Staatsanwaltschaft und Betreiber äußern sich
Kripo ermittelt in Lenggries wegen „Körperverletzung“: Gerät auch Bruckmühler Klinik ins Visier?
Werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II in der Geriatrischen Rehaklinik in Lenggries auf die Fachklinik für Geriatrische Rehabilitation in Bruckmühl ausgeweitet? Beide Kliniken werden von Prof. Dr. med. Nikolaus Netzer geleitet. Staatsanwaltschaft und Geschäftsführer nehmen jetzt dazu Stellung.
Bruckmühl – Die geriatrische Reha-Fachklinik Lenggries im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen muss auf Anordnung des zuständigen Landratsamtes in Bad Tölz zum 31. August schließen. Schon seit Mai ermittelt die Kripo Weilheim unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung aufgrund pflegerischer Missstände.
Betreiber der Klinik in Lenggries ist die Gesundheitsbetriebe Isarwinkel GmbH, der jetzt die Erlaubnis zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt entzogen wurde. Ihr Geschäftsführer Prof. Dr. med. Nikolaus Netzer ist auch Chef der Nikolaus Netzer GmbH, die die Fachklinik für Geriatrische Rehabilitation in Bruckmühl betreibt. Wie Netzer gegenüber dem OVB erklärt, ist er „Minderheitsgesellschafter (30 Prozent) einer Holding, deren Töchter die unterschiedlichen Betreiber-Gmbh der Kliniken in Lenggries, Bruckmühl und der Mogere sind. Mehrheitsgesellschafter und damit Hauptinhaber der Holding und ihrer Töchter ist eine große holländisch-deutsche, milliardenschwere Investmentgesellschaft.“ Netzer selbst sei seit drei Jahren „nur noch” ein ganz normaler Angestellter und kein Einzelbetreiber.
Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft in Lenggries will sich Professor Netzer gegenüber dem OVB nicht äußern, betont aber: „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Lenggries haben keinerlei Einfluss auf die Klinik in Bruckmühl. Es sind zwei unterschiedliche Unternehmen.“ Auch die mobile geriatrische Rehabilitation sei von all dem überhaupt nicht betroffen. „Es ist ein komplett anderer Betrieb, der von einem Büro an anderer Stelle aus in Bruckmühl organisiert wird und völlig normal weiterläuft.“
Kein Anfangsverdacht gegen Bruckmühl
„Die Fachklinik für Geriatrische Rehabilitation in Bruckmühl ist nicht Gegenstand des bei der Staatsanwaltschaft München II geführten Ermittlungsverfahrens“, informiert Oberstaatsanwältin Andrea Grape auf Anfrage des OVB. Es gebe im Moment keinen Anfangsverdacht gegen die Klinik und keine Anhaltspunkte für Straftaten.
Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd erklärt, stehe die Klinik in Bruckmühl nicht im Zentrum der Ermittlungen. Es könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Ermittlungen in Lenggries auch auf die Bruckmühler Einrichtung ausgedehnt werden müssten.
Die Fachklinik für Geriatrische Rehabilitation in Bruckmühl nahm im Dezember 2021 ihren Betrieb auf. Ziel der geriatrischen Rehabilitation ist es, die körperlichen und geistigen Funktionen hochbetagter Patienten in einem Zeitraum von drei Wochen bis zu sechs Monaten zu reaktivieren und sie auf ein selbstbestimmtes Leben in ihrem Zuhause vorzubereiten. In Bruckmühl stehen dafür 60 Betten zur Verfügung.
