Ludwig empört über „Klamauk“
Hippie-Paradies oder nur Provokation? So lief das „Ankiffen“ mit Karl Bär in Rosenheim
Rauchschwaden ziehen über den Salingarten und Karl Bär teilt sich mit der Kiffer-Szene einen Joint: Diese Bilder dürften einige beim Gedanken an das „Ankiffen“ auf Einladung des Bundestagsabgeordneten im Kopf gehabt haben. Doch die Realität sah anders aus.
Rosenheim – Musik von Bob Marley, die aus Lautsprechern dröhnt und viele junge Leute, die einen Joint herumreichen: Etwa so hätte man sich das „Ankiffen“ in Rosenheim anhand des Veranstaltungstitels vorstellen können. In Wirklichkeit war es allerdings deutlich unspektakulärer. Statt Rauchen im Salingarten gab es Pizza im Büro der Grünen – ganz ohne Gras, wie mehrfach betont wurde. Und auch der Andrang hielt sich in Grenzen. Zumindest der der Kiffer. Am Ende lauschten drei Interessierte, sechs Journalisten und ein Kritiker dem Vortrag des Bundestagsabgeordneten Karl Bär. Auch mehrere Mitglieder der Grünen Jugend waren vor Ort, die nach den Informationen zum Cannabis-Gesetz noch ein paar Detailfragen zu Edibles, also Lebensmitteln mit Cannabis, und den Gramm-Regeln klären wollten.
„Ankiffen“ in Rosenheim: Karl Bär konsumiert nicht
Aus dem Plan, nach dem Vortrag in den Salingarten zu wandern und dort „anzukiffen“ wurde allerdings nichts – niemand hatte Gras dabei. Auch die Fotografen zogen am Ende ein wenig enttäuscht ab. Auf ein Bild vom kiffenden Bär hofften sie vergeblich. Er selbst hat noch nie Cannabis geraucht und hat es auch nicht vor, wie er sagt. Auf die Frage, ob jetzt nicht der beste Zeitpunkt wäre, es einmal zu testen entgegnet Bär: „So ein Spießer bin ich nicht, dass ich es bisher nur nicht gemacht hab, weil es illegal war.“ Er habe selbst schon die Wirkung bei Konsumenten erlebt und „wenn ich mir das anschaue, denke ich mir nicht ‚Geil, das muss ich auch machen.‘“
Dass die Einladung zum „Ankiffen“ mit Brokkoli-Logo auf dem Plakat eine gezielte Provokation gegen die CSU und besonders gegen die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig war, gibt Bär ganz offen zu. Dennoch stimmt er Ludwigs kontroverser „Cannabis ist kein Brokkoli“-Aussage in Teilen zu. „Sie hat auch recht mit ‚Cannabis ist kein Brokkoli‘. Man kann auch Probleme kriegen vom Kiffen“, sagt der Grünen-Abgeordnete. Dennoch ist er mit dem Umgang der Union mit dem neuen Gesetz nicht zufrieden: „Die CSU betreibt einen Kulturkampf. Die haben nicht einmal eine große Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich und stellen sich hin als diejenigen, die das Kiffen möglichst verhindern wollen.“
Bär rechnet damit, dass sich aber auch diese Protest-Einstellung irgendwann wieder legen wird. Spätestens dann, wenn die Menschen merken, dass die Legalisierung nicht dazu führt, „dass hier ein Hippie-Paradies ausbricht, in dem keiner mehr arbeitet und alle bloß noch kiffen“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Das ist einfach unrealistisch.“
Verhinderte der „soziale Druck“ das Kiffer-Treffen?
Vom Hippie-Paradies war auch beim „Ankiffen“ wenig zu spüren. „Ich kann mir vorstellen, dass in einer Kleinstadt in Bayern auch der soziale Druck eine Rolle spielt und viele sich nicht trauen, sich zu outen, dass sie Genusshanf konsumieren“, sagt Bär zum ausgebliebenen Kiffer-Andrang bei seiner Veranstaltung. „Ich glaube auch, dass die Einladung von einem Bundestagsabgeordneten nicht über diese Hürde hinweghilft.“
Daniela Ludwig ließ es sich nicht nehmen, auf die Brokkoli-Provokation der Grünen einzugehen. Sie verfasste vorab einen zweiseitigen Protestbrief gefüllt mit Zitaten von Ärzten, der Justiz und der Polizei – die sich allesamt negativ zur Legalisierung äußern. „Wenn von einem Abgeordneten zum Ankiffen eingeladen wird, und den Briefkopf ein Brokkoli ziert anstelle des Bundesadlers, läuft doch etwas falsch“, sagt Ludwig auf OVB-Anfrage. „Als hätten wir keine anderen Probleme zu lösen. Aber dafür reicht es dann nicht, dann feiert man sich eben für Cannabis. Das ist Klamauk statt Regierungsarbeit.“
Gesetz an einigen Stellen „arg kompliziert“
Für „Klamauk“ halten die drei Interessenten beim „Ankiffen“ das Gesetz nicht. „Ich bin kein Kiffer, aber das Thema interessiert mich“, sagt der Manfred (67) aus Raubling. Er habe sich auch schon über eine Mitgliedschaft im Cannabis-Social-Club in Raubling informiert, diese war ihm dann aber mit über 100 Euro pro Monat zu teuer. „In der Jugend habe ich mal ein bisschen Haschkuchen probiert, mehr Kontakt hatte ich aber noch nicht damit.“ Er plane auch in Zukunft nicht zu konsumieren.
Der 30-jährige Florian hatte dagegen bereits mehrere Berührungspunkte. Er wäre am Eigenanbau interessiert – die Regeln sind ihm allerdings noch zu unklar, weshalb er vorerst noch vorsichtig ist. „Es gibt noch einige Lücken und Unklarheiten im Gesetz. Viele wissen nicht, wie sie es einschätzen sollen“, sagt er. Mitglied in einem Club ist er noch nicht. Er möchte vorerst abwarten, wie sich die Clubs entwickeln – denn Cannabis kaufen kann man bisher in keinem Verein in der Region. Dass das Gesetz an einigen Stellen „arg kompliziert geworden“ ist, gibt auch Bär zu. Er rechnet damit, dass sich Detailfragen im Laufe der Zeit klären lassen.
