Was passiert mit dem Schadholz im Naturschutzgebiet?
„Ein Stück Heimat ging verloren“: Auf der Insel am Langbürgner See steht nur noch jeder zweite Baum
Wir lieben unsere Heimat: die klaren Flüsse und Seen, und unsere Wälder. Der Sturm vom Samstag (26. August) hat in einigen Regionen das Landschaftsbild nachhaltig verändert. Zum Beispiel am Langbürgner See in der Marktgemeinde Bad Endorf. Vor allem auf der dortigen Insel, auch Robinsoninsel genannt, wütete das Gewitter so heftig, dass mehr als die Hälfte der Bäume entwurzelt wurden. Für Wanderer und Badegäste ein Trauerspiel - aber auch für die Natur?
Bad Endorf – Ein Bild der Verwüstung zeigt sich derzeit all jenen, die am Langbürgner See unterwegs sind. Das Naturschutzgebiet ist stellenweise nicht wiederzuerkennen. Überall liegen entwurzelte Bäume, teils alte Buchen, wie Mikadostäbchen auf dem Boden verteilt. Vor allem den einheimischen Badegästen und Wanderern blutet beim Anblick das Herz:
„Am Samstagabend ging ein Stück Heimat verloren“, schreibt uns ein Leser von Rosenheim24 erschüttert. „Der Alte Wald auf der Insel im Langbürgner See und dem Bäckerzipfel, der Spitze der Halbinsel ist zerstört.“ Die Fotos machen deutlich: Ein großer Teil des Waldbestandes auf der Insel ist betroffen. Das bestätigt auch Ulrich Guggenberger, Forstrevierleiter aus Bad Endorf:
Der verlorene Wald auf einer 10.000 Jahre alten Insel
„Ich gehe mal davon aus, dass jetzt von der Holzmenge her, dass da mehr als die Hälfte nicht mehr da ist.“ Guggenberger ergänzt: „Also schon noch da, aber nicht mehr stehend.“ Für viele Anwohner aus den nahegelegenen Orten wie Rimsting eine Katastrophe. Das Naturschutzgebiet, dessen Landschaft von der letzten Eiszeit geprägt wurde, erfreut sich großer Beliebtheit bei Einheimischen wie Touristen. Beim Rückzug der Gletscher vor zirka 10 000 Jahren entstanden sogenannte Toteisseen, die heute als Naherholungsgebiet genauso wertvoll sind, wie für Flora und Fauna.
Rund um den Langbürgner See




Sturmschaden: ein Trauerspiel für den Mensch und Natur?
Und jetzt das: Für einige Minuten rollt eine Gewitterfront über die Region und hinterlässt eine Schneise der Verwüstung: Das Aus für alle Schwimmer, Schwammerlsucher und Gassigeher? Es sind nach wie vor Teile der Wanderwege gesperrt: Immer noch drohen lose Äste von den Bäumen zu stürzen und schwere Verletzungen könnten die Folge sein.
Der Rat des amtierenden Bürgermeisters aus Eggstätt: Derzeit Waldwege am besten meiden. Für die Insel im Langbürgner See besteht sowieso Betretungsverbot: Sie gehört zum Naturschutzgebiet Eggstätt-Hemhofer Seenplatte und das einmalige Ökosystem wird dort entsprechend geschützt. Aber wie einmalig ist es noch nach dem immensen Sturmschaden? Was bedeutet so eine flächendeckende Entwurzelung von teils altem Baumbestand für die Natur?
„Ein Haufen Bucheckern wartet nur darauf, dass Licht auf den Boden fällt“
„Also dieses Wald-Ökosystem hat eine irre Heilungskraft, auch ohne uns Menschen. Und von dem her wird die Natur in Summe in irgendeiner Form diese, für uns schmerzlichen Wunden heilen und auch überbleiben, in veränderter Form.“ erklärt Ulrich Guggenberger. Wo vorher auf dieser Insel uralte, natürliche Buchenbestände gestanden haben, ist jetzt Platz für junge Baumschösslinge: „Also wir gehen jetzt mal davon aus, dass da drüben der Rehverbiss keine Rolle spielt. Das heißt, die Naturverjüngung wird auf jeden Fall nicht zu verhindern sein.“
Guggenberger ist sich sicher - es werden zwischen den umgefallenen und abgebrochenen Bäumen neue Buchen wachsen: „Nachdem ja das in erster Linie ein Altbuchenbestand war, können wir auch von einem Haufen Bucheckern ausgehen, die da bereits darauf warten, dass endlich mal ein bisschen Licht auf den Boden kommt.“ Aber was passiert mit den großen Mengen an Schadholz auf der 300 Meter langen und 50 Meter breiten Insel? Wird das jetzt per Schiff abtransportiert?
