Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Prozess am Schöffengericht Rosenheim

Syrische Flüchtlinge bei Frasdorf im Schneetreiben ausgesetzt – Jetzt ist das Urteil gefallen

Wintereinbruch
+
Im Schneetreiben (Symboldbild) hat ein ägyptischer Schleuser zwei syrische Flüchtlinge im November 2021 bei Frasdorf ausgesetzt. Jetzt musste er sich dafür vor dem Schöffengericht Rosenheim verantworten.

Ein Schleuser hat im November 2021 zwei syrische Flüchtlinge in Frasdorf im Schneetreiben ausgesetzt. Jetzt musste sich der Ägypter vor dem Schöffengericht in Rosenheim verantworten. Wie das Urteil ausfiel und warum ein vorangegangenes Verfahren in Wien eine Rolle spielte.

Frasdorf – Wie grausam Schleuser mit Menschen umgehen, wurde jetzt in einem Prozess am Schöffengericht Rosenheim deutlich. Dort musste sich ein in Wien lebender Ägypter verantworten. Er hatte im November 2021 zwei syrische Flüchtlinge im Schneetreiben bei Frasdorf ausgesetzt und dabei ihren Erfrierungstod billigend in Kauf genommen.

Schleierfahnder werden aufmerksam

28. November 2021: Auf der A 8 bei Frasdorf fällt Beamten der Schleierfahndung im heftigen Schneetreiben ein Pkw auf. Die Heckscheibe ist dunkel und blickdicht verblendet – aus Erfahrung ein Grund zur Kontrolle.

Mit ihrem Fahrzeug setzen sich die Schleierfahnder vor den verdächtigen Pkw und geben Licht-Signal „Polizei bitte folgen“. Am Rastplatz Samerberg wollen sie das Fahrzeug überprüfen. Daraufhin verlangsamt der Wagen seine Geschwindigkeit so stark, dass die Beamten ihn bei dem starken Schneetreiben aus den Augen verlieren.

Spuren deuten auf Passagiere hin

Schließlich trifft er am Rastplatz ein. Die Beamten nehmen das Fahrzeug in Augenschein. Der verschlammte Boden und verschiedene Nahrungsmittelverpackungen im Rückraum wecken den Verdacht, dass der Fahrer nicht allein unterwegs gewesen sein kann. Daraufhin kontrolliert eine Polizeistreife die Fahrtroute des verdächtigen Fahrzeugs, registriert eine Stoppstelle und Fußspuren. Offensichtlich haben dort zwei Personen den Wagen verlassen. Wenig später werden zwei Männer – vor Kälte zitternd und völlig durchnässt – in einem nahegelegenen Waldstück aufgefunden.

Wegen gewerbsmäßigen Einschleusens und gesundheitsgefährdender Behandlung der Geschleusten erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Zum ersten Gerichtstermin erscheint der Angeklagte – ein 56-jähriger, in Wien lebender Ägypter – nicht. Also beantragt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl. Der Angeklagte wird in Wien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert.

Nun musste sich der Agypter vor dem Schöffengericht Rosenheim verantworten: Gleich zu Beginn der Verhandlung bat der Verteidiger um ein Rechtsgespräch. Er wollte ausloten, ob bei einem Geständnis seines Mandanten die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe bestehe. Doch die Staatsanwaltschaft führte schwerwiegende Argumente ins Feld: Immerhin handelt es sich beim Angeklagten um einen Vielfach-Täter. Das belegt eine Verurteilung des Wiener Landesgerichts. Zwar habe er damals hauptsächlich Flüchtlinge nach und von Österreich geschleust, doch allein das beweise aus Sicht der Staatsanwaltschaft seine Tätigkeit als professioneller Schleuser. Daher beantragte die Staatsanwaltschaft eine Vollzugsstrafe.

In der Sache „Frasdorf“ war der Angeklagte vor dem Schöffengericht geständig. Er bestritt aber, den syrischen Männern das Verlassen des Wagens befohlen zu haben. Vielmehr hätten diese aus Angst vor der Polizei von sich aus das Auto verlassen wollen.

Ausreden und Winkelzüge

Die Kontrollbeamten bestätigten den Hergang des Vorfalls, sodass die Vorsitzende Richterin Isabella Hubert die Beweisaufnahme schließen und zu den Plädoyers auffordern wollte.

