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Hilfe für gestresste Eltern und Kinder

„Trauriger Trend“ nicht nur in Prien: Warum Sozialarbeit auch an Grundschulen notwendig ist

Sie hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Belange der Schüler und deren Eltern: Die Sozialpädagogin Sabine Schmidt ist an der Franziska-Hager-Grundschule Prien Ansprechpartnerin in der Jugendsozialarbeit.
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Sie hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Belange der Schüler und deren Eltern: Die Sozialpädagogin Sabine Schmidt ist an der Franziska-Hager-Grundschule Prien Ansprechpartnerin in der Jugendsozialarbeit.

Sie kümmert sich um die Sorgen der Schüler und ihrer Eltern: Seit einem Vierteljahr ist Sabine Schmidt für die Jugendsozialarbeit an der Grundschule Prien zuständig. Ein Gespräch über gestresste Eltern, Kinder, deren Leistungen und Sozialverhalten unter der Pandemie gelitten haben, und darüber, wie Einzelfallhilfe aussieht.

Prien – Seit Beginn des Schuljahrs 2023/2024 wird an der Franziska-Hager-Grundschule Prien auch Jugendsozialarbeit (JaS) für die Schulfamilie angeboten. „Sie soll sozial benachteiligte junge Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und fördern“, heißt es aus dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Im Regierungsbezirk Oberbayern gibt es mittlerweile rund 440 JaS-Einsatzorte (Stand 2023). Ansprechpartnerin in Prien ist die Sozialpädagogin Sabine Schmidt (53); im Interview mit der Chiemgau-Zeitung gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit.

Jugendsozialarbeit an Schulen – folgt dies einem Trend, weil es zu einer modernen Schule dazugehört? Oder ist dieses Angebot mittlerweile bitter nötig?

Sabine Schmidt: Ein Stück weit ein Trend, leider aber auch ein trauriger Trend, weil die Jugendsozialarbeit an Schulen mittlerweile nötig ist. Weil es viele soziale Probleme gibt, die in den Schulalltag mehr oder weniger stark eingreifen. Weil es wichtiger geworden ist, zwischen der Welt der Kinder, dem Schulalltag und der Welt außerhalb dessen zu vermitteln. Gleichzeitig sind die schulischen Anforderungen gestiegen.

Früher gab es bei Problemen ein deutliches Machtwort des Lehrers oder Schulleiters. Reicht das heute nicht mehr?

Schmidt: Gegenfrage: Sind wir alle deshalb zu besseren Menschen geworden, weil jemand ein Machtwort gesprochen hat? Wir wissen doch heute, dass ein Problem nur durch ein Machtwort allein nicht gelöst werden kann, doch eher durch ein kooperatives Miteinander der Beteiligten.

Mit Blick auf das öffentliche Meinungsbild: Sind Lehrer mit der Vermittlung von Wissens- und Lern- und auch noch Sozialkompetenzen überfordert?

Schmidt: Es war doch schon immer völlig normal, dass es im Lern- und Sozialverhalten Unterschiede bei den Kindern gibt. Grundsätzlich sind Lehrer aus meiner Sicht davon nicht überfordert. Aber die Anforderungen aus einer Klasse heraus sind mittlerweile sehr viel komplexer geworden, weil auch unsere gesellschaftlichen Themen immer komplexer werden. Aktuelles Beispiel: Unseren Alltag belasten derzeit mehrere Konflikte, wie das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Die werden über Medien an die Familien herangetragen und erreichen auch so die Kinder. In die Schulklassen sind mittlerweile Flüchtlingskinder integriert, die mit ihrer neuen Lebenssituation fertig werden müssen. Da ist vor allem das sprachliche Miteinander zunächst mal eine große Herausforderung. Ein Weiteres: Eltern sind häufig aufgrund eigener Belastungssituationen überfordert; zum Beispiel, weil beide Elternteile aus finanziellen Gründen voll berufstätig sein müssen, um alle Kosten fürs Leben auffangen zu können, oder weil sie zusätzlich therapeutische Förderbedürfnisse ihrer Kinder abdecken müssen, die viel Geld kosten.

Wie stark spielen da die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch mit?

Schmidt: Selbst bei Kindern, die vor der Corona-Zeit eine normale Entwicklung durchlaufen sind, machen sich die Corona-Auswirkungen noch immer deutlich bemerkbar. Wir haben hier bezüglich der Lernleistungen ganz schwache dritte Klassen und auch angeschlagene vierte Klassen. Deutliche Defizite gibt es bei vielen Kindern, die während der Corona-Maßnahmen den Kindergarten nicht besuchen oder die Vorschulförderung nicht durchlaufen konnten und dann eingeschult wurden. Vor allem bei den Sozialkompetenzen oder dem Durchhaltevermögen, sich im Unterricht konzentrieren zu können.

Wie lässt sich vor diesem Hintergrund dann Unterricht zielführend gestalten?

Schmidt: Ich finde es toll, wie ganzheitlich hier an der Schule gearbeitet wird. Sehr sorgsam wird zum Beispiel die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder beachtet, unterschiedliche Medien werden eingesetzt, Lehrinhalte werden greifbar und auch spielerisch aufbereitet, um bessere Lernerfolge zu erzielen. Der Erfolg zeigt sich durch die große Disziplin, die in den Klassen herrscht, aber auch durch den Spaß, die die Kinder am Unterricht haben.

Das klingt nach heiler Welt. Aber was ist, wenn Eltern bei schulischen Themen überfordert sind? Wo setzt ihre Arbeit bei Problemfällen an?

Schmidt: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Einzelfallhilfe. Die Kinder und deren Eltern erhalten Beratung in Schul- und Lebensfragen. Themen können sein: Schwierigkeiten im Sozialverhalten wie Regelbruch, Beleidigungen, Aggressivität, Mobbing; Ängste vor oder in der Schule, Schul- oder Lernverweigerung, Konflikte zwischen Eltern und Lehrkräften, Probleme innerhalb der Familie wie Partnerschaftskonflikte, Trennung und Scheidung, oder Konflikte mit dem Kind sowie Probleme bei der Erziehung oder bei allgemeinen Lebensfragen.

Welche Bilanz können Sie nach einem Vierteljahr aus Ihrer Arbeit ziehen?

Schmidt: Im Moment fühle ich mich noch wie ein Fischer, der seine Fische mit den Händen fangen will. Jedes Kind trägt doch seine eigene Geschichte mit sich, und in einzelnen Geschichten könnte sich etwas finden, was vielleicht eine Unterstützung braucht, was sich aber längst noch nicht mitbekommen konnte. Vielleicht habe ich nach einem Jahr einige Fische herausgezogen, die ich dann auch wieder in den Lebensfluss zurückgeben konnte.

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