Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Ukraine-Krieg und Inflation werden zur Belastungprobe

Immer mehr Bedürftige: Kolbermoorer Tafel kann die Teller nicht mehr füllen

Sie helfen Bedürftigen: (von links) Stephanie Weber, Errol Schneider, Rudolf Rieder, Melanie Klettl, Hans Schulz und Viktoria Zarikewitsch von der Tafel Kolbermoor.
+
Sie helfen Bedürftigen: (von links) Stephanie Weber, Errol Schneider, Rudolf Rieder, Melanie Klettl, Hans Schulz und Viktoria Zarikewitsch von der Tafel Kolbermoor.

Die Zahl der Kolbermoorer, die auf die Tafel angewiesen sind, um satt zu werden, ist um 50 Prozent auf 200 gestiegen. Das ist eine Belastungsprobe für das ehrenamtliche Tafel-Team.

Kolbermoor – Die Folgen des Krieges in der Ukraine wirken sich auch auf die Kolbermoorer Tafel aus. Die Zahl derer, die ihre Teller nur mit Lebensmittelspenden füllen können, ist um 50 Prozent gestiegen. „Wir versorgen aktuell etwa 200 Menschen, darunter sind auch um die 70 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine“, erklärt Melanie Klettl, die Leiterin des Bürgerhauses und der Tafel.

Ein Leben am Existenzminimum

Bisher kümmerte sich das ehrenamtliche Tafel-Team um etwa 129 Kolbermoorer – darunter 78 Erwachsene sowie 51 Kinder und Jugendliche. „Mit den Lebensmittelspenden können wir unsere Kunden bis zu vier Tage unterstützen“, beschreibt Sozialpädagogin Stephanie Weber die Situation der Menschen.

„Tafel-Kunden“ müssen von geringen Renten oder Einkommen leben, erhalten vom Staat Sozialleistungen als Ausgleich zu dem, was ihnen zum Existenzminimum fehlt. Um satt zu werden, sind sie trotzdem noch auf Lebensmittelspenden angewiesen. Erst kürzlich forderte Jochen Brühl, der Vorsitzende der Tafel Deutschland, die Bundesregierung auf, konkrete und schnelle Hilfe für armutsbetroffene Menschen zu leisten, um die Nachfrage bei den Tafeln langfristig zu senken, denn: „Ehrenamtsorganisationen können nicht das auffangen, was seit Jahren schief läuft in unserem Land.“ Viele Menschen seien auf die Tafeln angewiesen, weil sich Armut in Deutschland verfestigt habe. Auch in Kolbermoor.

„Betroffen sind vor allem Rentner, darunter viele Frauen, die ihre Kinder aufgezogen haben und dadurch kaum eine Rente erhalten“, erklärt Weber. Aber auch Menschen, die lange krank waren, pflegende Angehörige, Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose gehörten zu den Kunden der Tafel. „Mit der Corona-Krise sind aber auch Menschen dazugekommen, die in der Pandemie ihre Arbeit und in der Folge fast alles verloren haben“, macht Klettl die Dramatik klar.

Der Höhenflug der Verbraucherpreise und eine Inflation auf Rekordhoch spitzen die Situation weiter zu. Nicht nur, weil perspektivisch noch mehr Menschen auf die Lebensmittelspenden der Tafel angewiesen sein könnten. Auch ein eigentlich positiver Trend wirkt sich negativ auf die Spenden aus: Denn ging es einst darum, eine Brücke zwischen dem Überschuss an Lebensmitteln und den von Armut betroffenen Menschen zu schlagen, bleibt heute kaum mehr etwas übrig. „Jeder spürt, dass die Einkäufe teurer geworden sind, und so greifen auch die ,normalen‘ Verbraucher verstärkt zu reduzierten Artikeln“, weiß Klettl. In der Folge bleibt weniger übrig, was die Geschäfte an die Tafeln abgeben können.

Bisher waren das beispielsweise Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft, Backwaren vom Vortag, beschädigte Verpackungen oder Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern. Doch nicht nur davon gibt es weniger. Auch durch den Verlust stabiler Partner wie beispielsweise Danone sind der Tafel sichere Spenden weggebrochen. „Das war eine sichere Bank. Heute können wir kaum noch Yogurth anbieten“, macht Weber klar.

Den Kunden der Tafel ist die veränderte Situation bewusst. „Ihre tiefsitzende existenzielle Angst hat sich mit der neuen Situation weiter verstärkt“, beschreibt die Sozialpädagogin die mentale Situation der Bedürftigen. Aus der Idee der Tafel, Menschen zu helfen, die kurzfristig in Not geraten sind, sei heute eine Grundversorgung von Menschen geworden, bei denen es ums Überleben gehe.

Lebensmittelspenden reichen nicht mehr

„Die Spenden reichen nicht mehr aus. Wir müssen zukaufen, um unsere Kunden zu versorgen“, so Tafel-Chefin Klettl. Das dürfen die Tafeln nur mit zweckgebundenen Spenden. Eine ist gerade von den Erben von Anton Moser (1890 – 1952) eingegangen, der sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Stadtrat und Zweiter Bürgermeister für die Bedürftigen in Kolbermoor einsetzte.

Seine Enkel und Urenkel führen heute sein Vermächtnis fort. Sie sind durch ihre Wurzeln immernoch eng mit Kolbermoor verbunden. Daher war es ihnen ein Anliegen, die Tafel mit einer großzügigen Zuwendung zu unterstützen. „Ohne Spenden würden wir es nicht mehr schaffen“, betont Weber. Dringend gebraucht werden auch Sachspenden wie haltbare Lebensmittel und Hygieneprodukte, die beispielsweise der Elternbeirat der Mangfallschule sammelte. Sie helfen der Tafel, die Regale zu füllen und die Ärmsten weiter stabil zu versorgen.

Zur Lebensmittelknappheit kommen die stark gestiegenen Sprit- und Energiepreise. Sie verursachen Mehrkosten, die die Tafel nicht ohne zusätzliche Spenden bewältigen kann. Sowohl die energieintensive Kühlung als auch die Fahrten zur Abholung der Lebensmittel sind für den Tafel-Betrieb zwingend notwendig.

Zudem werden etwa 20 kranke oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Tafel-Kunden beliefert. „Unser Kühlfahrzeug ist in die Jahre gekommen, braucht inzwischen viele Reparaturen. Dafür eine Alternative zu beschaffen, ist die nächste Herausforderung, vor der wir stehen“; betont Tafel-Chefin Melanie Klettl und betont: „Jede Packung Nudeln und jeder Euro helfen uns.“

Kommentare