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„Quartiersmanagement“ wird ausgeschrieben

Kolbermoor kündigt Vertrag mit Diakonie: Wie geht‘s mit dem „Bürgerhaus“ weiter?

Im Bürgerhaus schlägt das Herz der sozialen Stadt Kolbermoor und ihres Quartiermanagements. Seit 18 Jahren zeichnet dafür die Diakonie Rosenheim verantwortlich. Jetzt hat die Stadt der Vertrag gekündigt.
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Im Bürgerhaus schlägt das Herz der sozialen Stadt Kolbermoor und ihres Quartiermanagements. Seit 18 Jahren zeichnet dafür die Diakonie Rosenheim verantwortlich. Jetzt hat die Stadt der Vertrag gekündigt.

Die Stadt Kolbermoor hat den Kooperationsvertrag mit der Diakonie Rosenheim fürs Bürgerhaus gekündigt. Jetzt soll die soziale Arbeit im Quartier neu ausgeschrieben werden. Was sind die Gründe?

Kolbermoor – „Ja, das stimmt“, bestätigt Bürgermeister Peter Kloo auf Anfrage des OVB. „Wir haben den Personalwechsel im Bürgerhaus zum Anlass genommen, um das Quartiersmanagement turnusmäßig neu auszuschreiben.“ Das eröffne der Diakonie die Chance, neues Personal zu suchen. „Es gab einen großen Generationswechsel“, erklärt Dr. Andreas Dexheimer, Vorstand und Sprecher der Geschäftsleitung der Diakonie Rosenheim. Der Vertrag könne jährlich gekündigt werden. „Sehr zu unserem Leidwesen hat das die Stadt Kolbermoor jetzt zum ersten Mal getan.“

Die Ausschreibung, so informiert Bürgermeister Kloo, habe der Zweckverband Kommunale Dienste Oberland für die Stadt übernommen. Entsprechend der Konzepte der Bewerber werde der Stadtrat in einer der nächsten öffentlichen Sitzungen über die Vergabe des Quartiersmanagements entscheiden.

Dagmar Badura ist schwer zu ersetzen

Der eigentliche Personalwechsel liegt schon mehr als 15 Monate zurück. Ende März 2022 verabschiedete sich Dagmar Badura nach 18 Jahren in Kolbermoor in den Ruhestand. Und auch wenn sie damals selbst noch sagte: „Frau Badura ist nicht das Maß aller Dinge.“ Für die Kolbermoorer ist sie es schon.

Immerhin baute Badura unter der Trägerschaft der Diakonie Rosenheim das Quartiersmanagement in der historischen Arbeitersiedlung auf, knüpfte wichtige Netzwerke für die Menschen vor Ort, organisierte Hausaufgaben-Hilfen, Schmiede-Projekte, Berufstrainings und Einzelberatungen. Sie initiierte die Seniorenarbeit, von der ganz Kolbermoor profitiert. Mit Kochen, Backen und Frühstückstreffen holte sie die Senioren „aus der Einsamkeit in die Geselligkeit“. Und auch während der Corona-Krise wusste sie genau, was gebraucht wurde, organisierte Einkaufshilfen, übernahm Impfanmeldungen für Senioren oder organisierte Mittel für Taxifahrten. „Sie war irrsinnig engagiert und hat riesige Fußstapfen hinterlassen“, sagt Dr. Berthold Suldinger, der Seniorenbeauftragte der Stadt. „Es ist nicht leicht, die auszufüllen.“

Seitdem Dagmar Badura nicht mehr da ist, klingelte das Telefon im Bürgerhaus oft ins Leere. Personalengpässe, krankheitsbedingte Ausfälle und berufliche Neuorientierungen kamen hinzu. „Man darf aber auch nicht unterschätzen, dass nach der Corona-Pandemie die Netzwerke, die Ehrenamtsstrukturen und die offenen Angebote, die von einer freiwilligen Regelmäßigkeit leben, am Boden lagen“, macht Dexheimer klar. „Die Kolbermoorer Kollegen mussten alles von Null wieder aufbauen.“

Jetzt wurde das Kolbermoorer Team personell gestärkt. Die neue „Frau Badura“ heißt Michael Jahn. „Ein sehr erfahrener Kollege, der die fachliche und organisatorische Führung für Kolbermoor übernommen hat, je zur Hälfte in der Zentrale in Rosenheim und in Kolbermoor sein wird“, informiert Dexheimer. Zur Seite steht ihm seit 1. Mai Daniela Dobner als sozialpädagogische Fachkraft. Sie wird 40 Stunden pro Woche nur in Kolbermoor sein und ist gemeinsam mit Stefanie Weber für die Tafel und das Leben im „Mangfalltreff“ verantwortlich.

