Drogen: Exklusiv-Interview mit Ates Gürpinar
„Cannabis weniger gefährlich als Alkohol und Tabak“? Rosenheimer Politiker attackiert Ampel
Der Konsum von Cannabis in Deutschland wird ab April legalisiert, jedoch nur im privaten Rahmen und für Vereine. Kritik daran gibt es von dem Rosenheimer Bundestagsabgeordneten Ates Gürpinar (Linke). Er wünscht sich mehr Mut – und geht mit der Ampel-Koalition hart ins Gericht.
Rosenheim – Ab Montag, 1. April, soll Cannabis entkriminalisiert werden. Das neue Gesetz erlaubt Volljährigen 25 Gramm der Droge bei sich zu führen und 50 Gramm zu Hause aufzubewahren. Freizeitgärtnern wird der Anbau von drei Pflanzen erlaubt. Doch es wird auch weiterhin zahlreiche Einschränkungen geben. So ist der öffentliche Konsum beispielsweise nur an bestimmten Orten erlaubt. Neben Lob gibt es deshalb auch Kritik vom Rosenheimer Bundestagsabgeordneten Ates Gürpinar.
Was sagen Sie zur Cannabis-Legalisierung?
Ates Gürpinar: Wir sehen es als großen Erfolg, dass Cannabis jetzt zumindest in Teilen legalisiert wurde. Das ist ein Schritt nach vorne, auch wenn wir uns mehr erwartet hätten. Die Koalition hatte eine vollumfängliche Cannabislegalisierung versprochen. Davon kann nun keine Rede mehr sein. