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Mutter klagt: „Ich weiß nicht mehr weiter“

Kita-Platz gekündigt: Warum darf Lennox (5) aus Edling nicht mehr zu „Hänsel & Gretel“?

Julia Maier und ihr Sohn Lennox vor dem Kindergarten Hänsel & Gretel. Hier ging Lennox bis vor Kurzem jeden Vormittag in die Betreuung, nun wurde ihm der Platz gekündigt.
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Julia Maier und ihr Sohn Lennox vor dem Kindergarten Hänsel & Gretel. Hier ging Lennox bis vor Kurzem jeden Vormittag in die Betreuung, nun wurde ihm der Platz gekündigt.

Julia Maier aus Edling ist verzweifelt. Seit Anfang des Jahres hat ihr Sohn Lennox keinen Kindergartenplatz mehr. Dieser wurde gekündigt. Die Mutter versteht die Welt nicht mehr.

Edling - Der Gryffindor-Schal muss mit, wenn Lennox Maier das Haus verlässt. Gryffindor, die Welt von Fantasy-Held Harry Potter, das ist die Leidenschaft des Fünfjährigen. Sein Lieblingscharakter: Draco Malfoy. „Der Böse“, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen, „obwohl der gar nicht so böse ist.“ Vielleicht sieht sich Lennox auch ein bisschen selbst in Draco, schließlich haben ihm schon viele Erwachsene das Gefühl gegeben, „böse“ zu sein. Lennox wurde sein Platz im Gemeindekindergarten Hänsel & Gretel in Edling gekündigt. Er sei ein schwieriges Kind, habe es geheißen, so die Mutter. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Kindergarten sei irreparabel zerstört, eine Kündigung unumkehrbar.

Maier ist alleinerziehend und berufstätig

Die Arzthelferin ist alleinerziehend, mit ihren zwei Söhnen wohnt sie in einer kleinen, gepflegten Wohnung gleich um die Ecke des Kindergartens. Gäste bittet sie, die Schuhe vor der Türe auszuziehen, damit sich die Kinder kein schlechtes Beispiel nehmen. Maxim (9) ist an diesem Vormittag in der Schule, Lennox natürlich zuhause. „Das ist er ja jetzt immer“, sagt Maier mit einem Schulterzucken. Nur an den drei Tagen, an denen sie arbeitet, besucht ihr Sohn die Oma. „Gottseidank habe ich meine Mutter“, erklärt Maier, „sonst wüsste ich nicht, wie ich es machen soll.“

Gerade sitzt Lennox am Laptop, macht Aufgaben für die Vorschule. „Die haben wir von Freunden bekommen“, erzählt sie. Ein bisschen Beschäftigung für ihn und Vorbereitung für die Schule, die Lennox entweder im September diesen oder nächsten Jahres besuchen soll. „Eigentlich würde ich ihn noch gerne zurückhalten“, sagt die Mutter. Er sei noch nicht so weit, glaubt sie, so sei es auch im September mit dem Kindergarten besprochen worden. Inzwischen hoffe sie aber, dass die Untersuchungen im März ein anderes Ergebnis zeigen würden. Ein ganzes Jahr mit Lennox zuhause könne sie nicht stemmen. „Und ich weiß nicht, wo wir einen Kindergartenplatz herbekommen sollen“, sagt sie. Alle Bemühungen seien bisher gescheitert und auch die Behörden würden wenig Unterstützung anbieten, findet die Betroffene.

Zwei Jahre gab es keine Probleme

Warum der Platz überhaupt gekündigt wurde, kann Maier bis heute nicht verstehen. „Die kennen mich doch dort, ich war im Elternbeirat. Mein Älterer ist doch auch schon in den Kindergarten Hänsel und Gretel gegangen. Und jetzt das.“ Knapp zweieinhalb Jahren habe Lennox die Betreuungseinrichtung besucht. Zwei Jahre habe es keine Probleme gegeben. „Er war praktisch verliebt in seine Erzieherin“, erzählt Maier. Entsprechend sei Lennox immer gerne gegangen. Vor einem halben Jahr habe es dann personelle Wechsel gegeben und die Probleme seien losgegangen, so ihre Sicht der Dinge.

„Es hieß plötzlich, Lennox wäre nicht zu bändigen. Er würde Sachen kaputt machen, die Erzieherinnen schlagen. Sie haben mir gesagt, sie hätten Angst vor ihm. Vor einem Fünfjährigen“, sagt sie verständnislos. „Wie kann das denn sein?“ Maier will nichts schönreden, dass der Umgang mit Lennox nicht immer einfach sei, wisse auch sie. „Er ist kein Lämmchen“, gibt sie zu. „Ich will nicht so tun, als wäre er immer brav.“ Manchmal sei er auch laut, könne schlecht mit Reizüberflutung umgehen. „Es wird vermutet, dass er eine Störung auf der emotionalen-sozialen Ebene hat“, sagt Maier, etwa ADHS. Eine Diagnose gebe es noch nicht. Dennoch zeige Lennox keine Verhaltensweisen, mit denen man nicht umgehen könnte. „Wenn er gestresst ist, muss man ihn aus der Situation rausnehmen, in einen ruhigen Raum bringen. Vielleicht mit einem Buch in der Hand und ihn einfach ein paar Minuten in Ruhe lassen“, weiß die Mutter.