Schadholz auf der Insel Neuwelt am Langbürgner See bleibt liegen
Nein, sagt die zuständige Behörde des Inselwaldes, das Landratsamt Rosenheim: „Da die Insel im Naturschutz - und FFH-Gebiet liegt und ein Betreten der Insel verboten ist, besteht kein dringender Handlungsbedarf.“ Nach einem Sturmereignis ist der Waldbesitzer grundsätzlich verpflichtet, zeitnah vor allem im Bereich von Straßen und Wegen Schadholz zu entfernen, um Unfällen vorzubeugen. Der Gebietsbetreuer der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte wolle aber mittelfristig ein Konzept für die weitere Entwicklung des Gehölzbestandes auf der Insel erarbeiten und mit allen Beteiligten der verschiedenen Stellen abstimmen.
Warum die toten Bäume das Leben im Wald bereichern
Grundsätzlich sei, so Ulrich Guggenberger, auch aus seiner Sich derzeit kein Grund gegeben, die entwurzelten Bäume zu entfernen. Es bestehe weder ein Sicherheitsrisiko, noch sei derzeit bei Buchen eine große Gefahr einer Borkenkäferplage gegeben: „Tatsache ist, dass nur die Fichten von einer ernst zu nehmenden Borkenkäfer Massenvermehrung bedroht sind. Die Schwärmzeit der Fichtenborkenkäfer geht jetzt dann zu Ende, was in den fichtenreichen Schadgebieten der Gemeinden Eggstätt und Bad Endorf zumindest das nächste halbe Jahr Gelassenheit ermöglicht. Das heißt, es passiert, wenn man so will, jetzt fast überhaupt nichts mehr.“ Totholz wie am Langbürgner See sieht für den Menschen unschön und chaotisch aus, kann für die Natur aber sogar nützlich sein:
„Die entwurzelten Bäume bleiben einfach. Dann entsteht Totholz und das ist extrem wertvoller Lebensraum für Insekten, Pilze und viele andere Arten, nicht nur auf der Insel.“ Als Beispiel nennt Guggenberger die, in den See gefallenen Baumstämme: „Die umgestürzten Bäume, die jetzt ins Wasser hineinhängen, kann man hässlich finden und lästig, aber für die Fischeier zum Beispiel ist das ein Riesenvorteil.“ Auf Nachfrage erklärt Guggenberger, dass Raubfische durch das dichte Geäst nicht gut hindurch kämen und die Fischeier, Jungfische und anderen Beutefische so gut geschützt wären. Also ist die Bestürzung um den verlorenen Wald eigentlich obsolet?
Heimat in stürmischen Zeiten: schmerzlicher Verlust des Inselwaldes
Der Schock um verloren gegangene Heimat - Ulrich Guggenberger kann die Emotionen des Lesers von Rosenheim24 schon verstehen: „Wenn jemand den Begriff Heimat verwendet, dann versteht er ja ganz was Persönliches darunter. Heimat bedeutet, je nachdem, für den einen das Schwammerl suchen, für den anderen spazieren gehen, oder eben einfach eine bestimmte Waldform.“ Und gerade für die Anrainer des Sees, die dort seit ihrer Kindheit ihre Freizeit verbringen, ist der Verlust des Waldes auf der, auch Neuwelt genannten Insel, dann entsprechend auch Verlust von Heimat.
Da mag es kaum trösten, dass Guggenberger auch darauf verweist, dass sie ja noch da ist, die Heimat - in diesem Fall die Insel - eben nur anders. Es entstünde jetzt dort eben etwas Neues. Damit macht die Insel ihrem Namen Neuwelt alle Ehre. Es sei natürlich unerfreulich, dass nun durch die Waldarbeiten im Gebiet in nächster Zeit viel gesperrt sein wird. Aber perspektivisch „kann ich Prozesse neugierig auch beobachten und kann sehen, wie sich das da draußen verändert und meißt sogar vielfältiger wird.“

