Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Portrait zum Internationalen Frauentag

Früher eine „Exotin“, heute ein Vorbild: Elisabeth Fischer aus Wasserburg macht Frauen Mut

Elisabeth Fischer mit „Pirschi“, ihrem Dackel, mit dem sie jeden Tag eine Stunde lang spazieren geht.
+
Elisabeth Fischer mit „Pirschi“, ihrem Dackel, mit dem sie jeden Tag eine Stunde lang spazieren geht. 

„Powerfrau“: Diesen Begriff mag sie nicht. Elisabeth Fischer — Mutter, Oma, Kommunalpolitikerin, Kindergartenleiterin im Ruhestand, Ehrenamtliche - lehnt es ab, Menschen in Schubladen zu stecken. Ein Hausbesuch bei einer 72-Jährigen, die bis heute ein Vorbild ist — auch für junge Frauen.

Wasserburg - Daheim im Burgerfeld begrüßt „Pirschi“, der Dackel, jeden mit Gebell an der Haustür. Die Klingel ertönt oft, denn Elisabeth Fischer ist auch mit 72 Jahren noch eine beliebte Ratgeberin in vielen Lebenslagen. Kinderbetreuung, Kommunalpolitik, kirchliches Leben: Das sind die drei Themenfelder, in denen ihr so schnell keiner den Schneid abkauft. Eine Wasserburgerin, die fast alle Einheimischen und viele Zugezogene kennen, wie sich auch beim Gassigehen mit „Pirschi“ zeigt. Viele Passanten sprechen die Hundehalterin an, suchen das Gespräch. Denn Elisabeth Fischer hat hunderte Kinder in ihrem Berufsleben beim Großwerden begleitet, hat hunderte politische Entscheidungen für die Stadt mitgetragen. Sie hat sich als junge Frau in einer Welt, in der die Männer oft noch das alleinige Sagen hatten, durchgesetzt und eine Biografie, die heute keine Seltenheit mehr ist, früher jedoch unüblich war.

Ausbildung trotz Schwangerschaft beendet

In den 60iger Jahren ging es nach der Eheschließung für die meisten, auch gut ausgebildeten Frauen zurück an den Herd. Kinder großziehen, danach vielleicht noch die Eltern oder Schwiegereltern pflegen, dann nahtlos in die Enkelkinderbetreuung, vielleicht zwischendurch etwas Teilzeitarbeit: Das war das gängige Modell. Elisabeth Fischer wurde schwanger, bevor ihre Ausbildung zur Erzieherin beendet war. Sie entband ihre Tochter im Mai 1969 - und machte im Juni trotzdem ihr Examen. „Damals rieten mir fast alle, ich solle doch aufhören, doch ich wollte es nicht“, erinnert sie sich. Ausgerechnet eine Klosterschwester ermutigte die junge Mutter, die Ausbildung doch zu beenden.

Berufspraktikum, erste Anstellungen: Elisabeth Fischer schaffte es - mit Kind, auch dank der Unterstützung von Ehemann, Schwiegermutter und Mutter. Letztere war ebenfalls berufstätig: Die Eltern von Elisabeth Fischer hatten in der Postgasse in Wasserburg ein Schneidergeschäft. Beide waren fleißig, sie arbeiteten viel, die Tochter kannte es nicht anders.

Elisabeth Fischer baute den Kindergarten St. Konrad ab 1972 mit auf, übernahm später die Leitung der Einrichtung, die mit dem Kindergarten St. Jakob vereinigt wurde. Auch in dieser leitenden Funktion war Elisabeth Fischer stets ihrer Zeit voraus: Unter anderem führte sie eine Ganztagsbetreuung, ein Mittagessen und Betreuungen für Schulkinder in den ersten beiden Klassen ein. Sie integrierte die Mädchen und Buben der Gastarbeiterfamilien aus der Türkei, bot den Müttern mit Unterstützung von Marlene Hof-Hippke, der früheren VHS-Leiterin, Sprachkurse unter dem Motto „Mama lernt Deutsch“ an. Viele dieser Projekte wurden etwas argwöhnisch beäugt, erzählt Elisabeth Fischer schmunzelnd. „Ich war eine Exotin“, sagt sie, „exotisch war für manche auch das, was ich auf die Beine gestellt habe.“

Kinderbetreuung A und O für gutes Familienleben

Doch eine gute Kinderbetreuung, davon war und ist sie bis heute überzeugt, ist das A und O für ein funktionierendes Familienleben. Heute, in einer Zeit mit Rechtsanspruch auf Kitaplatz und vielen Betreuungsmodellen, wünscht sie sich sogar manchmal, dass Eltern sich mehr Zeit für ihre Kleinkinder nehmen würden. „Wer kann, sollte zwei Jahre zuhause bleiben“, sagt sie - und ergänzt prompt: „Das muss nicht die Mama, das kann auch der Papa sein.“ Gleichzeitig weiß sie, dass vielen Erziehungsberechtigten nichts anderes übrig bleibt, als möglichst früh nach der Geburt wieder in die Arbeit zu gehen, denn der Lebensunterhalt muss verdient, die Rentenkasse gefüllt werden.

