Dokumente dazu wurden Stadtarchiv übergeben
So waren die bewegten ersten Jahre des AStA Rosenheim und der Weg zur „AStA-Kneipe“
Von Diskussionsveranstaltungen zum Vietnam-Krieg, über eine „Trauerfeier in Hemdsärmeln“ bis hin schließlich der Gründung der bis heute bestehenden „AStA-Kneipe“: Es waren bewegte Jahre von 1968 bis 1975. Nun wurden Dokumente dazu dem Stadtarchiv übergeben und wir blicken anlässlich dessen auf das Geschehen zurück.
Rosenheim - „Wird Vietnam das Stalingrad Amerikas werden? Die US-Regierung begeht aber nicht nur Mord am Volk Vietnams, sondern auch Verbrechen am eigenen Volk, wenn Hunderttausende von Soldaten gezwungen werden, zu morden“, zitiert das OVB in seiner Ausgabe vom 15. März 1968 Thomas Schmitz-Bender, Mitglied des Politikkomitees des SDS München. In der vom AStA-Vorsitzenden Peter Horváth-Mohácsi Veranstaltung war zuvor der Film „Zeit der Heuschrecken“ gezeigt worden. Zu diesem Film lässt sich heute nur noch wenig herausfinden, er basiert offenbar auf einem Roman über vietnamesische „boat people“, entstand 1966 unter der Regie von Peter Gesser und erhielt noch im selben Jahr den Evangelischen Filmpreis. „In der Diskussion, die eine Stunde andauerte, wurden mehrere heftige Angriffe der Zuhörer gegen die Nationale Befreiungsfront und auch gegen den Referenten selbst, dem politische Unreife bescheinigt wurde, vorgebracht.“
Schon zuvor war in der Zeitung immer wieder über die Aktivitäten von Studenten, insbesondere in der Landeshauptstadt München berichtet worden. Besorgte und wütende Leserbriefe erreichten die Redaktion. In einem davon, abgedruckt in der Ausgabe vom 13. Januar 1968, war von politisch aktiven Studenten als „Drohnen am Körper der Gesellschaft“ die Rede die „möglichst bald wieder von der Bildfläche verschwinden“ müssten. Ein weiterer Verfasser einer in jener Ausgabe abgedruckten Ausgabe bezeichnete sie als „Lausbuben“ die eine „widerliche Arroganz“ zur Schau tragen würden. Ein Dritter betonte, „handfeste Prügel“ seien das einzige Mittel ihrer Herr zu werden. Auf dem Asta-Ball der Ingenieurschule in Schloßberg war unterdessen das Motto „Studentendemonstration“, wie wir aus einem Bericht am 7. Februar erfahren. „Hippies und Dutschke-Imitationen“ seien unter den beliebtesten Kostümen gewesen. Gemeint ist dabei der Aktivist Rudi Dutschke. Es habe ein ein studentisches „sit in“ gegeben und „In Narrenmanier wurden Reformen diskutiert und proklamiert“.
Dokumente dazu wurden Stadtarchiv übergeben: So waren die bewegten ersten Jahre des AStA Rosenheim und der Weg zur „AStA-Kneipe“
In diesem Klima also agierte der AstA der Fachhochschule im Jahr 1968. Nun übergaben Matthias Griehl, Elias Kahl und Anna Rieder vom Allgemeiner Studierendenausschuss Rosenheim e.V., abgekürzt AStA e.V., der die AstA-Kneipe betreibt, dem Stadtarchiv Rosenheim zwei Ordner mit Dokumenten aus der Anfangszeit. „In der Corona-Zeit wollten wir es endlich einmal angehen, im Keller der Kneipe ein wenig auszumisten und aufzuräumen“, erinnert sich Griehl, „Dabei sind wir dann auch auf all diese Unterlagen gestoßen, die über die Jahrzehnte hinaus dort geschlummert hatten.“ Nach deren Sichtung und Ordnung habe man sich entschlossen, diese dem Stadtarchiv zu übergeben und einen entsprechenden Schenkungsvertrag zu unterzeichnen. Dies ist Teil der Vorgehensweise bei einer Überlassung an das Stadtarchiv.
