Umstrittenes Rufbus-System
Kein On-Demand-Verkehr: Samerberg steigt als erste Gemeinde bei „Rosi“ aus
Samerberg beendet seine Teilnahme am On-Demand-Verkehrsprojekt „Rosi“. Grund dafür sind die hohen Defizite und ungelösten Probleme bei der Umsetzung des Konzepts. Warum ist dieses – jedenfalls am Samerberg – gescheitert?
Von Susanne Deindl
Samerberg – Lange wurde über den On-Demand-Verkehr diskutiert, an dem bisher zwölf Gemeinden teilnahmen. Nun steigt die Gemeinde Samerberg als erste wieder aus. In der Gemeinderatssitzung im April wurde das Thema ausführlich erörtert. Bereits in der Dezember-Sitzung des Gemeinderates waren zwei Vertreter der Deutschen Bahn zu Gast: Sebastian Heilek, Geschäftsführer der DB Regio Bus Bayern GmbH, und Melih Camgöz, Betriebsmanager der On-Demand-Verkehre, die dem Gemeinderat Rede und Antwort stehen sollten.
Gespräch im Landratsamt
Am 19. März fand die nächste offizielle Gesprächsrunde im Landratsamt statt. Erster Bürgermeister Georg Huber und Geschäftsführer Andreas Müllinger von der Gemeinde Samerberg waren als Vertreter der Gemeinde anwesend. Das Ergebnis laut Andreas Müllinger: Enttäuschend! Die Betreiber hätten drei Monate Zeit gehabt, ein neu kalkuliertes Konzept mit einer ordentlichen Präsentation vorzustellen. Stattdessen seien nur drei Folien gezeigt worden, in denen die bereits bekannten Aspekte, wie die Einteilung in Sektoren und die Verdoppelung der Fahrpreise, dargestellt wurden.
Andreas Müllinger berichtete weiter, dass das ganze System von Grund auf falsch kalkuliert gewesen sei. Auch nach der Anhebung der Preise würden die Einnahmen nur ein Viertel der Ausgaben decken. Dies bedeute, dass das System auch nach den angekündigten Änderungen für die Gemeinden ein Zuschussgeschäft bleiben werde. Für die Gemeinde Samerberg wurde zu Beginn des Projekts mit einem Defizit von circa 10.000 Euro kalkuliert. Bürgermeister Georg Huber betonte, dass diese Zahl nicht mehr aktuell sein könne, da man die Inflation sowie steigende Energie- und Kraftstoffpreise berücksichtigen müsse.
Die Gemeinde Samerberg musste jedoch weit mehr als das angekündigte Defizit tragen. Von Beginn bis zum dritten Geschäftsjahr, Ende 2024, musste die Kommune rund 50.000 Euro in das Projekt investieren. Die Gemeinde sei sich dabei immer im Klaren gewesen, dass sie als Randgemeinde eine andere Rolle spielt, da sich der On-Demand-Verkehr hauptsächlich im nahen Chiemsee-Gebiet konzentriere. Hinzu komme, dass die Förderungen des Projekts bis zum fünften Geschäftsjahr immer weniger werden, was gleichzeitig eine Steigerung der Kosten für die Gemeinden bedeute, wenn ROSI bis dahin nicht mehr Einnahmen erwirtschaftet. Im Raum Samerberg gab es in den ersten drei Betriebsjahren insgesamt 11.000 Fahrtanfragen, von denen nur 943 tatsächlich bedient werden konnten. Werden diese knapp 1.000 Fahrten af das Defizit von 50.000 Euro umgelegt, bedeutet dies, dass die Gemeinde pro Fahrt in etwa 50 Euro draufzahlen musste.
Nachdenken über Sektoren
Auch die neue Einteilung in Sektoren warf beim gesamten Gemeinderat noch einige Fragen auf. Möchte ein Fahrgast in Zukunft eine sektorenübergreifende Fahrt buchen, so sei der Anschluss an der Sektorengrenze überhaupt nicht sichergestellt, da jede Fahrt im nächsten Sektor neu gebucht werden müsse. Laut Betreiber sei es aus technischen Gründen noch nicht möglich, eine sektorenübergreifende Fahrtanfrage vom Start bis zum gewünschten Endziel in einem Buchungsvorgang zu bedienen.
Andere teilnehmende Gemeinden, wie Aschau, Eggstätt, Prien oder Höselwang, haben bereits bestätigt, den On-Demand-Verkehr für ein weiteres Betriebsjahr bis April 2026 unter den neuen Bedingungen zu testen. Dabei gäbe es laut Bürgermeister Georg Huber auch Gemeinden, die ihre Bestätigung mit einer Deckelung des Defizits kombinierten. Das bedeutet, dass sie das kommende Defizit nur bis zu einem bestimmten Betrag tragen wollen. Doch der Gemeinderat am Samerberg fragt sich einstimmig: Was passiert mit dem Rest? In der Stellungnahme des Landratsamtes heiße es ganz klar, dass das Landratsamt auch nicht für die restlichen Kosten aufkomme.
Die einhellige Meinung aus dem Samerberger Gemeinderat betont, dass für die Samerberger Bürger vor allem eine Anbindung Richtung Rosenheim wichtig ist und eine Erweiterung des Fahrservices Richtung Nußdorf oder Neubeuern wünschenswert wäre. Beide Optionen lehnt der Betreiber jedoch ab, da für ihn das bestehende System im Vordergrund stehe.
Blick auf den Geburtsfehler
Das Konzept ist laut Samerberger Gemeinderat nach wie vor wichtig. Vor allem die Bürger ohne Führerschein oder ohne Auto sollten vom Konzept des On-Demand-Verkehrs profitieren, jedoch nicht zu jedem Preis. Trotz neuer Konzeptplanung könne das System in der Gemeinde Samerberg nicht weiter umgesetzt werden. Andreas Müllinger betonte, dass der Geburtsfehler weiter zurückliege, da das System von Beginn an falsch aufgestellt worden sei. Die Defizite hätten nie zu 100 Prozent auf die teilnehmenden Kommunen umgelegt werden dürfen. Auch der Betreiber hätte sich von Anfang an am Risiko beteiligen müssen. Der Beschluss, mit sofortiger Wirkung aus dem On-Demand-Verkehr auszusteigen, wurde zum Schluss mit zehn zu drei Stimmen bestätigt. Ab wann die Gemeinde nicht mehr angefahren wird, beziehungsweise welche Kosten im Nachgang nun noch auf die Gemeinde zukommen, werde sich laut Bürgermeister Georg Huber erst noch zeigen.