Inklusion steht im Konzept

„Und selbst wenn Lennox ADHS hat, der Kindergarten hat es doch in seinem Konzept stehen, dass er jedes Kind nimmt“, ärgert sich Maier. Tatsächlich schreibt sich die Einrichtung in ihrem Leitfaden selbst Inklusion unter dem Motto „Es ist normal, anders zu sein“ vor. Maier kann nicht verstehen, warum es dann dennoch nicht geklappt hat. Noch weniger könne sie das Vorgehen der Gemeinde Edling verstehen. Denn von ihr fühlt sich Maier im Stich gelassen. „Es gab einen runden Tisch mit Kindergartenleitung und Bürgermeister, um die Situation zu klären“, erzählt Maier. Sie habe sich viel von dem Gespräch erhofft. „Ich habe auch Vorschläge gemacht“, sagt sie. Lennox könne nur drei Tage in den Kindergarten gehen, sie könne ihn aus dem Mittagsessen herausnehmen. „Ich habe auch vorgeschlagen zu hospitieren, um mir das Ganze anzusehen.“ Alles sei abgelehnt worden.

Alternativ-Platz noch nicht gefunden

Stattdessen hätte die Gemeinde ihr die Kündigung geschrieben, mit der Garantie, zuvor einen neuen Kindergartenplatz für Lennox ausfindig zu machen. Ein Angebot habe sie auch erhalten, erzählt Maier, im Integrationskindergarten in Soyen. „Ich hab noch gefragt, wie ich das machen soll. Ich muss in die Arbeit, mein Älterer in die Schule. Ich kann Lennox doch nicht schon um sieben Uhr dort abgeben.“

„Wir haben uns den Kindergarten in Soyen dann angeschaut“, erzählt Maier. Ihr Sohn sei nicht begeistert gewesen, das Konzept Waldkindergarten hätte ihm nicht gefallen. Aber auch die Erzieherinnen hätten ihr gesagt, dass sie eigentlich keinen Platz für ihn hätten. „Sie meinten, sie hätten schon drei schwierige Kinder, Lennox aufzunehmen sei vom Personalschlüssel her nicht möglich.“ Doch trotz der neuen Situation, Edling hätte die Kündigung nicht zurückgezogen. „Nicht mehr unser Problem“, hätte es von der Gemeinde geheißen. „Und seitdem stehen wir ohne Platz da.“ Denn einen zu finden, das sei beinahe unmöglich. „Alle Einrichtungen sind voll“, bedauert Maier. Zudem falle Lennox durch das Raster. So hätte ihn die schulvorbereitende Einrichtung in Steinhöring als „zu alt“ abgelehnt.

Und Lennox? Maier versucht, ihn so gut es geht, abzuschirmen, aber natürlich sei er betroffen. Er bekomme mit, dass seine Mutter gestresst sei. „Seine Betreuerin von der Frühförderung meint sogar, er ist traumatisiert.“ Ob das stimme, wisse sie nicht. Dass die Situation nicht spurlos an dem Fünfjährigen vorbeigeht, zeigt aber auch der Fototermin vor dem Kindergarten. Immer wieder bleibt er auf dem Weg zum Gebäude stehen, den Gryffindor-Schal um den Hals, und fragt: „Mama, wer ist denn noch im Kindergarten?“ Maier antwortet: „Die Schule hat noch nicht angefangen. Noch sind alle da.“ Alle, bis auf Lennox.

Gemeinde: „Um adäquate Betreuung stets bemüht“

Auf Anfrage der Wasserburger Zeitung zum Fall Maier erklärt die Gemeindeverwaltung Edling, dass die Kündigung des Bildungs- und Betreuungsvertrages zwischen der Gemeinde als Trägerin der Kindertageseinrichtung Hänsel und Gretel und den Personensorgeberechtigten des Kindes fristgerecht zum 31.12.2022 erfolgt sei. Genauere Angaben könne die Kommune aus datenschutzrechtlichen Gründen zum Schutz der Familie und des Kindes nicht erteilen. Jedoch sei die Gemeinde Edling natürlich stets bemüht, in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe für alle Familien einen adäquaten Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen beziehungsweise zu finden.

Kreisjugendamt: „Kündigungsgründe im Vertrag geregelt“

Wie kann es sein, dass einer Familie ein Kinderbetreuungsplatz trotz Rechtsanspruch gekündigt wird? Auf Anfrage erklärt das Kreisjugendamt Rosenheim, das als überörtliche Behörde auch für die Koordination der Kindergartenplätze zuständig ist: „Familien schließen mit dem Träger der Einrichtung einen Betreuungsvertrag ab. In diesem sind die Kündigungsfristen und auch die Gründe für eine Kündigung klar geregelt. Der Vertrag wird in der Regel in den Einrichtungen vor der Unterzeichnung mit den Familien besprochen“, so Pressesprecherin Ina Krug. Die Suche nach einem Betreuungsplatz und eine Anmeldung in den Einrichtungen - auch nach einer Kündigung - erfolge über die Familie. Sollte sie Absagen durch die Einrichtungen erhalten haben, könne sie sich an das Kreisjugendamt wenden. „In einem gemeinsamen Gespräch wird der Bedarf der Familie erhoben und wir unterstützen bei der Suche nach einem Betreuungsplatz“, so Krug. „Faktoren wie der Arbeitsort der Familie spielen bei der Suche nach einer Einrichtung eine Rolle. Demnach können auch Einrichtungen, welche auf dem Weg zur Arbeit eines Elternteils liegen, einbezogen und nach freien Betreuungsplätzen angefragt werden. Eine Platzzuweisung kann von unserer Seite nicht erfolgen.“

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