Gegen den Bewuchs an der Wachtlbahn
Ohne Gift im Unkraut-Kampf: So ersetzt das Rohrdorfer Zementwerk das gefährliche Glyphosat
Die Giftspritzerei ist vorbei. An der „Wachtlbahn“, dem Gleis zwischen Steinbruch Thiersee und Zementwerk Kiefersfelden, verzichtet Rohrdorfer Zement künftig auf Glyphosat in der Unkraut-Bekämpfung. Zur Freude der Anwohner – und des Bürgermeisters.
Kiefersfelden – Massive Proteste der Anwohner, wenig Begeisterung bei der Gemeinde und eine Ausnahmegenehmigung vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten – glücklich war mit dem Glyphosat-Einsatz an der Bahnstrecke zwischen dem Steinbruch in Thiersee und dem Zementwerk in Kiefersfelden, auch bekannt als Wachtlbahn, schon lange niemand mehr. Letztlich auch das Rohrdorfer Zementwerk, dem das Gleis gehört, nicht.
Jetzt ist die Giftspritzerei vorbei, Rohrdorfer Zement setzt ab sofort zur Unkrautbekämpfung an der Wachtlbahnstrecke Heißdampf ein. Nachdem Glyphosat in den letzten Jahren stark in die Kritik gekommen sei, verzichte das Unternehmen auf das umstrittene Mittel und teste den Einsatz von umweltschonendem Heißdampf, heißt es in einer Pressemitteilung. Die erste Heißdampfbehandlung des Gleisbettes soll voraussichtlich im Zeitraum zwischen heute, 13., und dem 22. Juli 2022 stattfinden.
„Das ist eine sehr positive Entwicklung“, sagt Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber. Die Gleise führten über eine weite Strecke direkt an der Wohnbebauung vorbei, dort lebten viele Kinder, der Mindestabstand von zwei Metern sei oft nicht einzuhalten, da sei ihm der Glyphosat-Einsatz immer suspekt gewesen. „Ich freue mich sehr, dass die Rohrdorfer jetzt auf eine quasi ökologische Bekämpfung umgestellt haben.“
Hinter Grubers „quasi ökologisch“ dürften ähnliche Bedenken stecken, wie sie auch Claudia Bialucha hat. Sie ist Anwohnerin der Strecke, 80 Meter weit erstreckt sich ihr Grundstück entlang des Gleises. Natürlich ist sie froh, dass ab sofort kein Glyphosat mehr eingesetzt wird, „der Heißdampf ist wesentlich besser zu ertragen – auch wenn er vermutlich einige Tiere im Erdreich vertreibt oder vernichtet.“
Immer wieder hatte Claudia Bialucha Kontakt zu Rohrdorfer Zement. Irgendwann waren die Verhandlungen so weit gediehen, dass sie wenigstens rechtzeitig vor einem Sprüheinsatz Bescheid bekam, ihre Hochbeete abdecken konnte. „Das ist bei Heißdampf hoffentlich nicht nötig, da ernte ich schlimmstenfalls gegrillte Paprika“, lacht sie. Und ist im Nachhinein doppelt froh, dass ihre Familie sich getraut hat, mehr Hochbeete und einen Bauerngarten anzulegen.
Versprechen gehalten
Die Rohrdorfer Unternehmensgruppe hatte immer versprochen, sich nach einer anderen sinnvollen und wirtschaftlichen Möglichkeit der Unkrautbekämpfung umzusehen. Viele alternative Methoden der Unkrautbekämpfung brächten Gefahren mit sich, heißt es aus dem Unternehmen. So könne etwa das Abflammen der Pflanzen in bebauten Gebieten Brände auslösen. Bei Rohrdorfer habe man sich daher für den Einsatz von Heißdampf entschieden, der zwar aufwändiger sei, da die Behandlung mehrmals erfolgen müsse, der aber keine schädlichen Auswirklungen auf die Umgebung habe. „Wir hoffen, mit dem Umstieg auf Heißdampf eine gute Lösung für alle gefunden zu haben und danken den Anwohnern für ihre Geduld“, so Dr. Benjamin Geller, Werksleiter des Zementwerk Rohrdorf.
Warum kümmert sich Rohrdorfer überhaupt noch um die Strecke, wo doch Steinbruch wie Zementwerk nicht mehr in Betrieb sind? Warum die jährlichen Wartungsfahrten? Um die Betriebsgenehmigung zu sichern, denn die Abbaurechte für den Steinbruch Thiersee gelten noch mehrere Jahrzehnte. Damit hat das Werk auch die Verkehrssicherungspflicht. „Die Gleise der Wachtlbahn werden nur im Bedarfsfall genutzt. Wir müssen das Gleisbett dennoch regelmäßig von Baumsetzlingen und anderen tiefwurzelnden Pflanzen befreien, damit es nicht zerstört wird“, erklärt Anton Bartinger, technischer Leiter des Zementwerkes Rohrdorf.