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Mitarbeiter erinnern sich an Einbruch in 2014

„Fast alles zerstört“: Wüteten die mutmaßlichen Manchinger Goldräuber auch in Bad Aibling?

Ein Bild der Verwüstung bot sich nach dem Einbruch in die Kfz-Zulassungsstelle Bad AIbling Frühjahr 2014.
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Ein Bild der Verwüstung: Nach Freigabe der Räume durch die Polizei hielt der Leiter der früheren Kfz-Zulassungsstelle Bad Aibling, Walter Martin (rechts), den Zustand fest, in dem die Einbrecher die Räume hinterlassen hatten.

10 Jahre, 2 Umzüge und Tausende von Autoan-, -ab- und -ummeldungen liegt der Einbruch in die Aiblinger Zulassungsstelle zurück. Der Prozess um die Goldräuber von Manching, die auch für diese Tat verantwortlich gemacht werden, bringt bei den Betroffenen von damals jetzt Erinnerungen zurück. Und die sind nicht ohne.

Bad Aibling – Es ist Montag, der 27. April 2014. Um 6.30 Uhr ist es noch nicht richtig hell, als Nicole Schuster in Begleitung ihrer Kollegin die Tür zur Kfz-Zulassungsstelle an der Bad Aiblinger Krankenhausstraße aufsperrt. „Drinnen habe ich mir gleich gedacht: ,Irgendwas ist anders, irgendwie komisch‘“, erinnert sich die Mitarbeiterin des Landratsamtes an jenen Tag. Die großen Fenster seien mit dunkler Plane verhängt gewesen, die Atmosphäre verändert.

Heute noch ein eingeschweißtes Team: Marion Linke-Uhl, Nicole Schuster, Margit Sixt und ihr Chef Walter Martin (von links) waren 2014 nach dem Einbruch in die Aiblinger Zulassungsstelle bei den Ersten, die vor Ort waren. Seit 2021 arbeiten sie auch im Verkehrszentrum Rosenheim zusammen.

Ein paar Schritte weiter sieht sie herausgerissene Ordner, Dokumente, Bürogegenstände am Boden verstreut. Alles ist mit einer weißen Schicht bedeckt. Beim Blick auf den aufgebrochenen Tresor wird ihr klar, dass sie sich hier wohl an einem Tatort befindet. „Komm, lass uns sofort rausgehen“, sagt sie zu ihrer Kollegin.

„Was, wenn die Täter noch im Haus sind?“

„Da gehen einem viele Dinge durch den Kopf. Natürlich, dass man sofort die Polizei verständigt. Aber auch der Gedanke, dass sich unten ja noch weitere Räumlichkeiten und der Aufenthaltsraum befinden. Was, wenn sich dort noch jemand aufhält oder versteckt?“, beschreibt Nicole Schuster die Situation von damals. Die Polizei sei schnell vor Ort gewesen, die Ermittlungen wurden aufgenommen, die Mitarbeiter nach Hause geschickt.

Schnell stand fest, dass sich Einbrecher über ein Kellerfenster Zutritt in die Kfz-Zulassungsstelle verschafft hatten, dem alten, stählernen Tresor im Erdgeschoss mit einer Flex zu Leibe gerückt waren und die Räumlichkeiten durchsucht hatten, wie die Polizei im Nachgang in einer Pressemitteilung und einem Zeugenaufruf mitteilte. „Das muss ein Riesengerät gewesen sein und einen Höllenlärm verursacht haben. Der Tresor war mindestens mannshoch und sehr schwer. Er stammte noch aus den Zeiten des alten Bezirksamtes“, berichtet Walter Martin, der die Zulassungsstelle leitete.

Auf den großen Tresor hatte es die Einbrecherbande abgesehen.

„Entwendet wurden damals vor allem Siegelplaketten und Dokumente, beispielsweise Zulassungsbescheinigungen“, berichtet Landratsamt-Pressesprecherin Sibylle Gaßner-Nickl. Darunter seien 750 Fahrzeugscheine, 400 Briefe, 900 Siegelplaketten, 800 TÜV-Plaketten und vier Rundsiegel gewesen. Doch um wie viel schwerwiegender die Folgen dieser Tat tatsächlich waren, wurde erst im Nachhinein ersichtlich.