Traurig macht es Elisabeth Fischer in diesem Zusammenhang, dass es in Wasserburg Frauen in ihrem Alter gibt, die ihre kleine Rente mit Flaschensammeln aufbessern. Altersarmut: ein Thema, dass das Strahlen aus ihrem junggebliebenen Gesicht mit dem flotten roten Kurzhaarschnitt vertreibt.

Sie hat es noch erlebt, dass sie hinter vorgehaltener Hand als „Rabenmutter“ verunglimpft wurde, weil sie sechs Wochen nach der Geburt wieder anfing zu arbeiten. „Ich wollte immer selbstständig sein“, erklärt sie. Eigenes Geld, eigenes Konto: Das war ihr wichtig in Zeiten, in denen dies für Frauen nicht selbstverständlich war. Trotzdem hat sie niemals ihren Kopf einfach durchgesetzt, alle Entscheidungen fielen immer in Absprache mit dem Ehemann. Auch jener Beschluss, in die Kommunalpolitik einzusteigen. 1996 kandidierte Elisabeth Fischer für die CSU zum erstem Mal für den Stadt- und für den Kreistag und wurde zu ihrer großen Überraschung in beide Gremien gewählt. Sie hat es gewundert, viele ihre Mitstreiter jedoch nicht, denn Elisabeth Fischer war bereits sehr bekannt in Stadt und Landkreis: als Beisitzerin, stellvertretende Vorsitzende und Vorsitzende im CSU-Ortsverband.

24 Jahre lang saß sie im Kreistag, jetzt absolviert sie gerade die fünfte und nach eigenen Angaben letzte Periode im Stadtrat, wo sie auch einmal zwei Jahre den Fraktionsvorsitz innehatte. Sie war stellvertretende CSU-Kreisvorsitzende, Mitglied im Jugendhilfeausschuss des Kreistags, im Verwaltungsrat des Romed-Klinikverbunds, ist nach wie vor im Verwaltungsrat der Sparkasse Wasserburg.

Über die Grenzen ihrer Heimatstadt hinaus hat Elisabeth Fischer vor allem als Kindergarten- und Schulreferentin des Stadtrates Spuren hinterlassen. 24 Jahre lang kümmerte sie sich um die Strukturen der Kinderbetreuung in der Stadt, „davon versteh ich eine Menge“, sagt sie. Deshalb ist die 72-Jährige auch keine Verfechterin der Frauenquote. Sie findet, für ein Amt benötige es Fachwissen und Erfahrung. Wer dies mitbringe - egal ob Mann oder Frau - solle die Aufgabe übernehmen, nicht automatisch eine Frau, um eine Quote zu erfüllen. Bestes Beispiel sei der neue Verteidigungsminister, der sich in ihren Augen viel besser für das Amt eigne als seine Vorgängerin.

„Habe Freude daran, für die Wasserburger Bürger da sein zu dürfen“

Ihren politischen Erfolg verortet sie in ihrem erworbenen Erfahrungsschatz vor allem in der Familien- und Sozialpolitik - und in „meinem eisernen Willen“, wie sie sagt. Ihr gesunder Menschenverstand habe ihr ebenfalls geholfen. „Ich mag die Menschen, ich habe Freude daran, für die Wasserburger Bürger da sein zu dürfen.“ Durchboxen in einer Welt der männlichen Alpha-Tiere, das habe sie nicht nötig gehabt, zieht sie rückblickend Bilanz. Viele Männer hätten sie sogar unterstützt - die drei Landräte Max Gimple, Josef Neiderhell und Wolfgang Berthaler, ehemalige Stadträte wie Hans Köck. Auf Augenhöhe seien sie einander begegnet, stellt sie fest, Erfahrungen mit Diskriminierungen habe sie so gut wie nie gemacht. „Ich bin eine Frohnatur, so schnell lasse ich mich nicht unterkriegen.“

Kraft für ihr volles, aktives Leben in vielen Bereichen hat Elisabeth Fischer, der sich mit Schwimmen im Penzinger See fit hält, außerdem der Glaube gegeben. „Der Herrgott hat mich hier hingestellt, damit ich tue, was ich kann“, ist sie überzeugt. Ihr Rat zum Internationalen Frauentag an ihre Geschlechtsgenossinnen: „Gelassen bleiben, sich nicht vereinnahmen lassen, in sich hineinhören und feststellen, was Frau wirklich will. Dabei sollten sich auch die jungen Frauen von heute nicht unter Druck setzen lassen. Es gibt so viele verschiedene Lebenswege.“

Kommentare