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25 Jahre Briefzentrum in Kolbermoor

Wie Postler einen „guten Brief“ definieren – und was am hartnäckigen Montag-Gerücht dran ist

Drehkreuz für ein- und abgehende Briefsendungen in der Region: das Briefzentrum an der Staatsstraße in Kolbermoor (oben). Seit Eröffnung im Jahr 1998 ist Dieter Welsen (60) dort beschäftigt.
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Drehkreuz für ein- und abgehende Briefsendungen in der Region: das Briefzentrum an der Staatsstraße in Kolbermoor (oben). Seit Eröffnung im Jahr 1998 ist Dieter Welsen (60) dort beschäftigt.

Seit 25 Jahren sorgt das Briefzentrum in Kolbermoor dafür, dass Briefsendungen in der Regel innerhalb eines Tages vom Absender zum Empfänger gelangen. Was für die Postler einen „guten Brief“ ausmacht – und wie sie sich gegen ein hartnäckiges Gerücht wehren.

Kolbermoor – Ein Schreiben mit Glückwünschen zum Geburtstag, der Einkommenssteuerbescheid, der eine hohe Rückzahlung ankündigt, oder romantische Zeilen auf hochwertigem Papier der noch frischen Flamme: Was sich Menschen unter einem „guten Brief“ vorstellen, ist sehr individuell. Dieter Welsen beantwortet die Frage hingegen pragmatisch: „Ein guter Brief ist einer, der über die Maschine läuft.“

Aus seiner Sicht eine Antwort, die durchaus nachvollziehbar ist. Denn Welsen ist im Briefzentrum der Deutschen Post AG an der Staatsstraße in Kolbermoor unter anderem für die Programmierung der Sortiermaschinen zuständig. Der 60-Jährige, der seit Eröffnung des Standorts vor 25 Jahren dort beschäftigt ist, kann ein Lied davon singen, wie viele Sendungen noch vor Jahren per Hand sortiert werden mussten. Daher bezeichnet Welsens Kollege Christian Schuch, der viele Jahre im Briefzentrum Kolbermoor gearbeitet hatte, mittlerweile aber in München eingesetzt ist, die Entwicklungen der Sortiermaschinen auch als „eine der größten technischen Veränderungen in den vergangenen Jahren“ im Bereich des Briefversandes.

Maschinen aus Bremen zum Üben

Ein Rückblick: Bis zur Fertigstellung des Briefzentrums in Kolbermoor, das jüngst sein 25-jähriges Bestehen feiern konnte, war im Raum Rosenheim Handsortierung angesagt. Um zum Start des Briefzentrums aber zumindest erste Erfahrungen mit Sortiermaschinen gemacht zu haben, wurden Mitte der 90er-Jahre eine Feinsortier- sowie eine Feinlesemaschine von Bremen nach Rosenheim geliefert. „So konnten wir im Vorfeld sozusagen Briefzentrum üben“, sagt Welsen und lacht.

Wobei aber nicht nur der Ausblick auf neue technische Gerätschaften, sondern auch die neue Struktur im Allgemeinen die Post-Angestellten bewegte. Denn mit der Auflösung der dezentraleren sogenannten Briefabgabestellen, die sich beispielsweise in Holzkirchen und Rosenheim befunden hatten, und der Einführung der zentralen Briefzentren mussten sich viele Post-Beschäftigte von ihrem bisherigen Einsatzort verabschieden.

Haben die Entwicklung des Briefzentrums Kolbermoor seit dessen Eröffnung 1998 hautnah miterlebt: (von links) Christian Schuch, Dieter Welsen und Klaus-Dieter Nawrath.

„Der Raum Rosenheim hatte letztlich einfach auch Glück, dass hier in Kolbermoor ein Briefzentrum gebaut worden ist“, erinnert sich Klaus-Dieter Nawrath, Sprecher der Deutschen Post AG, an eine bewegte Zeit im heutigen börsennotierten Konzern, der erst wenige Jahre zuvor den großen Schritt von der staatseigenen Behörde zum rein wirtschaftlich denkenden Unternehmen wagen musste. Schließlich erstreckt sich das 83er-Postleitzahlengebiet von Bad Tölz bis Traunstein, von Haag bis Berchtesgaden. „Den Beschäftigten wurde viel Flexibilität abverlangt“, erinnert sich der Konzern-Sprecher, der aber auch betont: „Man muss aber auch sagen, dass es dafür noch nie betriebsbedingte Kündigungen bei uns gegeben hat.“

Nawrath: „Die Sortierqualität ist dadurch einfach besser geworden.“

Seit Eröffnung des Briefzentrums in Kolbermoor im Jahr 1998 sind nun riesige Maschinen dafür verantwortlich, dass aus- und eingehende Sendungen schnell und effizient nach Postleitzahlen-Gebieten sortiert werden. „Ich spare durch die maschinelle Sortierung natürlich Kosten“, beschreibt Nawrath einen großen Vorteile der damals neu eingeführten Struktur. Doch nicht nur der Konzern, der Kosten einspart, auch die Verbraucher profitieren nach Angaben von Nawrath davon: „Die Sortierqualität ist dadurch einfach besser geworden, was wiederum dazu führt, dass die Laufzeiten der Sendungen verkürzt werden.“