Walter Martin leitete die Kfz-Zulassungsstelle in Bad Aibling bis zum Umzug 2021. Hier hält er die Folgen des Einbruchs im Jahr 2014, bei dem auch Asbest freigesetzt wurde, mit der Kamera fest.

Zum einen hatten die Täter, wohl um Spuren zu verwischen, einen Feuerlöscher betätigt. Dadurch wurden zum Beispiel fast alle elektronische Geräte unbrauchbar, da sich das feine Pulver bis in die kleinsten Ritzen festsetzt. „Das zieht Feuchtigkeit an und alles wird wie ein einziger Papp. Bildschirme, Tatstaren, Maus – alles war hinüber“, so Martin.

Zum anderen – und das war der gravierende Punkt – wurde durch den Tresoraufbruch Asbest freigesetzt. Was dazu führte, dass (neben der vorsorglichen monatelangen Auslagerung der Klassen der benachbarten Rupert-Egenberger-Schule) letztlich die komplette Zulassungsstelle entkernt wurde und alles fachgerecht entsorgt werden musste. Auch die in den Kellerräumen gelagerten uralten, handgeschriebenen Zweitschriften von Personenstandsakten aus den Standesämtern der Gemeinden und des früheren Bezirksamtes, zum Teil noch in altdeutscher Schrift, mussten aufgrund der Asbestbelastung vernichtet werden. Davor seien sie noch digitalisiert worden, so das Landratsamt.

Dieser Einbruch war kein Einzelfall

Dass der Einbruch in Bad Aibling kein Einzelfall war, ergaben Ermittlungen der Polizei. Heute weiß man, dass die Diebesgruppe über Jahrzehnte wohl bundesweit nach dem gleichen Muster vorging: Vor dem Einbruch wurden Kabel in Verteilerkästen der Telekom gekappt, um die Internet- und Telefonversorgung der gesamten Umgebung stillzulegen. Dadurch leiteten an den Einbruchsobjekten installierte Alarmanlagen einen Alarmfall nicht mehr weiter, so dass man am und im Objekt über Stunden hinweg ungestört agieren konnte.

„Zudem wurde vor Ort ein Störsender, ein sogenannter Jammer, platziert, um eine eventuell noch vorhandene Funkverbindung der Alarmanlage ebenso zu unterdrücken. Nachdem man sich dann gewaltsam Zutritt zum Objekt verschafft hatte, wurden oftmals sämtliche Sicherheitselektronik zerstört und letztendlich die dort befindlichen Tresore und Geldautomaten mithilfe von Flex-Elektrowerkzeugen aufgeschnitten, um daraus das Bargeld entwenden zu können.“

Viele persönliche Gegenstände waren weg

„Uns wundert bis heute, dass niemand etwas gehört hat. Das muss doch unglaublich laut gewesen sein, als die mitten in der Nacht den schweren Tresor aufgeflext haben“, sagen Nicole Schuster und ihre Kolleginnen Margit Sixt und Marion Linke-Uhl. Die Mitarbeiterinnen und ihr Chef Walter Martin durften nach Sicherung der Spuren noch kurz in die Räume, um persönliche Gegenstände zu holen – zumindest das, was noch davon übrig war. Vieles allerdings war verloren, von der Lieblingstasse mit ideellem Wert bis zur teuren Lesebrille, Jacke oder Uhr.

Weil es am Morgen nach dem Einbruch noch ziemlich frisch war, versorgten sich die Mitarbeiterinnen der Zulassungsstelle mit wärmenden Decken, während sie auf Informationen warteten, wie es für sie weitergehen sollte.

Den Gedanken, damals Asbest eingeatmet haben zu können, habe man weitgehend verdrängt, der Arbeitsalltag ging für die rund 15 Aiblinger Beschäftigten für rund zehn Monate in Rosenheim weiter, bevor sie am 3. Februar 2016 in die komplett sanierten Räume zurückkehren konnten. „Eine Spezialsanierung sowie anschließende Messungen durch ein Fachbüro hatten zuvor sichergestellt, dass weder in den Räumen der Kfz-Zulassung noch in der angrenzenden Schule eine Asbest-Belastung besteht“, so Sibylle Gaßner-Nickl. Die baulichen Kosten, die durch den Einbruch entstanden waren, hätten sich auf 410.000 Euro belaufen.

