Neubeurer Schafhalter zeigt Grenzen auf
„Es gibt keine perfekte Lösung“: Was passiert, wenn der Wolf über Zäune springt?
Der Neubeurer Schafhalter Christian Mendel weiß, dass es keine hundertprozentige Sicherheit vor Wolfsrissen gibt. Dennoch hat er viel investiert, um seine Schafe zu schützen. Wie seine Lösung aussieht, wie schlau der Wolf wirklich ist und was jeder Landwirt tun kann.
Neubeuern – Ein gut 1,10 Meter hoher Zaun mit Stromleitungen und ein zusätzliches blaues Band als optisches Hindernis. So sieht die Variante von Christian Mendel aus, um seine Herde vor Wolfsangriffen zu schützen. „Dabei gibt es keine perfekte Lösung“, betont der Arbeitsgruppensprecher Tierzucht bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.
20 Stunden Arbeit mit fünf Helfern
Doch mit seiner Konstruktion hat Mendel bereits deutlich mehr als die meisten Landwirtschaftsbetriebe in der Rosenheimer Region. „Das war schon aufwändig“, meint der Neubeurer. Mit fünf Helfern sei er mindestens 20 Stunden beschäftigt gewesen, um seine knapp vier Hektar große Fläche abzusichern. Rund 15 weiße Bergschafe sowie 15 alpine Steinschafe hält Mendel im steilen Gelände.
Aber wie genau soll der Zaun für rund 36.000 Euro helfen? „Der Wolf versucht immer zuerst, unter dem Hindernis durchzukommen“, erklärt Mendel. Die vier gespannten Stromlitzen sollen das verhindern und das Wildtier abschrecken. Mit dem blauen Band soll zudem die Optik des Wolfs verzerrt und ein Sprungversuch vermieden werden.
Das Problem: „Wölfe sind sehr schlaue Tiere“, meint der Schafhalter. Sobald einer erfolgreich über die Zäune hüpft, wird es demnach nicht lange dauern, bis auch seine Artgenossen die Hindernisse überwinden. Spätestens dann wären auch wieder Mendels Schafe in Gefahr. So wie bei Schäfer Julian Schulz in der Rhön. Im bayerisch-hessischen Grenzgebiet wurden kürzlich zwei Ziegen und zwei Schafe gerissen. Sein Zaun war für die Wölfe kein Problem. „Die sind einfach drübergesprungen“, sagte der Schäfer.
Zäune, Pferche und trainierte Hunde
Laut Mendel gibt es für Halter, die ihre Schafe nicht rund um die Uhr selbst im Blick behalten, drei Möglichkeiten: Einen Zaun, einen Pferch oder einen Herdenschutzhund. Mit allen Dreien hat Christian Schäfer aus Oberaudorf bereits gute Erfahrungen gemacht. Der Halter von rund 100 Soay Schafen testet seit Jahren verschiedene Konzepte und hat mit seinem doppelten Elektrozaun, seinem speziell trainierten Koppelschutzhund und einem überwachten Nachtpferch die perfekten Bedingungen geschaffen. So werden die Schafe tagsüber von Hund und Zaun auf offener Fläche geschützt, bevor sie abends in dem abschließbarem Unterschlupf zusammengetrieben werden.
„Die Ansätze von Herrn Schäfer sind sicher sehr gut“, beurteilt Mendel. Für viele Halter sei der Aufwand und die damit verbundenen Kosten jedoch zu groß. Auch auf Flächen, die beispielsweise in der Nähe von Pfaden liegen, könnte ein Schutzhund zu Problemen führen, wenn Wanderer der Herde zu nahe kommen. Zudem sei der bürokratische Weg bis zum subventionierten Zaun noch zu aufwendig. Von der Einholung der Angebote über den Förderantrag bis zum Bau und der Kontrolle vergehen laut Mendel einige Monate. Außerdem bedarf es laut Mendel den Nachweis, dass der geförderte Zaun mindestens zehn Jahre lang bestehen bleibt. „Wenn einem die Fläche nicht gehört, braucht man also mindestens einen zehnjährigen Pachtvertrag“, erklärt der Schafhalter.
„Dabei funktioniert die Förderung an sich gut.“ Rund 31.000 Euro von Mendels Zaun wurden vom Freistaat übernommen, die restlichen 5000 Euro musste der Neubeurer selbst zahlen. „Damit kann ich zumindest ein wenig ruhiger schlafen“, meint Mendel mit Blick auf die neue Konstruktion. Zumindest, bis der Wolf auch in der Region Rosenheim das Springen lernt.
