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Beteiligte lügen vor dem Amtsgericht

Nach Kugelschreiber-Attacke in JVA Bernau: Muss 31-jähriger Angeklagter jetzt länger in Haft bleiben?

Links: Die JVA Bernau aus der Vogelperspektive. Rechts: Die Justitia mit einer Waage
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Ein inhaftierter 31-Jähriger soll in der JVA Bernau auf einen anderen Häftling eingestochen haben. Nun wurde er dem Strafrichter am Amtsgericht Rosenheim vorgeführt.

„Alle direkt Beteiligten lügen hier“: Ein inhaftierter 31-Jähriger soll in der JVA Bernau auf einen anderen Häftling eingestochen haben. Doch die Aussagen der Beteiligten am Amtsgericht Rosenheim unterscheiden sich stark. Ein dritter Zeuge soll Licht ins Dunkel bringen. Wie lautet das Urteil?

Bernau/Rosenheim – Vor den Strafrichter Rasim Filipov am Amtsgericht Rosenheim wurde ein 31-Jähriger aus der Justizvollzugsanstalt Bernau vorgeführt. Eigentlich hätte er längst entlassen werden sollen. Jedoch ging er am 10. Februar diese Jahres in der JVA auf einen Mitgefangenen los und hatte – so die Anklage der Staatsanwaltschaft – mit einem Kugelschreiber auf diesen eingestochen. Infolge dessen kam es anstatt zur Entlassung zu einer weiteren Haftdauer als Untersuchungshäftling wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der Justizvollzugsbeamte berichtete als Zeuge, dass er mit Kollegen zu einer Auseinandersetzung gerufen worden war. Streitende fanden sie in der Haftzelle zwar nicht mehr vor, jedoch einen abgebrochenem Kugelschreiber mit Blutspuren, der wohl die „Tatwaffe“ gewesen war. Der Angeklagte habe selber Schnittspuren auf der Brust gehabt, von denen er aber nach eingehendem Befragen zugab, sie sich selber beigebracht zu haben. Dies sei auch glaubhaft gewesen, weil dessen Hemd, unter dem die Verletzungen zu erkennen waren, keinerlei Schnittspuren aufwies.

Aussagen unterscheiden sich: Auswärtiger Zeuge wird gerufen

Der Angeklagte behauptete, er sei vom Tatopfer mit Fußtritten angegriffen worden. Seine Schläge, die er zugegebenermaßen mit einem Kugelschreiber ausführte, seien lediglich Reaktionen auf dessen Angriffe gewesen. Im Übrigen hätten er und sein Kontrahent sich längst gegenseitig vergeben und würden nun problemlos miteinander umgehen.

Das Tatopfer litt zunächst deutlich an umfassenden Gedächtnisschwund. Erst als Ihn der Vorsitzende Richter mehrfach auf seine Wahrheitspflicht hinwies und deswegen mit Strafverfolgung drohte, kam bruchstückhaft dessen Erinnerung zurück, die sich aber durchaus von der des Angeklagten unterschied.

Ein dritter Augenzeuge, der zu seiner Aussage aus einem Gefängnis in Hameln herbei geschafft wurde, brachte etwas mehr Licht ins Dunkel. Dieser hatte, weil weit entfernt inhaftiert, keinerlei Repressalien zu befürchten und berichtete, dass das Tatopfer einen regelrechten Hass auf den Angeklagten entwickelt hatte, weil er ihn als Zuträger des Justizapparates verdächtigte. Am Tag der Tat habe er den Angeklagten aufs Übelste beschimpft. Den oder die Stiche mit dem Kugelschreiber habe er selber nicht gesehen. Aber eine heftige Auseinandersetzung habe es durchaus gegeben. Beide Kontrahenten stammten aus Syrien und konnten auf eine umfangreiche Vorstrafenliste zurückblicken.

14 Monate Haft für 31-Jährigen

In ihrem Schlussvortrag erklärte die Staatsanwältin, der Vorfall habe sich fraglos so zugetragen wie in der Anklage formuliert. Auch wenn der Angeklagte im Wesentlichen geständig sei, sei eine deutliche Haftstrafe unumgänglich. Auch wenn es verschiedenste Versionen dieser Straftat gebe, habe sich der Vorwurf bestätigt. Angesichts der vielen einschlägigen Vorstrafen und der Tatsache, dass die Straftat in einer JVA begangen wurde, wo den Straftätern Einsicht und Umkehr abverlangt würde, könne nur eine deutliche Strafe von 20 Monaten Haft die Folge sein.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Maximilian Hoh, erklärte, dass angesichts dieser verschiedenen Aussagen ohne das Geständnis seines Mandanten ein Tatnachweis wohl schwerlich herzuführen gewesen sei. Angesichts der zweifellos heftigen Provokation durch das Tatopfer beantragte er eine Strafe von höchstens 12 Monaten zu verhängen.

„Alle direkt Beteiligten lügen hier, wenn sie nur den Mund aufmachen“, folgerte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Ohne den dritten Zeugen aus einer JVA außerhalb wäre die Ursache für diese Auseinandersetzung völlig im Dunkel geblieben. Es sei dem Angeklagten zu Gute zu halten, dass er sicherlich heftig provoziert worden sei, dass er sich entschuldigt hatte und – zumindest zum Teil – geständig gewesen sei. Andererseits habe er mit dieser Tat in der JVA bewiesen, dass die angestrebte Resozialisierung an ihm bislang spurlos vorüber gegangen sei. Die einschlägige Vorstrafenliste spräche ebenfalls gegen ihn. In der Abwägung aller Umstände und der Tatsache, dass es nur geringfügige Verletzungen gegeben habe würde eine Haftstrafe von 14 Monaten ausreichen. Ohnehin habe er mit der 5-monatigen Untersuchungshaft einen Großteil bereits verbüßt.

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