Auch wenn die Freude über die damalige Rückkehr und die neuen Räumlichkeiten groß war, so war doch etwas anders. Das ungute Gefühl beim Betreten oder Verlassen der Arbeitsstelle war irgendwie immer mit dabei. „Im Nachhinein wurde klar, dass die Tat perfekt vorbereitet war. Die wussten genau, wo sie hinmüssen, haben gezielt gearbeitet und hatten auch eigens schwarze Folie zum Abdunkeln dabei“, sagt Marion Linke-Uhl.

Was ihr dabei Angst gemacht habe: „Die müssen uns zuvor wochenlang ausspioniert haben. Wahrscheinlich wussten die auch genau, wer von uns wann kommt oder geht. Wir haben noch oft davon geredet, wie professionell das alles durchgeführt wurde.“ Auch für Margit Sixt war es „erschreckend, wie die Einbrecher vorgegangen sind“ und in welch verheerendem Zustand sie die Zulassungsstelle zurückgelassen hatte. „Es war ja fast alles zerstört.“ Nicole Schuster spürte die psychischen Auswirkungen erst so richtig, als der erste Schreck nachgelassen hat. „Ich war ein paar Wochen richtig angeschlagen, mir ging es sehr schlecht.“ Auch als sie zurück in Bad Aibling war, habe sie sich immer erst umgeschaut, wenn sie zur Arbeit oder nach Hause ging.

„Der Schock saß tief bei allen, es wurde noch lange darüber geredet.“  

Walter Martin

Was den Einbrechern laut Walter Martin das Ausspionieren erleichtert haben dürfte, waren die damaligen Bauarbeiten im Haus. Unter anderem wurden die Toiletten erneuert. So gingen damals neben den täglichen Kunden auch Handwerker aus und ein, sodass ein Überblick im Tagesgeschäft kaum möglich gewesen sei. Auch er weiß: „Der Schock saß tief bei allen, es wurde noch lange darüber geredet.“

Als Team noch enger zusammengewachsen

Vor allem, da man zunächst ja gar nicht genau gewusst habe, was alles passiert sei, sagt Margit Sixt. „Aber es hat uns als Team noch mal so richtig zusammengeschweißt“, sind sich Sixt, Nicole Schuster, Marion Linke-Uhl und Walter Martin einig, die 2021 „ihre“ Außenstelle verlassen mussten, als der Umzug in das große Verkehrszentrum an der Äußeren Oberaustraße in Rosenheim anstand. „Es war ein sehr schönes Arbeiten in Bad Aibling.“

Als bekannt wurde, dass die im Juli 2023 wegen des Diebstahls des Goldschatzes von Manching festgenommen Männer wohl auch für den Einbruch in Bad Aibling verantwortlich waren – DNA-Spuren, die sie am Tatort hinterlassen hatten, deckten sich mit denen aus dem Fall Manching –, kamen natürlich viele Erinnerungen wieder hoch. Walter Martin weiß noch, dass er nach der Tat verfolgt hatte, ob die entwendeten Fahrdokumente, die ja zur Fahndung ausgeschrieben waren, irgendwo wieder auftauchten. „Bei einigen davon war das der Fall, da waren welche in Belgien und in den Niederlanden plötzlich aufgetaucht.“

Nicht alles nahmen die Täter mit.

Mittlerweile läuft der Prozess vor dem Landgericht Ingolstadt gegen die vier Männer im Alter zwischen 43 und 52 Jahren, die im Verdacht stehen, im November 2022 mithilfe von schwerem Brechwerkzeug in das Kelten-Römer-Museum Manching eingedrungen zu sein und den dort ausgestellten keltischen Goldschatz im Wert von über 1,5 Millionen Euro sowie drei weitere Goldmünzen entwendet zu haben. Der Goldschatz gilt als der größte keltische Goldfund des 20. Jahrhunderts. Die Diebe haben einen Teil davon eingeschmolzen, ein großer Teil ist bis dato verschwunden.

Prozess dauert an

Der Prozessbeginn ist laut Polizei nun das Ende einer über zehn Jahre andauernden Einbruchsserie. Viele der in Deutschland und Österreich begangenen Taten seien von den damaligen Ermittlungsdienststellen bereits zu den Akten gelegt worden und galten als ungeklärt. Jetzt ist die lange Liste an vergangenen Taten ein wesentlicher Bestandteil der Anklage. Taten, die sich vor 2014 ereignet haben, gelten als verjährt.

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