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Verkehrswende im ländlichen Raum

„Bauschuttreste“, „Egoistisches Verhalten“ - Priener Carsharing droht Aus – oder hilft neues Konzept?

Felix Weiss, Geschäftsführer der überall GmbH bot Anette Schader die Autopatenschaft an.
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Kämpfen um den Carsharing-Standort in Prien: Felix Weiss (links) und Thomas Quinz von der überall GmbH. Ein neues Tarifsystem soll mehr Sicherheit bringen.

Im August 2021 legte „überall“ mit einem Carsharing-Angebot in Prien los und ist mittlerweile im gesamten Chiemgau aktiv. Doch der Standort in Prien ist in Gefahr. Ein neuer Tarif soll die „Community“ stärken.

Prien – „Neulich hatten wir einen Fall, da fanden wir Bauschuttreste in einem Fahrzeug“, erzählt Felix Weiss, Geschäftsführer von überall, dem Carsharing-Anbieter in Prien. Die Reste des Bauschutts musste das Unternehmen mit einer Sonderreinigung beseitigen. Der Mieter des Wagens war schnell ausfindig gemacht, seine plumpe wie einfache Ausrede erzählt Weiss im OVB-Gespräch: „So was mache ich doch nicht mit meinem eigenen Wagen.“

Die Rechnung der Sonderreinigung beglich der Verursacher zwar nach längerer Diskussion, dennoch sind es Vorfälle wie diese, die dem Unternehmen und dem Carsharing in Prien schaden. „Egoistisches Verhalten auf Kosten der Gemeinschaft“, fasst es Weiss zusammen. Denn während der Reinigungszeit kann das Auto nicht gebucht werden. Das heißt zum einen, dass kein Geld reinkommt, aber auch andere das Auto nicht nutzen können. Und es gibt einige Menschen in Prien, die auf das Carsharing-Angebot angewiesen sind.

„Wir haben Stammkunden“, sagt Weiss, so werden Reservierungen weit im Voraus getätigt, beispielsweise für Arztbesuche. So konnte Weiss mit seinem Unternehmen einige Priener vom Konzept überzeugen: „Es kommen immer wieder Leute auf mich zu, die sagen, was für eine Befreiung es ist, kein Auto mehr zu haben: Keine Versicherungskosten, keine Bedenken wegen der TÜV-Untersuchung, keine Sorgen, was teure Reparaturen angeht.“ Er ist überzeugt vom Carsharing, sein Ziel:

„Wir wollen den Beweis antreten, dass Carsharing mit dem richtigen Ansatz auch im ländlichen Raum funktionieren kann.“

Felix Weiss, Geschäftsführer überall GmbH, dem Carsharing-Anbieter im Chiemgau

An den richtigen Ansätzen wird ständig gefeilt. Das es funktionieren kann, zeigt die immer größer werdende Fahrzeugflotte in der gesamten Region, mittlerweile über 30 Pkws – bis auf zwei alle elektrisch und mit Ökostrom betrieben. Es gibt Monate, in denen die Fahrzeuge kostendeckend genutzt werden. Dazu sind laut Weiss acht bis zehn Stunden Nutzung pro Tag notwendig. Das passiert noch nicht regelmäßig genug.

„Deshalb können wir auch ganz klar sagen, dass wir ohne eine Anpassung des Konzepts für den Standort Prien nicht mehr lange weiter machen können. In Prien droht das Carsharing-Aus“, findet Weiss deutliche Worte. Gleichzeitig arbeiteten sie bei überall an Lösungsansätzen, denn sie wollen ja mit „dem richtigen Ansatz“ zeigen, dass Carsharing auch in Prien funktionieren kann. Alle anderen Standorte seien dank guter Nutzung, Kooperationspartner und Sponsoren sicher.

Deshalb gibt es seit März ein neues Preissystem. Das soll regelmäßiges Nutzen belohnen. Mit einem monatlichen Grundbetrag von 30 Euro gibts die „Community“-Preise, die liegen bei der Stundennutzung einen Euro unter dem „Flex“-Betrag und zehn Euro unter den „Flex“-Beträgen bei der Tagesmiete. Die neuen Flex-Beiträge sind dafür etwas teuer als der vorherige Tarif.

Ein Steinwurf beschädigte ein Carsharing-Auto in Prien.

Außerdem kann im Community-Paket ein Wagen bis zu sieben Tage am Stück – anstatt drei Tage im Flex-Model – ausgeliehen werden. Durch einen monatlichen Grundbetrag soll regelmäßig Geld fließen, aber auch eine „Community“, also eine Gemeinschaft entstehen. Denn die regelmäßigen Zahlungen wie Versicherungen oder Personalkosten müssen gestemmt werden. Da hilft es nicht, wenn die Versicherungsprämie steigt. Auch weil in diesem Winter ein Wagen von Vandalismus, einem großen Stein auf der Windschutzscheibe und der Motorhaube, betroffen war.

Partnerschaft und Klimabonus

Ein weiterer Ansatz, den überall gerne ausbauen würde: Partnerschaften mit Autohäusern. „In Traunreut haben wir erst kürzlich eine neue Kooperation unterzeichnet: Ein Autohaus hat das Fahrzeug und schnelle Reparaturmöglichkeiten, wir das Service- und Vermietung-Know-how“, beschreibt Weiss die Vorteile dieser Zusammenarbeit. Thomas Quinz vom Kundenservice nennt einen weiteren Grund, sich jetzt für das Carsharing anzumelden:„Im Rahmen der staatlichen Klimaschutz-Förderung bekommen aktive Carsharing-Nutzer einen Klimabonus von 50 Chiemgauern, also umgerechnet 50 Euro bei uns.“ Die Kooperation mit dem Regionalgeld wird auch vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Weiss und Quinz sind vom Konzept überzeugt und haben auch schon andere von der Carsharing-Nutzung überzeugt. Neben den zwei Pkws kann in Prien übrigens auch ein Lastenrad gemietet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt von Weiss: „Die gesamte Alternative zum eigenen Auto oder Zweitwagen muss gestärkt werden: Fahrradinfrastruktur, ÖPNV oder auch die Rosi. Denn alles zusammen ersetzt dann quasi das eigene Auto.“ Er selbst sei erst vor Kurzem mit dem E-Scooter zu einem Termin nach Grassau gependelt.

Priens Bürgermeister Andreas Friedrich würde es „bedauerlich“ finden, sollte das Carsharing-Angebot für die Marktgemeinde wegfallen: „Carsharing passt zum aktuellen Zeitgeist und es ist ein gutes Angebot. Ich hoffe, dass durch die Tarifumstellung und dem Solidarbeitrag das Angebot erhalten bleibt.“ Die Gemeinde würde finanziell aber nicht nachhelfen, „es ist nicht angedacht, da es nicht die originäre Aufgabe einer Gemeinde ist, den Individualverkehr zu unterstützen“, so Friedrich.

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