Doch da erhob Verteidiger Rechtsanwalt Raphael Botor die Stimme und kündigte einen Beweisantrag an. Er hielt es für wahrscheinlich, dass sein Mandant in dem vorangegangenen Wiener Verfahren auch wegen der jetzt in Rosenheim angeklagten Schleusungen bereits verurteilt worden sei. Sofern das zuträfe, würde ein sogenannter „Straftatverbrauch“ in Kraft treten, wonach niemand wegen einer Straftat zweimal verurteilt werden dürfe. Daher beantragte er, die Gerichtsakten des Wiener Verfahrens beizuziehen, um zu überprüfen, ob die Schleusung der hier benannten syrischen Flüchtlinge in dem dortigen Urteil bereits erfasst sei.

Der Staatsanwalt schäumte. Einen solchen, das Verfahren hemmenden Antrag hätte er bereits in dem Rechtsgespräch zu Anfang erwartet. Nichtsdestotrotz musste das Schöffengericht über diesen Antrag befinden und gab ihm statt, um sich nicht dem Risiko einer erfolgreichen Revision auszusetzen. Das Verfahren wurde verschoben.

In der Fortsetzung stellte die Vorsitzende Richterin Isabella Hubert fest, dass sie nach Einsicht in die Akten aus Wien keine Erkenntnisse über eine Verurteilung im Zusammenhang mit der Schleusung nach Deutschland erkennen könne. Überhaupt seien die dortigen Ermittlungen sehr lückenhaft erfolgt. Der angeklagte Ägypter wandte ein, er habe vor dem Gericht in Wien ohnehin nur auf Anraten seines Verteidigers ein Geständnis abgelegt, um eine milde Bestrafung zu erreichen. Es könne also dieses Urteil kein Beleg für eine Straftat von ihm sein. Das wiederum erstaunte die Richterin. Dieses Gericht könne nicht auf ein möglicherweise falsches Geständnis reagieren, auf das hin ein rechtskräftiges Urteil erfolgt sei.

Der Verteidiger wandte ein, dass es wegen der spärlichen österreichischen Ermittlungen durchaus möglich erscheine, dass dort tatsächlich die hier vorgeworfene Straftat bereits abgeurteilt worden sei.

Das Gericht hatte einen der beiden eingeschleusten Syrer als Zeugen geladen. Immerhin hatte der Angeklagte behauptet, diese hätten trotz der widrigen Witterungsverhältnisse von sich aus das Fahrzeug verlassen wollen. Das hörte sich beim Zeugen dann aber ganz anders an: Der Angeklagte habe sie zum Aussteigen gezwungen. Als sie schließlich durchnässt und vor Kälte schlotternd von einer Streife aufgegriffen worden seien, hätten sie dringend darum gebeten, sich in dem Polizeiauto aufwärmen zu dürfen. Im Schlussvortrag erklärte die Staatsanwaltschaft, dass eine Verurteilung in Wien wegen des in Rosenheim angeklagten Vorfalls keinesfalls stattgefunden habe.

Polizei rettet Syrer vorm Erfrieren

Die potenzielle Lebensgefahr der geschleusten Menschen durch Erfrieren sei nur durch den Aufgriff durch die Polizei verhindert worden. Dass es sich bei dem Angeklagten um einen gewerbsmäßigen Schleuser handle, ergebe sich aus seiner Vorverurteilung und den eingestandenen Personentransporten, die allerdings bislang außerhalb Deutschlands stattgefunden hatten.

Der Staatsanwalt beantragte eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Eine Bewährungsstrafe wäre damit ausgeschlossen.

Der Verteidiger beharrte darauf, dass sein Mandant auch wegen dieser Tat in Wien bereits verurteilt worden war. Hilfsweise, sofern das Gericht dem nicht folgen würde, machte er geltend, dass eine Lebensgefahr keinesfalls bestanden habe. Der Bruder eines Geschleusten sei verständigt gewesen und habe beide dort zeitnah abholen können. Auch sei eine Gewerbsmäßigkeit nicht zu sehen. Für den Fall einer Verurteilung beantragte er eine Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Haftstrafe von 22 Monaten verhängt

Das Gericht konnte keinen Strafklageverbrauch durch das Wiener Urteil erkennen. Auch bejahte es sowohl die potenzielle Lebensgefahr als auch die Gewerbsmäßigkeit im Handeln des Angeklagten. Eine positive Sozialprognose sei nicht erkennbar. Das Rosenheimer Schöffengericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 22 Monaten, die es nicht zur Bewährung aussetzte.

Kommentare