Ehrenamtliche kümmern sich um Heimatkundliche Sammlung (HkS)
Tausende stumme Zeitzeugen: So hält Bernd Wingen Feldkirchen-Westerhams Gedächtnis am Laufen
Wer war 1982 Bürgermeister in Feldkirchen-Westerham? Eine Frage, die mit Sicherheit irgendwo im Gedächtnis abgespeichert ist. Zumindest im digitalen Gedächtnis der Gemeinde, das Bernd Wingen und sein Team nicht nur am Laufen halten, sondern kontinuierlich mit Fakten füttern.
Feldkirchen-Westerham – Egal welche Tür der zahlreichen, rund zwei Meter hohen Schränke Bernd Wingen (67) in seinem Büro in der Heimatkundlichen Sammlung (HkS) in der „Alten Post“ öffnet – das Bild ist immer dasselbe. Unzählige graue Kartons sind dort gestapelt, dazwischen stapelweise hellblaue Mappen. Hier ruht ein Teil des Gedächtnisses der Gemeinde – und Wingen sorgt mit seinem Team nicht nur dafür, dass dieses Gedächtnis am Laufen gehalten wird. Sondern auch, dass es kontinuierlich erweitert wird.
Als Wingen, der als Kind mit seinen Eltern aus dem Rheinland nach Großhelfendorf, 1971 dann nach Feldkirchen-Westerham gezogen war, vor rund vier Jahren in den Ruhestand ging, war für den Ingenieur klar: „Ich will ehrenamtlich aktiv werden.“ Da ihn Geschichte zeitlebens interessierte, er nebenbei auch noch Ahnenforschung betrieb, waren die Kontakte zum Senioren- und Heimatverein Feldkirchen-Westerham, der seit knapp 20 Jahren im Auftrag der Gemeinde die Heimatkundliche Sammlung (HkS) verwaltet, schnell geknüpft, seine Mitarbeit im Archiv der Gemeinde ist seitdem unverzichtbar.
Wöchentlich rund 15 bis 20 Stunden für die HkS im Einsatz
Nachdem der bisherige HkS-Leiter Peter Schmitt in den Folgejahren mit gesundheitlichen Problem zu kämpfen hatte, übernahm Wingen nach und nach mehr Aufgaben in der Sammlung, letztlich dann auch die Leitung des Mitte Dezember 2022 verstorbenen bisherigen Leiters. Mittlerweile widmet Wingen, der verheiratet ist und drei Kinder hat, wöchentlich rund 15 bis 20 Stunden der Arbeit bei der HkS.
„So hatte ich mir das am Anfang eigentlich nicht vorgestellt“, sagt der 67-Jährige und lacht. Denn eigentlich habe er nur ein paar Stunden in der Woche dafür aufbringen wollen. Missen möchte er die Arbeit, die er gemeinsam mit einem sechsköpfigen ehrenamtlichen Team bewältigt, aber nicht. „Es ist einfach eine spannende Aufgabe“, sagt Wingen. „Wir sorgen letztlich dafür, dass die Geschichte des Ortes nicht verloren geht.“
Doch wie halten die engagierten Ehrenamtlichen das Gedächtnis der Gemeinde am Laufen? Bürger, die beispielsweise beim Entrümpeln des Kellers oder des Dachbodens Dokumente, Fotos oder Filme finden, können diese bei der HkS abgeben. Die Fundstücke werden dann akribisch dokumentiert, eingescannt und in die Datenbank eingepflegt. so dass sie unter der Webadresse www.hks-83620.de für die Öffentlichkeit abrufbar sind. Bei größeren Fundstücken – beispielsweise ganzen Büchern – werden ein paar Details eingescannt und online abrufbar gemacht. Wingen: „Wer dann mehr darüber erfahren will, kann ins Archiv in der ,Alten Post‘ kommen und sich das ganze Werk anschauen.“
Rund 13.000 Dokumente, die alle im Bezug zur Gemeinde stehen, sind mittlerweile über die Datenbank abrufbar. Im Archiv in der „Alten Post“ lagern derzeit über 7000 stumme Zeitzeugen – vom Dokument über das Foto oder diversen Sterbebildchen bis hin zu Filmaufnahmen, CDs uns DVDs. „Einige 1000 Dokuente sind von uns noch gar nicht digitalisiert“, verrät der 67-Jährige. Und nahezu tagtäglich werden es mehr. So sind alleine aus dem Nachlass des ehemaligen HkS-Leiters Schmitt jüngst rund 300 Gigabyte an Daten auf Festplatten und USB-Sticks hinzugekommen, die nun gesichtet und ausgewertet werden müssen.
Ein kleines Team mit großen Aufgaben
Und genau hier liegt die Schwierigkeit: Denn für die Menge an Arbeit, die bewältigt werden muss, ist das Team einfach zu klein, wie Wingen deutlich macht. „Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn wir weitere ehrenamtliche Mitstreiter finden, die sich im Umgang mit einem PC auskennen und uns beim Archivieren und Digitalisieren helfen“, sagt der 67-Jährige.
Zumal der neue HkS-Leiter für die kommenden Jahre viele weitere Projekte auf seine lange To-do-Liste gesetzt hat. So will der Feldkirchen-Westerhamer nicht nur das Gedächtnis der Gemeinde am Laufen halten und weiter ausbauen, sondern auch komfortabler zugängig machen. Denn die Datenbanksuche über die Webseite sei derzeit „noch nicht besonders benutzerfreundlich“. Mittelfristig ist die HkS dann laut Wingen auf der Suche nach einer modernen Archivsoftware.
Jede Menge Arbeit, die Wingen unverblümt als „Fass ohne Boden“ bezeichnet – die sich aber nach Angaben des 67-Jährigen durchaus lohnt: „Durch die Arbeit habe ich erst erfahren, wie der Ort früher ausgesehen hat und wie lebendig Feldkirchen-Westerham eigentlich ist“, sagt der umtriebige Rentner, den die Arbeit bei der HkS „einfach fasziniert“. Leider sei die Zeit bei der Fülle des Materials so knapp, dass oftmals gar kein Raum bleibe, tief in die Geschichten der Kommune und deren Menschen einzutauchen.
Im Urlaub gerne mit dem Wohnwagen unterwegs
Und nicht nur das: Auch seine Freizeit, die er gerne mit Urlauben im Wohnwagen oder beim Joggen verbringt, komme derzeit einfach zu kurz. Was auch seiner Frau schon aufgefallen sei – beispielsweise, wenn es darum gehe, Arbeiten im heimischen Garten zu verrichten, er aber nicht greifbar sei. Und dennoch will der 67-Jährige auch in den kommenden Jahren einen Großteil seiner Freizeit der HkS widmen, denn: „Es gibt einfach noch so viel zu tun.“
Und wenn dann einmal ein paar ruhigere Minuten anfallen, dann wird Wingen vielleicht die Schranktüren in seinem HkS-Büro öffnen. Und nicht nur auf die grauen Kartons und hellblauen Mappen blicken, sondern diese auch öffnen, um ganz tief in die Geschichte der Gemeinde Feldkirchen-Westerham einzutauchen.
