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„Kein Geld der Welt kann das aufwiegen“

Krebsdrama in Feldkirchen-Westerham: Wie Lissy das Familienleben rettet

Solveig Köhler (links) und ihr Mann Ronny mit ihren Söhnen Oskar (auf ihrem Schoß) und Vinzent. Dass der Alltag der jungen Familie trotz der schweren Krankheit des Mannes läuft, dafür sorgt Elisabeth „Lissy“ Haager (rechts). Die Dorfhelferin ist ein Glücksfall für die Köhlers.
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Solveig Köhler (links) und ihr Mann Ronny mit ihren Söhnen Oskar (auf ihrem Schoß) und Vinzent. Dass der Alltag der jungen Familie trotz der schweren Krankheit des Mannes läuft, dafür sorgt Elisabeth „Lissy“ Haager (rechts). Die Dorfhelferin ist ein Glücksfall für die Köhlers.

Die Diagnose trifft die Familie wie ein Blitzschlag: Der junge Vater Ronny Köhler (29) leidet an einem Hirntumor. Dass seine Frau neben der Sorge um zwei Kleinkinder für ihren Mann da sein kann, garantiert eine Dorfhelferin: Lissy Haager ist wie ein Engel für die Köhlers.

Feldkirchen-Westerham – Oskar hat es sich auf dem Schoß von Lissy bequem gemacht. Mit seinen Fingerchen angelt sich der Blondschopf ein Stück Melone aus der Schüssel und lässt es genüsslich im Mund verschwinden. Der dreizehn Monate alte Bub fühlt sich gut aufgehoben bei Elisabeth Haager, obwohl die 35-Jährige erst seit zwei Wochen bei den Köhlers aushilft.

Lissy ist der rettende Engel für Solveig und Ronny Köhler aus Feldkirchen-Westerham (Kreis Rosenheim). Die Dorfhelferin hält den Haushalt der Familie am Laufen, denn eine schwere Krankheit hat deren Leben komplett aus den Angeln gehoben. Ronny Köhler (29) hat einen Hirntumor, seine Frau pflegt ihn und kümmert sich um Oskar und dessen dreijährigen Bruder Vinzent. Mutter, Ehefrau, Hausfrau und Pflegekraft ist Solveig Köhler in einer Person. Zu viele Aufgaben für eine Frau, die noch dazu ständige Angst um ihren Mann hat, sich mit Ärzten, Krankenkasse, Palliativdienst und vielen Behörden auseinandersetzen muss. Kinder im Alter von Oskar und Vinzent haben kein Verständnis dafür, wenn die Mama sich um zeitraubenden Behördenmarathon kümmern muss. „Ich stehe nur unter Strom“, seufzt die 34-Jährige. Dabei ist sie eigentlich ein positiver Mensch. Ihre Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist, will sie nicht aufgeben.

Dorfhelferinnen sind nicht nur bei Bauern im Einsatz

Kurz vor dem Zusammenbruch bekommt die verzweifelte Mutter, die noch bis Dezember in Elternzeit ist, Hilfe: Die Krankenkasse bewilligt ausnahmsweise als Einzelfallentscheidung für zwei Wochen eine Haushaltshilfe. Suchen musste sie sich die Unterstützung selber. „Es war so schwierig, jemanden zu finden“, sagt sie. Ein kostbarer Tipp auf der Internetseite „Pflegelotsen“ bringt sie auf die richtige Spur: „Probieren Sie es doch mal beim Maschinenring.“

Maschinenring? Nie gehört! Das ist eine Vereinigung, in der Landwirte sich gegenseitig unterstützen. Sie vermittelt Betriebshelfer, die in einer Notlage den Hof weiterführen, und Dorfhelferinnen, die den Haushalt schmeißen, wenn die Bäuerin wegen Krankheit ausfällt. Was die wenigsten wissen: Wenn noch Kapazitäten frei sind, springen Dorfhelferinnen auch bei nicht bäuerlichen Familien auf dem Land ein.

Ein Glücksfall für Solveig Köhler, denn die Krankenkasse übernahm den Einsatz der Helferin zunächst. „Ich geb die Lizzy nicht mehr her“, sagt die gelernte Rechtsfachwirtin. Doch darüber entscheiden andere: Die Krankenkasse darf nach ihren Richtlinien den weiteren Einsatz nur bezahlen, wenn Solveig Köhler stationär behandelt würde. Ihr Hausarzt hat sie zwar wegen ihrer Überlastung, Traurigkeit und Hilflosigkeit krankgeschrieben. Aber ins Krankenhaus will und kann sie nicht. „Das geht doch gar nicht, dann bricht hier alles zusammen“, sagt Solveig Köhler leise und schüttelt den Kopf. Ihr Mann und ihre Kinder brauchen sie. Heute mehr denn je. Und sie braucht Elisabeth Haager.