„Der eine der Ordner ist inhaltlich schwerpunktmäßig zum Sommersemester 1968“, so Griehl. Neben studentischen Belangen, wie der Zusendung von Zeitschriften und Fachartikeln für verschiedene Verlage, Freistellungn für Seminare oder dem Abschluss einer Versicherung für die anstehenden Skimeisterschaften der Studierenden am Sudelfeld sei insbesondere die damals anstehende Hochschulreform ein wichtiges Thema für den AStA Rosenheim gewesen. „Bei vielen Studenten ging die Angst um, dass eine ausbleibende Anerkennung als Fachhoschule ihren Abschluss abwerten könnte.“ Protokolle von Arbeitssitzungen würden zudem aufzeigen, dass auch gesamtgesellschaftliche und allgemeinpolitische Themen eine große Rolle spielten. Beispielsweise die eingangs genannte Vietnam-Veranstaltung aber auch eine leidenschaftlich geführte Diskussion zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze seien dokumentiert. Es seien auch einige Schriftwechsel mit dem damaligen Direktor der Ingenieursschule, Dr. Gefahrt zu finden, „der den Aktivitäten des AStA durchaus aufgeschlossen gegenüber zu stehen scheint.“
„Trauerfeier in Hemdsärmeln“
„Ein höchst betrüblicher Anlass gab gestern Gelegenheit, mit der Rosenheimer Studentenschaft in größerem Rahmen unmittelbar in Kontakt zu kommen: die Trauerleier für den verstorbenen Rüdiger Schreck in einem Lehrsaal der Staatlichen Ingenieurschule. Bis zu den Fensterbänken hinauf saßen und standen die jungen Männer in Blue Jeans und offenen Hemden, so wie es heute offenbar üblich ist, zum Unterricht zu kommen“, heißt es in einem Zeitungsartikel vom 24. April 1968 , „Einige rauchten, und im übrigen war der unwirtliche und unwürdige Raum erfüllt von lautstarker Unterhaltung, so dass sich ein ergrauter Dozent, der in der vorderen Reihe saß, umwandte und die tiefsinnige Feststellung trat: ‚Schrecklich lustig, heute‘ Die anschließende Gedenkstunde verlief hingegen in mustergültiger Ordnung.“ Der Ordner enthalte eine schriftliche Reaktion des AStA-Vorsitzenden Peter Horváth-Mohácsi, in der dieser mit dem Beitrag kritisch auseinandergesetzt habe.
Ein weiterer Ordner mit Dokumenten aus den 70er-Jahren zeige dann das Engagement rund um die erneute Hochschulreform 1971 auf. Vor allem aber das Bestreben, ein Lokal für Studenten zu etablieren. „Nicht zu Unrecht bemängelten Studienanfänger an der Fachhochschule Rosenheim bei einer Umfrage das Fehlen von Studentenlokalen in der Stadt. An Bemühungen der Studenten, diesem Manko abzuhelfen, fehlt es aber nicht. Der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) ist schon seit geraumer Zeit bestrebt, einen entsprechenden Baum aufzutreiben. Bisher vergeblich“, heißt es auch in einem Artikel im OVB vom 24. Januar 1975. „Im Sommer 1975 war es dann aber soweit: Wie aus dem Rechenschaftsbericht des 2. Vorsitzenden Bernhard Nigl im Sommersemester 1975 hervorgeht, konnte schließlich ein geeigneter Ort gefunden werden“, so Matthias Griehl.
Aufruf an unsere Leserschaft: Wer war damals dabei?
„Es hat nicht immer alles so geklappt, wie wir es uns gewünscht hätten, aber mit dem Lokal ist jetzt einmal ein Anfang gemacht und unseren Nachfolgern wird es bestimmt schon leichter gehen, in diesem neuen Sektor“, zitiert er Nigl. Die Eröffnung sei dann mit einem Jazz-Frühshoppen mit der Band „Blue Lions“ erfolgt, laut Nigl habe auch Hannes Wader gespielt. „Die weiteren Unterlagen offenbaren dann auch ganz schnell die Probleme, die das Führen einer Kneipe mit sich bringt. Sie sind geprägt von Konflikten, Überforderung und chronischem Geldmangel. Hatte doch der AStA e.V. neben der Kneipe auch noch einige studentische Aufgaben zu erfüllen. Erst als der AstA e.V. Ende der 70er Jahre das, heute noch bestehende, System mit zwei vom Verein gewählten Geschäftsführern für die Kneipe einführt, scheinen sich die Dinge zu bessern. Und heute, 50 Jahre nach ihrer Gründung, steht die Asta-Kneipe noch an ihrem Platz.“
Alle Blicke ins Zeitungsarchiv auf der Themenseite:
Alle bisher erschienen Artikel aus der jeden Samstag um 15 Uhr erscheinenden Reihe „In alten Zeitungsbänden gestöbert“, aber auch diverse zusätzliche Artikel über spektakuläre Kriminalfälle, bekannte Persönlichkeiten der jüngeren Zeitgeschichte sowie andere bedeutende Ereignisse, nacherzählt an Hand von alten Zeitungsartikeln findet Ihr ab sofort auf dieser Themenseite.
Schließlich hat Griehl noch einen Aufruf an unsere Leserschaft: „Wir würden uns freuen, wenn wir noch Bilder und Erinnerungen aus dieser Anfangszeit des AStA und der Kneipe bekommen könnten. Gerne können Sie sich mit uns unter der E-Mail-Adresse geschichte@astakneipe.de melden. Es wäre schön, wenn wir so noch mit Bildern diese Zeit illustrieren und vielleicht ein paar Zeitzeugenberichte von denjenigen, die damals mit dabei waren, hören könnten.“ (hs)


