Schafsrisse durch Wolf bei Großhelfendorf
„Ich geh‘ nicht mehr in den Wald!“ So groß ist die Angst vor dem Wolf in Feldkirchen-Westerham
Das Raubtier kommt immer näher: Nachdem eine bayerische Behörde am 26. Februar bestätigt hat, dass ein Wolf für den Tod von drei Schafen bei Großhelfendorf (Aying) verantwortlich ist, schrillen in der Nachbargemeinde Feldkirchen-Westerham die Alarmglocken. Das sind die Reaktionen.
Feldkirchen-Westerham/Aying – Diese Meldung dürfte nicht nur Landwirte in Feldkirchen-Westerham in Alarmbereitschaft versetzt haben: Für den Tod von drei Schafen, die am 9. Februar leblos auf einer Weide in Großhelfendorf bei Aying gefunden worden waren, ist ein Wolf verantwortlich. Das hat eine genetische Analyse des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) jetzt zweifelsfrei bestätigt, wie die Behörde am Montag (26. Februar) mitteilte. „Ich werde hier nicht mehr alleine in den Wald gehen“, reagierte Helena Heiler, Chefin eines Bio-Ferienhofs im Feldkirchen-Westerhamer Weiler Elendskirchen, entsetzt auf das Ergebnis der LfU-Genanalyse.
GW3899m – so nüchtern-technisch lautet der Name, den das LfU dem Großhelfendorfer Wolf gegeben hat. „GW“ steht nach Angaben eines LfU-Sprechers für „German Wolve“, das „m“ für „male“ beziehungsweise „männlich“, während die Nummer fortlaufend für neu entdeckte Wölfe in Deutschland vergeben wird und das jeweilige Tier dann für die Zukunft eindeutig identifizierbar macht. Nach Angaben der Behörde handelt es sich bei dem bei Aying aufgetauchten Raubtier um ein Exemplar, das der Alpenpopulation entstammt und bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist. Auch das Elternrudel ist nach Angaben des LfU unbekannt.
Martin Biechl: „Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit.“
Dass der Wolf nun nachweislich im Mangfalltal angekommen ist, diese Nachricht ist für Martin Biechl aus dem Feldkirchen-Westerhamer Ortsteil Unterlaus keine große Überraschung. „Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit“, hat der Landwirt bereits damit gerechnet, dass das Raubtier irgendwann auch in der Region nachgewiesen werden wird. Dass es jetzt so weit ist, bereitet ihm nach eigenen Angaben dennoch „ein mulmiges Gefühl“.
Akut macht sich der Landwirt, der Weidetierhaltung betreibt, um seine Tiere zwar noch keine großen Sorgen, nachdem seine Kälber erst Ende April aus dem Stall auf die Weide kommen und er sich schon Maßnahmen überlegt hat, wie er den Kälberstall und die Kälber-Iglus noch sicherer machen kann. Wie er dann aber seine Tiere im Freien schützen kann, darauf hat er noch keine Antwort.
„Ich kann hier ja nicht alles einzäunen“, sagt Biechl und verweist darauf, dass Zäune, die Wölfe wirklich abhalten, nicht nur extrem hoch, sondern auch tief in der Erde verankert werden müssten. Auch ein sogenannter Herdenschutzhund kommt für den Milchbauern derzeit aus mehreren Gründen nicht in Frage. Zum einen seien diese Tiere rar gesät, zum anderen extrem kostenintensiv. Und für ihn nur bedingt sinnvoll, da seine Tiere auf verschiedenen Weiden grasen.
Wobei es ihm beim Schutz seiner Tiere in erster Linie auch nicht um den materiellen Wert geht, wie Biechl klarstellt. „Jedes Tier, das bei uns auf die Welt kommt, bekommt einen Namen“, sagt der Unterlauser, der „eine Bindung mit den Tieren“ aufbaut. Daher ärgert es ihn auch so, dass „der Wolf bei einigen in der Politik und in der Gesellschaft einen größeren Stellenwert hat, als Nutztiere“. Er persönlich habe auch nichts gegen den Wolf, aber: „Meine Tiere gehen für mich einfach vor.“
Seine Sorgen in puncto Wolfsnachweis drehen sich dabei aber nicht nur um seine Kälber, sondern natürlich auch um seine drei Kinder im Alter von vier, sechs und acht Jahren. „Wir leben hier am Waldrand. Für mich als Bub war es ganz normal, dort zu spielen“, erzählt der dreifache Familienvater, der seinen Kindern das aber nun verbieten würde. „Ich möchte nicht, dass sie derzeit in die Nähe des Waldes kommen.“
Bei der Begegnung mit einem Wolf: Das rät das LfU
Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) reagiert ein Wolf, der Menschen begegnet, zwar vorsichtig und wird sich in der Regel „langsam und gelassen“ zurückzuziehen. Wobei die Tiere laut Behörde aber nicht immer sofort die Flucht ergreifen. Im Falle einer Begegnung mit dem Raubtier rät das LfU daher zu folgenden Verhaltensmaßnahmen:
• Haben Sie Respekt vor dem Tier.
