Medienpädagogin aus Bad Aibling klärt auf
Insta, Gaming, Influencer: Familienzoff mit den „Sucht-Kids“ garantiert - oder gibt es einen Ausweg?
Playstation, Computerspiele oder Surfen auf Instagram: Medien sind ein unverzichtbarer Teil des Alltags geworden, vor allem für die jüngere Generation. Medienpädagogin Simone Groher erklärt, ab wann der Einfluss von Social Media bedrohlich wird und warum Streitigkeiten in der Familie vorhersehbar sind.
Bad Aibling – Simone Groher kennt sich bestens mit Medien aus. Als Mutter von zwei Kindern weiß sie, wie wichtig die digitale Welt geworden ist und dass damit viele Herausforderungen verbunden sind. Seit über 15 Jahren arbeitet Groher mit Familien, Heranwachsenden und Fachpersonal und klärt sie über die gesunde Mediennutzung auf. Hilfe bietet die Familienberaterin und Medienpädagogin in ihrer Praxis MedienLeben in Bad Aibling an. Warum es zwischen Eltern und Kindern ganz schön krachen kann, wenn es um die Mediennutzung geht, erklärt Groher im OVB-Interview.
Warum spielen Playstation, Computerspiele und Social-Media für Kinder und Jugendliche eine wichtige Rolle in ihrem Leben?
Simone Groher: Medien bieten für Jugendliche unglaublich viel. Es gibt viele gute Gründe, diese Medienangebote zu benutzen. Zum Beispiel haben Jugendliche dadurch die Möglichkeit, sich selbst zu präsentieren auf eine Art und Weise, wie sie das so nicht auf dem Schulhof können. Auf sozialen Medien haben sie eine scheinbare Anonymität und können sich mal selbst ausprobieren. Gleichzeitig können sie schauen, wie das bei anderen Menschen ankommt. Medien sind also unter anderem ein angenehmer Ausprobierraum und Experimentierraum für junge Menschen.
Hört sich so an, als ob Medien für Heranwachsende sehr wichtig sind.
Groher: Ja. Der zentrale Dreh- und Angelpunkt ist bei Heranwachsenden die Selbstwirksamkeit. So empfinden sich zum Beispiel Jungs in Onlinespielen als selbstwirksam, das heißt, sie glauben daran, dass sie die gestellten Aufgaben bewältigen können. Sie bekommen das Gefühl, dass sie etwas tun, was auch eine Bedeutung hat. Doch in der realen Welt gibt es für viele heutzutage immer weniger Anknüpfungspunkte für Selbstwirksamkeit.
Woran liegt das?
Groher: Ein Stück weit daran, dass die Welt von Kindern und Jugendlichen zunehmend durchstrukturierter ist und sie einen immer weniger unbeobachteten Raum haben. Das liegt daran, dass sich unsere Welt ein Stück weit verändert hat. Kinder bräuchten mehr Gelegenheiten sich selbst auszuprobieren und auch mal zu scheitern oder an ihren Erfolgen zu wachsen. Die vielen Medienangebote bieten genau diese Sachen an. In Computerspielen und in Social Media erleben sie oftmals schnellere Erfolge als im schulischen Bereich und das ist für sie sehr wichtig.
Kann man also sagen, dass Medien positive Wirkungen auf Kinder und Jugendliche haben?
Groher: Genau. Zum einen unterstützen sie Entwicklungsaufgaben und zum anderen kann man online Gleichgesinnte finden. Menschen, die dieselben Interessen teilen und ähnliche Persönlichkeiten haben. Medien sind also ein Stück weit ein Fenster zur Welt. Sie machen vieles möglich. So waren sie in der Pandemie-Zeit ein unfassbar wichtiges Kommunikationsmittel für Jugendliche.
Gibt es auch negative Wirkungen?
Groher: Es gibt verschiedene Risiken, die im Umgang mit digitalen Medien zu beachten sind. Zum einen die Suchtgefahr, die gegeben ist und die auch ernst zu nehmen ist. Zum anderen kann durch Social Media das eigene Selbstbild und der Selbstwert leiden, vor allem bei Mädchen. Die bewusst gewählten Ausschnitte, die dort gezeigt werden, zeichnen ein unrealistisches, oft nahezu perfektes Bild. Dem nachzueifern, um vermeintlich glücklich und erfolgreich zu sein, kann einen enormen Druck auslösen. Das ist natürlich nicht gesund fürs Aufwachsen.
Hat Social Media wirklich einen so großen Einfluss auf die Jugendlichen?
Groher: Der Einfluss ist schon relativ groß. Das liegt einfach an der Form der Ansprache. Auf sozialen Medien läuft alles sehr persönlich ab. Man kann Stars und Influencer persönlich anschreiben und durch diesen direkten Kontakt ist die Identifikation mit ihnen deutlich größer. Ein weiteres Problem ist, dass vor allem jüngere Heranwachsende den Unterschied zwischen Werbung und sonstigen Inhalten nicht erkennen können. Ich denke, da müssen wir nochmal deutlich von politischer Seite nachjustieren, dass alles noch kenntlicher gemacht werden muss.
