Spannender Blick hinter die Kulissen
Krankenhaus-Abfall in der Region: Was passiert eigentlich mit Organen und Gliedmaßen?
Gewebeproben, Fett, Plazenten oder amputierte Gliedmaßen: Auch solche Krankenhausabfälle müssen entsorgt werden. Aber wie – und wohin? Wie die Kliniken in der Region damit umgehen.
Landkreis Rosenheim – Dass eine Bananenschale in der Biotonne oder eine alte Zeitung im Papierkorb landet, ist weitgehend bekannt. Doch wohin mit einem amputierten Arm oder einer menschlichen Gewebeprobe? Für Krankenhäuser gehört diese Frage zum Alltag. Denn bei Operationen oder medizinischen Eingriffen müssen nicht nur Kanülen oder Tupfer entsorgt werden. Dabei fällt auch der sogenannte „ethische Abfall“ an. Zu ihm gehören beispielsweise Organe, Gewebeentnahmen, Mutterkuchen oder Fett. Das OVB hat hinter die Kulissen der RoMed Kliniken und der Pathologie geblickt.
Es herrscht geschäftiges Treiben zwischen Mikroskopen, Dokumentationsunterlagen und unzähligen kleinen Döschen. Prof. Dr. Ingrid Becker, Ärztin der Pathologie Rosenheim, welche räumlich an die RoMed Klinik angegliedert ist, läuft durch die Gänge und blickt einer Kollegin in weißem Kittel über die Schulter. Diese hält gerade ein großes Stück eines menschlichen Darms in den Händen und inspiziert das Gewebe. Hier in der Pathologie Rosenheim kommen täglich Proben von rund 300 Patienten an, um untersucht zu werden. Beispielsweise um herauszufinden, inwiefern das Gewebe von Krebszellen befallen ist.
1,7 Tonnen organische Abfälle im Jahr
Die Pathologie spielt somit eine entscheidende Rolle auf dem standardisierten Weg, an dessen Ende organische Abfälle, sprich „ethischer Abfall“, entsorgt werden. Denn anders als der übliche Müll, wie Essensreste oder Plastikverpackungen, müssen die „krankenhausspezifischen Abfälle“ gesondert entsorgt werden. Neben Gewebeproben zählen hierzu freilich auch ganze Körperteile. Aber: Dass in der Pathologie mal menschliche Gliedmaßen landen, komme laut Dr. Becker nicht so häufig vor. Dies geschehe zum Beispiel infolge von Unfällen, nach denen etwa Gliedmaßen nicht mehr zu retten seien.
Die RoMed Kliniken, zu denen die Standorte in Rosenheim, Bad Aibling, Prien und Wasserburg zählen, haben einen penibel organisierten Plan für die Entsorgung des Krankenhausabfalls. Zuständig hierfür ist Peter Krause, Betriebsbeauftragter für Abfall und Fachkraft für Arbeitssicherheit. Zwar sei der Anteil des organischen Mülls bezogen auf den gesamten Abfall „nicht extrem groß“. Jedoch berichtet Krause beispielhaft vom Klinikum in Rosenheim, in dem alleine im Jahr 2023 insgesamt rund 1,7 Tonnen an organischen Abfällen angefallen seien.
Bevor der krankenhausspezifische Müll tatsächlich entsorgt werden kann, muss er verschiedene Stationen durchlaufen. „Bei uns landet im Prinzip alles, was im Operationssaal entnommen wird“, erklärt Dr. Becker aus der Pathologie. Ein entzündeter Blinddarm, ein Krebspräparat des Darmes, Gallenblasen, Lungenflügel oder kleine Proben von einer Magenspiegelung. „Es kann aber auch mal ein großes, 30 Zentimeter langes Darmstück dabei sein“, so die Medizinerin. All jene Präparate würden von den Ärzten in die Pathologie geschickt, wo sie anschließend untersucht werden sollen. Laut Becker stelle man dort anhand von mikroskopischen Untersuchungen entsprechende Diagnosen.
Vom „Zuschnittslabor“ unters Mikroskop
Doch dieser Vorgang ist in viele Etappen aufgeteilt. Und klar ist auch, dass die organischen Präparate nicht mal eben in einem Müllsack transportiert werden. „Alles wird aus den entsprechenden Abteilungen in spezielle Behältnisse gegeben, die mit der Flüssigkeit Formalin befüllt sind.“ Dadurch, so Becker, würden alle Fäulnis- und Verwesungsvorgänge gestoppt. Zweimal täglich wird die Pathologie aus dem Krankenhaus mit diesen Behältern „beliefert“. Dort werden die Präparate zunächst in einem „Zuschnittslabor“ bearbeitet. „Hier werden sie also genau angeschaut und die entscheidenden Stellen so fein zurechtgeschnitten, damit sie dann unter dem Mikroskop auch untersucht werden können“, so Becker.