„Neu ausgeschrieben wurde das Quartiersmanagement, also der Bürgertreff“, erklärt der Diakonie-Sprecher. „Die Tafelstruktur ist völlig selbstständig. Da sie mitten im Quartier ist und mit ihm unmittelbar zusammenhängt, macht es natürlich Sinn, wenn die Verantwortung in einer Hand liegt.“ Vor allem die Kolbermoorer Tafel, die Dagmar Badura 2004 gründete, hatte in den letzten Monaten zu kämpfen. Aufgrund von Beschwerden schauten sich Seniorenbeauftragter Dr. Suldinger und Veronika Gmeiner, die Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, vor Ort um.

Daniela Dobner ist die Neue im Kolbermoorer Team der Diakonie. Sie kümmert sich um die Tafel und die Angebote im Mangfalltreff.

„Die Tafeln haben es schwer. Die Zahl der Bedürftigen ist durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine enorm angestiegen. Die Geschäfte geben aufgrund der Krise nicht mehr so viel ab“, weiß Gmeiner. „Doch dass faulige Äpfel oder schimmeliges Brot ausgegeben werden, stimmt definitiv nicht“, betont Dr. Suldinger. „Und wenn beim Aussortieren wirklich mal ein Apfel mit einer Druckstelle übersehen wird, kann man die rausschneiden. Das macht jeder so.“ Zudem, so betont Suldinger, sei die Versorgung durch die Tafel keine staatliche Leistung, sondern werde aus Spenden und ehrenamtlichen Leistungen gespeist.

Beschwerden gibt es schon immer

„Seitdem es die Tafel gibt, gibt es Beschwerden“, weiß Bürgermeister Peter Kloo. „Wenn sich jemand benachteiligt fühlt, ist das ein ganz subjektives Empfinden. Bei dem, was sich die Ehrenamtler da oft anhören müssen, ist es erstaunlich, dass sie überhaupt noch bei der Stange bleiben.“ Wolf-Mathias Riediger gehört zu den Menschen, die ehrenamtlich in der Kolbermoorer Tafel die Spenden vorsortieren und an die Bedürftigen ausgeben. „Bei uns wird niemand bevorzugt. Alle bekommen das Gleiche“, betont er. Die Herkunft spiele nur beim Verzicht auf Wurst oder Schweinefleisch eine Rolle, da auch Moslems zu den Tafelkunden gehörten.

Lebensmittelspenden sind knapper geworden

Dass die Lebensmittelspenden knapper geworden sind, kann Riediger bestätigen. Doch die Kolbermoorer Bürger helfen mit ihren Spenden, diese Lücke zu schließen. „In dieser Woche haben wir eine große Spende vom Rewe-Markt bekommen“, freut er sich, den Tafelkunden Gänse- und Entenfleisch auch mal außer der Reihe anbieten zu können. Leider habe mancher Tafelkunde inzwischen ein nicht nachvollziehbares Anspruchsdenken entwickelt: „Es gibt wirklich Leute, die eine Biogurke ablehnen, weil sie durch den Transport eine kleine Druckstelle hat.“ Der Personalwechsel im Kolbermoorer Team, so berichtet Riediger, habe sich inzwischen auch positiv auf die Stimmung in der Tafel ausgewirkt. „Es gab eine Zeit lang oft Streit unter den Bedürftigen, aber der hat sich inzwischen gelegt.“

Diakonie bewirbt sich wieder

Doch wie lange wird das Team der Diakonie Rosenheim die 5000 Menschen noch betreuen, die das Bürgerhaus pro Jahr aufsuchen? „Wir werden uns auf jeden Fall für das Quartiersmanagement in Kolbermoor wieder bewerben“, betont Dr. Andreas Dexheimer. „Schließlich haben wir das Quartierskonzept konzeptionell getragen und die Strukturen vor Ort aufgebaut.“

Sozialarbeit für eine soziale Stadt

In den vergangenen 18 Jahren hat sich das Quartier „Historische Arbeitersiedlung“ verändert. Grundsätzliches Ziel war und ist es, die Lebensbedingungen der Bewohner des Stadtteiles durch unterschiedlichste Angebote zu verbessern. Dazu gehört die soziale Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln aus der historischen Arbeitersiedlung der Spinnerei. 2011 sind Veranstaltungen für Senioren und vielfältige Beratungsangebote im „Mangfalltreff“ hinzugekommen, die allen Bürgern der Stadt offenstehen.

„Mit der neuen Ausschreibung stellen wir alles wieder auf Start“, beschreibt Zweiter Bürgermeister Dieter Kannengießer das Anliegen der Stadt. Die Erwartungen der Kommune seien klar formuliert worden. „Nun hoffen wir auf angemessene Konzepte.“

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