Kuriose Spende
„Kann man noch immer sehen ...“ - Darum gab es 1974 tonnenweise Blumenzwiebeln für Neubeuern
Vor 50 Jahren findet sich im Oberbayerischen Volksblatt vom 7. Dezember 1974 unter der Überschrift „Ein Preuße in Neubeuern“ ein heiterer Bericht, der die Geschichte hinter einer enorm großzügigen und tonnenschweren Spende gewaltiger Mengen an Blumenzwiebeln an die Marktgemeinde berichtet. Hier erfahrt Ihr, was damals geschah und wie das Geschenk bis heute nachwirkt:
Neubeuern - „‘Eigentlich schad, daß dieser nette Mensch ein Preiß is und solchene Sprich macht‘, dachte sich Bürgermeister Michael Schmidt, der an einem Sommertag auf der Terrasse einer Gastwirtschaft am Marktplatz von Neubeuern am Inn ins Gespräch gekommen war. Der Preuße schwärmte über die einzigartige Schönheit Neubeuerns und kam zu der Überzeugung, daß hierfür noch mehr als bisher getan werden muß“, setzt ein Bericht im Oberbayerischen Volksblatt (OVB) vom 7. Dezember 1974 an, „Er sagte dem Bürgermeister, daß er ein Kind im Landschulheim habe und entschlossen sei, etwas für Neubeuern zu tun. Er werde, da im Blumenhandel tätig, Neubeuern eine Spende machen. Michael Schmidl ermunterte auf seine bayerisch-hintergründig-freundliche Art den Preußen, dieses Versprechen auch zu halten und fügte noch hinzu, daß die Gemeinde allerdings keine Kosten übernehmen könnte.“
„Der Sommer verging, und der Herbst verblühte. Michael Schmidl dachte an den freundlichen Preußen und sein Versprechen erst wieder, als er vorige Woche einen Anruf vom Rosenheimer Bahnhof erhielt, daß Blumen abzuholen seien. Also schickte er einen Gemeindebediensteten mit einem Kleinauto nach Rosenheim, um das Päckchen zu holen“, so der Bericht weiter. „Ham‘s an Lastwag‘n dabei?“, habe der Beamte von der Güterabfertigung den Neubeurer Abgesandten gefragt, „der darob in helles Gelächter ausbrach. ,Schaun‘s Eahna dös no genauer o‘, beharrte der Mann von der Bahn und zeigte auf zwei Großbehälter mit je tausend Kilogramm Blumenzwiebeln, fein verpackt nach einzelnen Sorten. Abertausende von Tulpen, Krokussen, Narzissen, Hyazinthen. Einer der Container war für das Landschulheim bestimmt und der andere für die Gemeinde.“
„Kann man noch immer sehen ...“ - Darum gab es 1974 tonnenweise Blumenzwiebeln für Neubeuern
„Riesenüberraschung in Neubeuern und ein Großkampftag im Blumenzwiebelstecken“ seien die Folge gewesen. „Auf dem Schloß waren alle Hände voll beschäftigt, zehntausend Blumen zu pflanzen, und im Markt ordnete der Bürgermeister alle Gemeindeangestellten zu dem gleichen Zwecke ab. Körbe von Blumenzwiebeln wurden an die Hausfrauen mit der Maßgabe verteilt, diese in den Vorgärten der Häuser unterzubringen. Im Frühjahr wird Neubeuern in Blumen und Farben ertrinken.“ Der Spender sei ein Herr von einer Firma aus Solingen gewesen. „Bürgermeister Schmidl hat uns gegenüber glaubhaft versichert, daß bei ihm mit dieser Spende jeglicher Vorbehalt gegenüber „Preiß‘n‘ abgebaut wurde, wenn er überhaupt jemals einen solchen gehabt hätte, denn sie machen nicht nur .Sprüch“, sondern halten sie auch. Wenigstens hin und wieder.“
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Auch über die kommenden Jahre hinweg scheint es dann mit den Blumenzwiebel-Spenden weitergegangen zu sein. So finden sich beispielsweise in den Ausgaben des OVB vom 14. Dezember 1976 sowie dem 2. Dezember 1977 jeweils Mitteilungen, das erneut Container mit Blumenzwiebeln eingetroffen seien. Die Bevölkerung könne diese am gemeindlichen Bauhof abholen. .Soweit, was vor 50 Jahren geschah und in der Zeitung berichtet wurde. Aber gibt es vielleicht noch mehr zu erfahren? Das genannte Unternehmen scheint schon seit längerer Zeit nicht mehr zu bestehen. Die Marktgemeinde Neubeuern wiederum konnte uns allerdings freundlicherweise den Kontakt zu zwei Personen herstellen, die noch Details ergänzen konnten.
„Riesengroße Freude!“
„Das war damals eine riesengroße Freude nicht nur fürs Schloss, sondern für alle Mitarbeiter!“, berichtet auf Anfrage unserer Redaktion Reinhard Käsinger, der bei der Stiftung Landerziehungsheim Neubeuern unter anderem für das Archiv zuständig ist, „Der Spender war der Vater zweier Schüler. Der ältere Sohn war jahrelang Hilfserzieher bei einer Familie hier und die Eltern waren sehr eng mit dieser befreundet.“
„Ja, dies war damals eine große Sache. Es gab mehrere Lieferungen über etwa zwei bis drei Jahre. Die Menge war so enorm, dass diese nicht nur im Marktplatz beziehungsweise der Haschl-Treppe eingepflanzt wurden, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger verteilt wurden“, erinnert sich auch ein ehemaliger Gemeinderat, „Jedes Frühjahr kann man immer noch an der Haschl-Treppe Krokusse und Tulpen sehen, die noch von der damaligen Pflanzung stammen.“ (hs)