Baggern zwischen Oberaudorf und Kufstein
400.000 Kubikmeter Kies müssen raus: Wie groß ist die Gefahr von Hochwasser am Inn?
Tonnenweise Kies haben sich über die Jahre im Inn angesammelt. Ein Teil davon wird nun durch den Betreiber des Kraftwerks Oberaudorf-Ebbs herausgenommen. Doch schützt das Baggern wirklich davor, dass der Inn bei sehr viel Regen überläuft? Ein Experte für Hochwasserschutz klärt auf.
Oberaudorf – Stellen Sie sich vor, Sie müssen rund 150.000 Elefanten aus dem Inn herausholen. Zumindest entspräche das ziemlich genau dem Gewicht der 400.000 Kubikmeter Kies, die der Energielieferant „Verbund” bis 2027 aus dem Fluss baggern möchte. Als Betreiber des Innkraftwerks Obberaudorf-Ebbs schaufelt die Firma ab Ende Dezember unzählige Steine aus dem Inn, um die Sohle des Flusses wieder zu vertiefen.
Schotter über Jahre angesammelt
„Das ist unbedingt notwendig, um präventiv einen zusätzlichen Puffer zu schaffen”, erklärt Rainer Tschopp, Pressesprecher des Verbunds. Durch die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre habe sich im Stauraum zwischen Oberaudorf/Ebbs und Kufstein so viel Schotter angesammelt, dass dieser durch die Strömung nicht mehr abtransportiert werden kann.
In den kommenden Jahren werden daher die Bagger anrücken, um den überschüssigen Kies zu entfernen. Laut Werksgruppenleiter Andreas Auer werden dafür rund 16 Millionen Euro investiert. Je nach Witterung soll auf österreichischer Seite schon bald die „Umgestaltung” des Ufers entlang des Inns beginnen. Denn um den Kies zu entnehmen, bedarf es einer Arbeitsplattform direkt auf dem Wasser. Dort wird ein Bagger stationiert, der den Schotter auf ein Schiff verlädt. Anschließend wird der Kies rechts am Ufer abgeladen, per Förderband auf eine 2,4 Hektar große Zwischenlagerfläche gebracht und mit Lkws abtransportiert.
Die gute Nachricht für die Anwohner in Oberaudorf und Kiefersfelden: „Die deutsche Seite ist davon nicht betroffen. Dort wird es keine Ablagerungen am Ufer geben”, sagte Tschopp auf Nachfrage des OVB.
Kiesentnahme kein Allheilmittel
Aber sorgt die Entfernung des Kies nun dafür, dass alle Anwohner im unteren Inntal keine Angst mehr vor Hochwasser haben müssen? „Das ist jetzt nicht das Allheilmittel”, meint zumindest Paul Koller, Geschäftsführer des Wasserverbandes Hochwasserschutz Unteres Unterinntal. Natürlich mache es durchaus einen Unterschied, dass in dem Dammbereich zwischen Oberaudorf und Kufstein die Sohle des Inns wieder ein, zwei Meter tiefer ist. Eine Garantie für einen Hochwasserschutz könne man dadurch jedoch nicht aussprechen. Inwieweit das Inntal bei starken Regenfällen gefährdet ist, lässt sich laut Koller allerdings ohnehin nicht pauschal beurteilen. „Das hängt von vielen Faktoren wie der Ufer-Beschaffenheit oder der Neigung des Geländes ab”, erklärt der Experte.
Das Ergebnis einer regionalen Hochwasser Defizitanalyse zeigt allerdings: Bei einem 100-jährlichen Hochwasser, also einem Wasserstand, der im statistischen Mittel nur einmal in 100 Jahren erreicht wird, würden rund 360 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiet im unteren Inntal überflutet werden. „Um das zu verhindern, braucht es Schutzmaßnahmen wie Mauern, Dämme und Retentionsräume“, heißt es von Seiten des Wasserverbandes.
Die Kiesaktion des Kraftwerkbetreibers hilft demnach schon ein wenig weiter, ist laut Koller aber auch eine zwingende Vorgabe. „Das ist für Betreiber wie dem Verbund gesetzlich vorgeschrieben, zumal solche Kraftwerke die Geschwindigkeit des Flusses reduzieren und sich das Wasser dadurch vermehrt aufstaut”, sagt der Geschäftsführer des Wasserverbandes. Das Innkraftwerk Oberaudorf-Ebbs ist demnach auch ein Faktor, warum es überhaupt zum Aufstau von Kies im Inn kommt.
Bis 2027 werden die Arbeiten am Inn andauern. Gebaggert wird immer von Herbst bis zum Frühjahr. Dann führt der Inn besonders wenig Wasser. Anschließend sollen die benutzten Flächen wiederhergestellt werden und der Inn ein Stück tiefer sein als vorher.
