibhausgasneutralität bis 2045 vorantreibt, statt sie zu erschweren“, sagte Anton Bartinger, Technischer Leiter der Sparte Zement bei SPZ.

Hintergrund von Bartingers Kritik: Aus dem Abbau des besonderen Gesteins im Steinbruch Überfilzen hätten sich erhebliche Einsparungen an Kohlendioxid ergeben. Damit hatte SPZ auch den Antrag auf Befreiung von der Biotopschutzpflicht begründet. Die Einsparung beträgt nach Unternehmensangaben rund 10.000 Tonnen Co 2 pro Jahr. Für einen vergleichbaren Effekt müsse man jährlich 800.000 Bäume pflanzen.

Rohrdorfer: Steinbruch hätte halbe Million Tonnen Treibhausgas einsparen können

Auf das Vorkommen insgesamt berechnet beträgt die Kohlendioxid-Minderung über 50 Jahre laut SPZ 500.000 Tonnen. Zum Vergleich: Deutschland stößt in einem Jahr mit über 650 Millionen Tonnen mehr als das tausendfache Volumen aus. „Es ist für uns schwer nachvollziehbar, dass ein 1800 Quadratmeter großes Biotop eine Einsparung einer halben Million Tonnen Kohlendioxid aufwiegen soll“, sagt Bartinger.

Nach Ansicht des Unternehmens konterkariert das Landratsamt damit eine Regierungsanweisung. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz habe jüngst per Ministerialschreiben die nachgeordneten Behörden deutlich dazu angewiesen, bei jeder Entscheidung die Bedeutung für den Klimaschutz zu ermitteln und Klimaschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen. Gesetzliche Entscheidungsspielräume seien zu Gunsten des Klimaschutzes zu nutzen.

Ulrich Kottmann sieht Gesetz und Ordnung gewahrt

Kottmann hingegen sieht durch Landratsamt und LfU eben genau das Gesetz gewahrt. Unter anderem sieht der Alpenplan einen strengen Schutz für Bereiche wie am Heuberg vor. „Ich halte Rohrdorfer für ein respektables Unternehmen“, sagt Kottmann, aber in dieser Angelegenheit sei es um Ordnung und um Gesetze gegangen, die für alle gelten. „Ich glaube an den Staat“, sagte Kottmann.

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