Direktor des Bruckmühler Gymnasiums
Gleitzeit-Modell als Wachmacher für Schüler? Wieso Schulleiter Walter Baier kein Freund davon ist
Würde sich ein späterer Unterrichtsbeginn positiv auf die Aufmerksamkeit der Schüler auswirken? Nein, glaubt Walter Baier, Direktor des Gymnasiums Bruckmühl. Welche negativen Auswirkungen er stattdessen fürchtet, verrät der Schulleiter im OVB-Interview.
Bruckmühl – Schlaf fest statt Sprachtest: Weil laut Experten viele Schüler dem Unterricht in den ersten Stunden nicht ausgeschlafen folgen, testet ein Gymnasium im baden-württembergischen Plochingen derzeit ein Gleitzeit-Modell. Schüler der siebten Klasse haben an zwei Tagen in der Woche auf Wunsch die Möglichkeit, später zum Unterricht zu erscheinen. Der Landesschülerrat Bayern (LSR) fordert laut Bayrischem Rundfunk gar generell einen späteren Schulbeginn und begründet die Forderung mit dem „Biorhythmus“ der Jugendlichen. Wieso er dieser Argumentation nicht folgen kann und welche Nachteile ein späterer Unterrichtsbeginn seiner Meinung nach mit sich bringt, hat Walter Baier (65), Direktor des Gymnasiums Bruckmühl und Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der bayerischen Gymnasien, im Interview mit dem OVB verraten.
Eine baden-württembergisches Gymnasium testet derzeit sechs Wochen lang ein Gleitzeit-Modell, im Rahmen dessen Siebtklässler an zwei Tagen in der Woche auf Wunsch erst um 9.40 Uhr zum Unterricht kommen können. Wäre das auch für das Bruckmühler Gymnasium denkbar?
Walter Baier: So eine Art „Schichtbetrieb“, wo ein Teil der Schüler später kommt und auch später wieder geht, gab es auch schon früher, wenn zum Beispiel an einer Schule zu wenige Klassenzimmer vorhanden waren. Aber dann betraf es immer ganze Klassen und nicht einzelne Schülerinnen und Schüler. Im Moment kann ich mir das am Gymnasium Bruckmühl schlecht vorstellen. Da wir im Hinblick auf die Schülerbeförderung mit dem Schulzentrum Bad Aibling zusammenhängen, müssten eigene Buslinien neu geschaffen werden. Die Stunden, die am Morgen fehlen, müssten dann ja am Nachmittag nachgeholt werden. In Zeiten eines sich dramatisch verschärfenden Lehrermangels ist eine Flexibilisierung dieser Art nur schwer planbar.
Der Landesschülerrat fordert generell einen späteren Unterrichtsbeginn und verweist dabei auf den Biorhythmus der Jugendlichen. Haben Sie das Gefühl, dass ein Teil Ihrer Schüler nicht ausgeschlafen zum Unterricht erscheint?
Baier: Einzelne Lehrkräfte berichten, dass gerade ältere Schülerinnen und Schüler nicht immer ausgeschlafen zur ersten Stunde erscheinen. Das hat aber weniger mit dem Biorhythmus zu tun, sondern dass sie bis in die Nacht hinein ihre Zeit vor diversen Bildschirmen zubringen oder sich in den sozialen Netzwerken verlieren. Eine allgemeine Erschöpfung und Müdigkeit lässt sich bei vielen auch nach der Mittagspause feststellen, sodass nichts gewonnen wäre, wenn der Unterricht dann bis weit in den Nachmittag fortgesetzt werden müsste, weil man später begonnen hat. Gerade in den heißen Sommermonaten wäre dies eine Zumutung für alle Beteiligten.
Gäbe es Ihrer Ansicht nach denn auch Vorteile eines derartigen Modells?
Baier: Im Winter wäre es dann schon hell und die Lehrenden und Lernenden wären vielleicht wirklich besser ausgeschlafen. Das hängt aber vom Menschtyp und der Lebensweise ab. Es gibt auch durchaus Schülerinnen und Schüler, die in den frühen Morgenstunden besonders kreativ sind. Die Frage ist ja auch, was bedeutet „später“? Eine halbe Stunde würde sich wohl leichter organisieren lassen als zwei Stunden. Und dann müsste das für alle gelten und nicht individuelle Wünsche der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen.
Und nachmittags wäre wieder mehr Unterricht...
Baier: Würde man den Unterricht wieder mehr in den Nachmittag verlegen, was man ja mit der Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums verhindern wollte, dann würden die Möglichkeiten im Hinblick auf das Freizeitprogramm der Schülerinnen und Schüler wie Vereinssport, Klavierunterricht oder Reit- und Tennisstunden deutlich eingeschränkt werden. Auch der Wahlunterricht an den Schulen sowie diverse Fördermöglichkeiten würden wahrscheinlich darunter leiden.
Wird das Thema auch bei Ihnen im Lehrerzimmer diskutiert? Wie stehen die Lehrer zu einem späteren Unterrichtsbeginn?
Baier: Mir ist nicht bekannt, dass dieses Thema im Lehrerzimmer diskutiert wird. Lehrkräfte haben ja nicht immer grundsätzlich in der ersten Stunde Unterricht, sondern kommen zum Teil auch später. Insgesamt empfinden viele die ersten Stunden bezüglich der Aufmerksamkeit und der Arbeitsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler nicht so problematisch wie die letzten Unterrichtsstunden am Tag.
Eine persönliche Frage: Sind Sie eher der Typ „Frühaufsteher“ oder eher der Typ „Nachteule“?
Baier: Ich war früher eine „Nachteule“ und habe mich mittlerweile zum „Frühaufsteher“ entwickelt. Man gewöhnt sich mit der Zeit an Vieles und lernt auch die Vorteile zu schätzen, wenn der Arbeitstag früher beginnt, aber dann auch früher endet.