• Laufen Sie nicht weg. Wenn Sie mehr Abstand möchten, ziehen Sie sich langsam zurück.
• Falls Sie einen Hund dabeihaben, sollten Sie diesen in jedem Fall anleinen und nahe bei sich behalten.
• Wenn Ihnen der Wolf zu nahe erscheint, machen Sie auf sich aufmerksam. Sprechen Sie laut, gestikulieren Sie oder machen Sie sich anderweitig deutlich bemerkbar.
• Laufen Sie dem Wolf nicht hinterher.
• Füttern Sie niemals Wölfe – die Tiere lernen sonst sehr schnell, menschliche Anwesenheit mit Futter zu verbinden und suchen dann eventuell aktiv die Nähe von Menschen.
Aussagen, die Helena Heiler, die mit ihrem Mann Josef einen nur rund sechs Kilometer von Großhelfendorf entfernten Ferienhof betreibt, nur bestätigen kann. „Ich gehe aktuell nicht mehr alleine in den Wald, das Risiko ist mir zu groß“, sagt die Landwirtin, die nicht nur Angst um ihre Kühe, sondern auch um ihre eigene Gesundheit hat. Zumal die gebürtige Slowakin als Kind in ihrer früheren Heimat mit Wölfen als „Nachbarn“ aufgewachsen ist. „Ich bin als kleines Mädchen zweimal einem Wolf im Wald gegenübergestanden“, erinnert sich Hailer. „Das war nicht lustig, auch wenn mir damals nichts passiert ist.“
Helena Heiler fürchtet um den Tourismus
Wobei die Elendskirchnerin aber nicht nur Angst um Leib und Leben hat, sondern auch um den Fortbestand ihres Tourismusbetriebs. „Erst pflastern sie überall Windräder hin und jetzt kommt dann noch der Wolf in unsere Wälder“, kritisiert Heiler, die befürchtet, dass irgendwann auch die Übernachtungsgäste ausbleiben, „wenn sie sich nicht mehr in den Wald trauen können“. Sie selbst würde sich hier ein klares Nein zur Ansiedlung des Raubtiers in der Region durch die Politik wünschen, findet aber: „Die Politiker lassen uns einfach im Stich.“
Angst, dass sie aufgrund des Wolf-Nachweises Teile des Angebots ihres Vereins einstellen muss, hat Anne Serke, Mitglied im Vorstand des Wald- und Naturkindergartens Mangfall e.V., nicht. Der Verein bietet unter anderen verschiedene Spielgruppen für kleine Kinder an, die am sogenannten Mareiswäldchen bei Aschbach stattfinden – nur wenige Kilometer von der Weide entfernt, auf der Wolf GW3899m die drei Schafe gerissen hat. „Wir werden jetzt das Angebot nicht von einem auf den anderen Tag einstellen“, sagt Serke, die das Thema aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen will. „Wir werden uns selbstverständlich im Vorstand beraten und die Eltern mit ins Boot holen.“
In der Gemeindeverwaltung ist der Nachweis des Raubtiers ebenfalls mittlerweile ein Thema, auch wenn nach Angaben von Karolin Lohwasser, Sprecherin der Kommune, „bislang noch keine Anfragen von Bürgern dazu bei uns eingegangen sind“. Selbstverständlich werde sich auch Bürgermeister Johannes Zistl (Ortsliste Vagen), der für eine Stellungnahme bislang allerdings nicht zu erreichen war, mit dem Thema Wolf auseinandersetzen.
Was die Sorgen der Bürger in Feldkirchen-Westerham rund um das Raubtier vielleicht etwas minimieren könnte? Vielleicht die Tatsache, dass seit dem Tod der drei Schafe bereits fast drei Wochen vergangenen sind, ohne dass erneute Tierrisse aufgetaucht sind. Also vielleicht nur ein Wolf auf „Durchreise“? Für Landwirt Biechl eher eine trügerische Hoffnung, denn: „Auch wenn dieser Wolf vielleicht wieder weg ist: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die ersten dann fest hier ansiedeln und das erste Rudel gründen.“