Wobei die Entwicklung der Maschinen nicht stillsteht. „Vor rund zehn Jahren sind viele Maschinen ausgetauscht worden“, verrät Christian Schuch, der vor einem Vierteljahrhundert den Aufbau des Briefzentrums in Kolbermoor begleitet hat und aktuell in ein ähnliches Projekt bei Germering (Landkreis Fürstenfeldbruck) involviert ist. Die neueren Modelle, die nun in Kolbermoor zum Einsatz kämen, hätten noch weniger Schwierigkeiten, die Adressen der Sendungen zu erkennen und zu verarbeiten. Was Welsen nur bestätigen kann. „Da hat sich in der Vergangenheit schon sehr viel getan“, sagt der Mann, der sich selbst als „Postler mit Leib und Seele“ bezeichnet. „Was die Maschinen heute lesen können, ist im Vergleich zu früher ein himmelweiter Unterschied.“

Daher sei auch der ehemalige, sogenannte Videocodierraum im Briefzentrum, in dem Mitarbeiter im Schnelldurchlauf versucht hatten, für die Maschinen nicht lesbare Anschriften zu identifizieren, vor längerer Zeit aufgelöst worden. Wobei sich am Beispiel des Videocodierraums auch zeigt, dass der technische Fortschritt des digitalen Zeitalters für die Post Fluch und Segen zugleich ist. Zum einen hat zwar die Menge an Briefen als wichtige Einnahmequelle durch den Siegeszug der E-Mail massiv abgenommen. Zum anderen besteht durch die Datenleitung nach München nun die Möglichkeit, Fotoaufnahmen der wenigen aussortierten Sendungen als Dateien nach München zu schicken und dort zentral die Anschriften zu ermitteln.

Gerücht hält sich seit Jahren hartnäckig

Schließlich gehören schlecht lesbare oder fehlerhafte Anschriften zu den Hauptgründen, wenn eine Briefsendung die Laufzeit von nur einem Tag, die die Post nach eigenen Angaben in rund 90 Prozent der Fälle einhält, verfehlt. „Wir wollen ja auch, das alles beim Postversand klappt“, stellt Sprecher Nawrath klar, fügt aber auch an: „Nicht immer ist die Post schuld.“ Deshalb werde er auch nicht müde, dem hartnäckigen Gerücht, montags werde vielerorts keine Post zugestellt, entgegenzutreten. „Das stimmt einfach nicht“, sagt der 61-Jährige. Es sei zwar wahr, dass viele Kunden montags deutlich weniger Briefe im Briefkasten vorfänden. „Das hängt aber damit zusammen, dass auf der einen Seite immer weniger Briefe verschickt werden, auf der anderen Seite aber Briefe, die freitags noch pünktlich aufgegeben werden, bereits am Samstag zugestellt worden sind.“

Das primäre Ziel der Post sei auch in Zukunft, die Quote bei der Laufzeit von einem Tag weiter zu erhöhen, wozu eben auch modernere Maschinen beitragen sollen, die noch weniger Briefe aussortieren. „Das theoretische Ziel wäre eine 100-prozentige Maschinenlesbarkeit, die wir aber natürlich in der Praxis nie erreichen werden“, sagt Nawrath. Wobei die Maschinen in den vergangenen Jahren aber nicht nur in puncto Lesbarkeit der Anschriften, sondern auch bei der Sortierung Fortschritte gemacht hätten. Während noch vor Jahren Briefsendungen für die jeweiligen Zustellbezirke händisch sortiert werden mussten, können die Maschinen im Briefzentrum für die rund 700 Zusteller des Postleitzahlengebiets „83“ die Sendungen heute „nach Gangfolge sortieren“ – also genau so, wie sie der Zusteller auf seiner Tour letztlich benötigt.

Die Programmierung der Maschinen im Blick

Dass das möglich ist, dafür sorgt beispielsweise Dieter Welsen, der die Programmierung der Maschinen im Blick hat. „Das ist ein stetig laufender Prozess“, verrät der 60-Jährige. So gehe es beispielsweise darum, die Maschine auch neue Straßenzüge zu „lehren“, die beispielsweise in neuen Baugebieten entstünden. „Das ist ein spannender Job. So muss ich beispielsweise viel Kontakt zu den Kommunen halten“, verrät Welser. „Mir macht diese Arbeit wahnsinnig viel Spaß.“

Er selbst zeigt sich auch jedem technischen Fortschritt gegenüber aufgeschlossen, wenngleich Welsen nicht glaubt, dass das Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI) eine bahnbrechende Rolle spielen wird. „Ich wüsste aktuell nicht, wo uns das groß weiterbringen könnte“, sagt das Urgestein des Kolbermoorer Briefzentrums. Seine Aufgabe will Welsen in den verbleibenden Jahren bis zum Renteneintritt jedenfalls nicht aus den Augen verlieren: Die Maschinen so zu programmieren, das nahezu jeder Brief über die Maschine laufen kann. Und somit laut seiner Definition ein „guter Brief“ ist.

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