Sanierungsarbeiten nach Wasserschaden
Momentan wird die Zahl der Patienten an der Fachklinik in Bruckmühl temporär reduziert. Der Grund: „Wir hatten in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai einen schweren Wasserschaden“, informiert Netzer. „In der Folge muss der Ostteil des Gebäudes saniert werden.“ Der Betrieb in der Klinik in Bruckmühl laufe ganz normal weiter. „Nur beginnen am Montag, 14. August, die Sanierungsarbeiten unter Leitung des Architekten Ingo Peikert im Auftrag der Projektleitungsfirma 2 P in Mannheim, zunächst mit der sehr lärmbelastenden Entfernung der Böden“, informiert Netzer. „Wir werden daher sowie zu Reinigungs- und Hygienezwecken für gut zwei Wochen keine neuen Patienten aufnehmen – bis Ende des Monats“, betont Netzer. Das sei bereits seit April dieses Jahres geplant. „Ende August, Anfang September starten wir wieder mit Neuaufnahmen.“
Beschwerde von Ombudsstelle bearbeitet
Auch an der Klinik in Bruckmühl wurde bereits Kritik laut. Angehörige einer Patientin hatten kürzlich gegenüber dem OVB ihre Unzufriedenheit mit der Behandlung ihrer Mutter in der Bruckmühler Einrichtung geäußert. „Beschwerden gibt es immer wieder“, sagt Nikolaus Netzer dazu. Im Normalfall können sich Patienten mit ihren Sorgen direkt an die entsprechenden Mitarbeiter im Haus wenden, damit eine geeignete Lösung gefunden wird. „Diesen konkreten Fall hat unsere Ombudsstelle bearbeitet“, informiert Netzer. Da er keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht habe, dürfe er keine konkreten Angaben zu diesem Fall machen. Nur so viel: „Die Patientin war bei klarem Verstand und hat eigene Entscheidungen getroffen. Damit waren die Angehörigen nicht einverstanden.“
Hinzugekommen sei, dass im Mai die Besucher ihre Angehörigen nicht auf den Patientenzimmern besuchen durften. „Viele haben das nicht einsehen wollen, für uns war es eine notwendige Maßnahme, mit der wir den Eintrag von Noro- und Grippeviren erfolgreich eindämmen konnten“, erklärt der Geschäftsführer. Behauptungen der Beschwerdeführer, dass die Klinik über zu wenig Personal verfüge, entkräftet er: „Der Fachkräftemangel ist in allen Bereich enorm, auch im Gesundheitswesen. Daraus einen Generalverdacht zu formulieren und zu behaupten, unsere Klinik sei unterbesetzt, war und ist falsch“, betont Professor Netzer.
Nach Beschwerde auch Anzeige erstattet
Die Angehörigen besagter Patientin haben Anzeige bei der Polizei gegen die Klinik erstattet. „Diese wird von der Kriminalpolizei Rosenheim bearbeitet“, bestätigt Stefan Sonntag von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Bei der Staatsanwaltschaft Traunstein sei in dieser Sache aber bisher keine Strafanzeige eingegangen, informiert Oberstaatsanwalt Dr. Rainer Vietze.
Ob das Gesundheitsamt Rosenheim bereits tätig geworden ist, ist nicht bekannt. Auf Nachfrage des OVB heißt es: „Die Bewertung individueller Ansprüche oder Schädigung einzelner Patienten gegenüber einer Einrichtung liegt grundsätzlich nicht in der Zuständigkeit des Gesundheitsamtes als Aufsichtsbehörde“, erklärt Tanja Pfeffer, Pressesprecherin des Landratsamtes. Das sei dem Straf- oder Zivilrechtsweg vorbehalten.
Gesundheitsamt gibt keine konkrete Auskunft
Das Gesundheitsamt könne keine konkreten Angaben zu Missständen, Beschwerden oder zu Überwachungsmaßnahmen in Kliniken machen. Fakt sei aber, so erklärt Pfeffer: „Ein Teil der Kliniken ist auf der Rechtsgrundlage von Paragraph 30 der Gewerbeordnung tätig und bedarf der Erteilung einer Konzession durch die zuständige Kreisverwaltungsbehörde mit fachlicher Unterstützung des Gesundheitsamtes.“
Eine Konzession könne nur erteilt werden, wenn eine ausreichende medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten unter Darlegung betrieblich-organisatorischer, krankenhaushygienischer und baulich-funktioneller Aspekte gewährleistet sei und die gesetzlichen Vorgaben erfüllt seien. „Die Einhaltung der Vorgaben des Konzessionsbescheids wird durch die Kreisverwaltungsbehörde und das Gesundheitsamt überprüft“, so die Pressesprecherin.