Wieso lassen sich junge Menschen so schnell von den Medien zu Käufen verleiten?
Groher: Man darf nicht vergessen, dass Jugendliche noch keine stabile Persönlichkeit haben. Sie sind noch in der Entwicklung und natürlich lässt man sich da auch mal von anderen inspirieren und beeinflussen. Jetzt sind wir zudem in einer Welt, die nicht wahnsinnig viel Orientierung bietet und derzeit sehr viele Unsicherheiten birgt. Jugendliche suchen Botschaften, die einfach und klar sind. Und auf Social Media werden sie fündig. So wird dort beworben, dass man dieses Produkt benutzen soll, um einen tollen Körper zu bekommen oder mit diesen Tricks kann man glücklich, zufrieden und erfolgreich werden. Die Influencer in dieser schönen Scheinwelt haben dabei großen Einfluss auf Jugendliche und der Konsum bestimmter Produkte wird als einfache Lösung für ein tolles Leben verkauft.
Klingt sehr negativ. Sollten Jugendliche überhaupt Medien benutzen?
Groher: Ich bin die Letzte, die sagt, dass Medien abgeschafft werden sollen. Das ist unrealistisch und ich halte es auch für sinnlos. Medien und Spielkonsolen haben durchaus positive Effekte und machen auch einfach Spaß und dürfen der Unterhaltung dienen. Ich erlebe häufig Erwachsene, die diesen Aspekt der Unterhaltung als sehr gering schätzen. Das finde ich nicht richtig. Jugendliche dürfen Spaß haben. Es ist natürlich eine Frage, wie sie die Medien nutzen, welche Inhalte und was sie sonst noch in ihrer Freizeit tun.
Die Mediennutzung kann ja auch schnell mal zu einem Streit in der Familie führen. Woran liegt das?
Groher: Ich würde sagen, das liegt daran, dass zum Beispiel Computerspiele in unserer Gesellschaft ein schlechtes Image haben und dass sich Eltern Sorgen machen. Für Kinder ist es schwer auszudrücken, dass sie damit Erfolgserlebnisse haben und ihnen das guttut. Eltern wiederum verstehen die Begeisterung einfach nicht und werten es vielleicht noch ab. Es liegt also eine inkongruente Kommunikation vor, also sie begegnen sich nicht auf Augenhöhe.
Und was raten Sie den Familien, die wegen dieses Themas zu Ihnen in die Beratung kommen?
Groher: In meiner Arbeit mit den Eltern geht es vor allem darum, aus dieser Bewertung ein Stück weit herauszukommen und ein neugieriges Interesse für das Tun ihrer Kinder zu entwickeln. Daher rate ich oft, dass Eltern sich einfach mal während eines Computerspiels zu ihren Kindern setzen, um Interesse zu zeigen und vielleicht auch die Kompetenz dahinter zu sehen. Erst dann kann man überhaupt wieder eine gute Kommunikationsebene erreichen. Und das ist für mich die Grundvoraussetzung, dass Kinder und Jugendliche das Gefühl haben, verstanden zu werden. Außerdem ist es wichtig, nicht von vornherein alles für schlecht zu befinden, was mit den Medien zu tun hat.
Weitere Informationen:
Am 28. Januar bietet Simone Groher einen Elternabend rund um das Thema „Gesundes Aufwachsen mit Medien“ an. Der kostenfreie Vortrag findet in der Aula der Grundschule Bruckmühl um 19.30 Uhr statt.
Warum fühlen sich die Jugendlichen in diesem Zusammenhang oft nicht richtig verstanden?
Groher: Wenn ich Jugendliche frage, dann sehen sie die Erwachsenen überhaupt nicht als kompetente Ansprechpartner an, was die Mediennutzung angeht. Wir wissen, dass Kinder und Jugendliche im Netz auch mal ziemlich viel Mist erleben. Die kommen damit aber nicht zu uns und das ist fatal. Denn lieber versuchen sie ihre Probleme selbst zu regeln, als Erwachsene um Hilfe zu bitten. Das kann natürlich zu einer totalen Überforderung führen. Wir müssen uns Erwachsene also stark machen und wieder als Ansprechpartner etablieren und Präsenz zeigen.
Wie kann das funktionieren?
Groher: In der Beratung geht es darum, zum einen die Ängste und Sorgen der Eltern ernst zu nehmen und sie auch über Wirkmechanismen digitaler Angebote aufzuklären. Ein wesentlicher Punkt ist aber auch, die Bedürfnisse hinter der Mediennutzung ihrer Kinder zu ergründen. Denn erst, wenn ich weiß, dass das Gaming beispielsweise das wichtige Bedürfnis nach Anerkennung und Erfolg erfüllt, kann ich schauen, wie wir diese Aspekte auch anderswo herkriegen. Und dann kann man Stück für Stück schauen, dass gemeinsam Alternativen entwickelt werden, was häufig dann dazu führt, dass die Mediennutzung gar nicht mehr einen so großen Raum einnimmt.