Niederschmetternde Diagnose mit 25 Jahren

„Der Sachbearbeiter der Krankenkasse würde mir gerne alles geben, aber die Richtlinien sagen was anderes.“ Das Palliativteam und ein Psychiater hatten Solveig Köhler bescheinigt, dass sie eine schwere depressive Erschöpfung habe und eine Haushaltshilfe dringend notwendig ist. Trotzdem war der 31. Mai der letzte Tag, an dem die Krankenkasse die Kosten übernommen hat. Vielleicht hilft die Regierung von Oberbayern, bei der Solveig Köhler Unterstützung beantragt hat? Dringend nötig ist ein Treppenlift, denn die junge Familie wohnt im ersten Stock – und Ronny Köhler kann sich nur im Rollstuhl fortbewegen. So kann ein Zuhause zum Gefängnis werden. Daher hofft Solveig Köhler auf Unterstützung.

Mit Engelsgeduld lenkt inzwischen die Dorfhelferin den kleinen Oskar ab, wenn er quengelt oder nach der Mama ruft, die gerade Vinzent aus dem Kindergarten abholt. Auf dem Sofa neben dem Esstisch liegt Ronny Köhler unter einer Wolldecke, neben sich ein Inhalationsgerät. Er hustet. Dem 29-Jährigen geht es schlecht. Mit 25 Jahren hatte der Anlagentechniker für Heizung und Sanitär 2018 die niederschmetternde Krebsdiagnose erhalten. Der begeisterte Motorradfahrer war von jetzt auf gleich aus der Bahn geschleudert worden. Erst hilft die Therapie im Klinikum Großhadern. 2019 kehrt Ronny Köhler sogar mit 40 Stunden in seinen Job zurück.

Voller Zuversicht war die junge Familie Köhler aus Feldkirchen-Westerham noch vor einem Jahr.

Er heiratet seine Solveig, 2020 kommt Vinzent zur Welt. Zwei Jahre später ist Oskar unterwegs. Alles scheint auf einem guten Weg, die Schatten der Krankheit sind verbannt. Nur die Kontrolle alle drei Monate zerrt die Bedrohung immer wieder ans Licht. Nach fast vier Jahren trügerischer Ruhe entdecken die Ärzte beim MRT einen kleinen Punkt im Gehirn. „Ein aggressiver Tumor“, sagt Solveig Köhler. Seither bestimmt wieder die Krankheit das Leben der jungen Familie. 

„Lissy fragt nicht, die packt einfach an.“

„Wenn ich in der Früh den Großen in den Kindergarten bringe, kann ich Ronny doch nicht allein lassen“, erklärt sie. Die Verantwortung, dass etwas passiert, wenn sie nur eine Viertelstunde unterwegs ist, kann und will sie nicht übernehmen. „Da ist Lissy da, hat ein Auge auf Ronny, macht schon mal das Frühstück.“ Es tut Solveig Köhler gut, noch einen Erwachsenen zu Hause zu haben, mit dem sie über alles sprechen kann.

Die Dorfhelferin sieht, wo Not am Mann ist: Sie kocht, macht die Wäsche, spielt mit den Kindern, kauft ein. „Lissy fragt nicht, die packt einfach an.“ Ein Glücksfall, dass sich die beiden Frauen gut verstehen. Elisabeth Haager kommt bestens mit den Kindern zurecht, Oskar lässt sich von ihr sogar ins Bett bringen. „Dorfhelferin ist so ein wertvoller Beruf“, sagt Solveig Köhler. „Kein Geld der Welt kann das aufwiegen. Sie kann eine Familie in schwerer Zeit zusammenhalten.“ Schwere Zeiten stehen ihnen jetzt bevor, denn die Ärzte können Ronny Köhler nicht mehr helfen. „Was aber nicht heißt, dass wir nicht weiterkämpfen“, sagt seine Frau. Aufgeben gilt nicht.

Über das Portal www.betterplace.me (In die Suchfunktion den Namen Köhler eingeben) sammeln Freunde, um der Familie einen Urlaub im Pflegehotel zu ermöglichen.

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