Dafür werden die Zuschnitte zunächst über Nacht fixiert und entwässert und dann in weiches Wachs gegossen, ausgehärtet und erneut zugeschnitten. Dadurch könne man besonders feine Präparate zur Untersuchung erstellen. „Wenn wir das Wachs runterkühlen, haben wir die Möglichkeit, mit einem extrem scharfen Messer ganz dünne Scheiben abzuschneiden“, erläutert Inge Bruemmer, MTA-Leitung des Histologielabors, ihre tägliche Arbeit. Die Scheiben werden anschließend auf Objektträger gezogen, eingefärbt und dann den Medizinern zur Untersuchung übergeben. „Das ist ganz schön viel Handarbeit“, sagt Dr. Becker über die Tätigkeit der technischen Assistenten. Wie Becker und Bruemmer erklären, gehören zum Alltag zudem noch sogenannte „Schnellschnitte“. Hier müsste die Pathologie in kürzester Zeit während einer Operation eine Diagnose zu bestimmten Präparaten stellen.
Wo der ethische Abfall landet
„Präparate, die bei uns bearbeitet wurden, werden nicht gleich als ethischer Abfall entsorgt“, betont Becker allgemein. So würden diese zunächst für vier Wochen für mögliche Folgeuntersuchungen aufbewahrt. Becker zeigt Schränke, in denen unzählige beschriftete Döschen lagern. Nach diesen vier Wochen greifen, so Abfallbeauftragter Peter Krause, klare Vorgaben des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes. So sei man etwa beim krankenhausspezifischen Müll „andienungspflichtig“. Bedeutet, dass man den Müll in eine vorgegebene Entsorgungsanlage zur Verbrennung bringen muss. Hierfür fahre ein beauftragtes Unternehmen regelmäßig nach Baar-Ebenhausen bei Ingolstadt, wohin der ethische Müll aller bayerischen Krankenhäuser gebracht und wo er verbrannt wird.
Aufgrund dessen müssten die speziellen Müllbehälter auch über eine „Straßenzulassung“ verfügen, erklärt Krause. „Der muss also aus einer Höhe von 1,5 Metern runterfallen können, ohne aufzuplatzen.“ Die Transporte werden laut Krause einmal wöchentlich durchgeführt. Bis zur Abholung lagern die ethischen Abfälle auf dem klinikeigenen abgesperrten Müllplatz.
Welche Rolle spielt die Klinikseelsorge?
In völlig anderer Hinsicht kommt auch die Klinikseelsorge in Berührung mit organischen Abfällen, wenngleich die Bezeichnung in diesem Falle fehlplatziert ist. Wie Monika Eichinger, Leiterin der katholischen Klinikseelsorge, erklärt, werden auch Föten, sprich Totgeburten oder Schwangerschaftsabgänge, unter 500 Gramm in die Pathologie gebracht und aufbewahrt. „Diese werden nicht entsorgt, sondern dreimal im Jahr beerdigt.“ So würden seitens der Stadt Rosenheim Gräber für die „Sternenkinder“ kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Föten werden dann in der Pathologie abgeholt und in kleine Särge gelegt, berichtet Eichinger.
„Es ist gerade für die Mütter ganz oft sehr wichtig, dass sie einfach wissen, wo der Fötus hinkommt“, so die Seelsorgerin. Dass das kindliche Wesen, auch wenn von diesem womöglich noch kaum etwas zu sehen ist, einen „guten Platz hat“, sei für viele Eltern immens wichtig. „Denn bis zum Jahr 2002 gab es diese Regelung so nicht“, so Eichinger. Die Vorstellung, dass das Kind, das in einem gewachsen ist, als krankenhausspezifischer Abfall entsorgt wird, sei schließlich „furchtbar“. Laut Elisabeth Siebeneicher, Pressesprecherin der RoMed Kliniken, habe sich die Klinik mit diesem sensiblen Thema intensiv auseinandergesetzt. „Es gibt eine Elternbegleiterin in der Klinik, die zusammen mit der Seelsorgerin unterstützt, die Eltern aufzufangen.“
Darüber hinaus geht in den RoMed Kliniken in puncto Abfall alles seinen geordneten Gang. Und anders als der Otto Normalverbraucher, muss der Betriebsbeauftragte Peter Krause eben nicht nur wissen, wo am Ende des Tages die Bananenschale oder die alte Zeitung landen muss.
