Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Rechtsexperte Peter Dürr im Gespräch

Hausbesetzer halten Rosenheim auf Trab: Herr Anwalt, was sagen Sie zu diesem kuriosen Urteil?

Nach dem Hausbesetzer-Prozess in Rosenheim kam es zu einer Demo und wohl zu einer weiteren Hausbesetzung. Wir haben den Rosenheimer Anwalt Peter Dürr um seine Expertise gebeten.
+
Nach dem Hausbesetzer-Prozess in Rosenheim kam es zu einer Demo und wohl zu einer weiteren Hausbesetzung. Wir haben den Rosenheimer Anwalt Peter Dürr um seine Expertise gebeten.

Rosenheims Hausbesetzer sorgen für Aufsehen: Nach dem Prozess am 26. Februar kam es zu einer Solidaritäts-Kundgebung und offenbar zu einer weiteren Hausbesetzung. Wir fragen den Rosenheimer Anwalt Peter Dürr, wie er die Vorgänge beurteilt und was er zu dem kuriosen Detail im Gerichtsurteil sagt.

Rosenheim – Nach der Hausbesetzung ist vor der Hausbesetzung: So zumindest schien das Motto am Montag in Rosenheim zu lauten. Doch der Reihe nach: Drei Aktivisten mussten sich wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor dem Rosenheimer Amtsgericht verantworten. Im April 2023 hatten sie das leerstehende Haus „Zum Goldenen Hirsch“ in der Münchener Straße besetzt.

Die Angeklagten wurden zu 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Überdies erhielten sie eine kurios anmutende Auflage: Alle drei müssen einen fünfseitigen Aufsatz für das Gericht schreiben.

Unmittelbar nach Prozessausgang fand in Rosenheim eine Solidaritätsdemonstration statt. Und ein Gerücht machte die Runde: Erneut soll es zu einer Hausbesetzung gekommen sein. Die genauen Hintergründe liegen zwar noch im Dunklen, doch im Netz sind Fotos aufgetaucht, welche Aktivisten bei der erneuten Besetzung zeigen sollen.

Nach Urteil gegen Hausbesetzer: Demonstration in der Rosenheimer Innenstadt

Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim
Demonstration „Die Häuser denen, die drin wohnen“ in Rosenheim © Cordula Wildauer

Wie sind diese Vorgänge rechtlich zu beurteilen? Und was hat es mit der gerichtlichen Auflage auf sich, einen Aufsatz zu schreiben? Der Rosenheimer Fachanwalt für Strafrecht, Peter Dürr, seines Zeichens Vorsitzender des Rosenheimer Rechtsanwaltsvereins und Vorstandsmitglied der Münchner Rechtsanwaltskammer, gibt uns in einem Interview Auskunft.

Die Hausbesetzer waren wegen Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt und wurden wegen beider Anklagepunkte für schuldig befunden. Welcher rechtliche Rahmen wäre grundsätzlich zur Verfügung gestanden?

Peter Dürr: Der Strafrahmen ist davon abhängig, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht zur Anwendung findet. Da die Angeklagten Heranwachsende (mithin also im Alter zwischen 18 und 21 Jahren) sind, muss das Gericht diese Frage vorab klären.

Im Erwachsenenstrafrecht könnte für einen Hausfriedensbruch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ausgesprochen werden.

Im Jugendstrafrecht gelten diese Strafrahmen nicht. Es steht die erzieherisch gebotene Sanktion im Vordergrund. Durch den Jugendrichter werden im Rahmen einer Verurteilung regelmäßig Auflagen und Weisungen verhängt.

Das Urteil lautete auf 50 Stunden gemeinnützige Arbeit, und die Angeklagten haben vom Richter die Spezialaufgabe erhalten, einen Aufsatz für das Gericht zu schreiben. Ein eher mildes - oder hartes Urteil?

Dürr: Ob ein Urteil milde oder hart ist, hängt natürlich immer vom Einzelfall ab. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, wie sich die Angeklagten zu den Vorwürfen positionieren beziehungsweise welche Folgen ihr Fehlverhalten nach sich gezogen hat.

Was sagen Sie zu der kurios anmutenden Auflage, einen Aufsatz zu schreiben?

Dürr: Die Weisung, einen Aufsatz zu schreiben und sich mit der Tat nochmals zu beschäftigen, ist gar nicht kurios, wie es auf den ersten Blick klingt.

Selten ist jedoch, dass eine derartige Aufgabe im Rahmen eines Urteils ausgesprochen wird. Entsprechende Weisungen werden oftmals bei geringfügigen Delikten – auch im Rahmen von sogenannten Ermahnungsterminen – vor einer Anklageerhebung auferlegt, sodass es gerade nicht zu einer Hauptverhandlung kommt.

Leerstand gab es schon immer - sind Hausbesetzungen ein legitimes Mittel, auf diesen Missstand hinzuweisen?

Dürr: Dies ist letztendlich eine gesellschaftspolitische Frage. In einem Rechtsstaat können jedoch Straftaten regelmäßig kein zu duldendes Mittel sein, um auf Missstände hinzuweisen. Eine ähnliche Problematik besteht ja auch bei den „Klimaklebern“.

Das Eigentumsrecht ist ja nicht absolut frei von sozialer Verantwortung. Welche legalen rechtlichen Möglichkeiten gibt es, darauf hinzuweisen?

Dürr: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ – dies ist auch bereits in Artikel 14 des Grundgesetzes niedergelegt. Sofern auf Missstände hingewiesen werde soll, wäre es in einem Rechtsstreit jedoch ohne weiteres möglich, eine Demonstration – gegebenenfalls auch vor dem betroffenen Gebäude – zu veranstalten.

Ein widerrechtliches Eindringen ist weder nötig noch zulässig und kann auch nie ein probates Mittel zur Meinungsäußerung sein.

Nach dem am Montag gefallenen Urteil kam es zu Protesten in Rosenheim. Welche Konsequenzen könnten diese auf eine Urteilsfindung in ähnlich gelagerten Prozessen haben?

Dürr: Das Gericht hat immer den konkreten Einzelfall zu beurteilen und rechtlich zu würdigen. Von etwaigen Protesten kann und wird sich ein Gericht im Rahmen seiner Urteilsfindung sicherlich nicht beeinflussen lassen.

Die Besitzer dieser leerstehenden Objekte haben mitunter mit Schäden durch die Hausbesetzer zu rechnen, die vermutlich zivilrechtlich eingeklagt werden müssten. Andersherum - wenn sich ein Hausbesetzer durch Mängel im leerstehenden Haus verletzen würde, wäre im Umkehrschluss der Besitzer haftbar zu machen - obwohl der Besetzer illegal eingedrungen ist?

Dürr: Da das Gebäude für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und die Hausbesetzer vorsätzlich widerrechtlich eingedrungen sind, trifft den Hauseigentümer keine Verkehrssicherungspflicht.

Dies wäre insoweit auch ein kurioses Ergebnis, wenn bei dieser Sachlage plötzlich Ansprüche gegenüber dem an sich geschädigten Eigentümer bestehen würden.

Kommentare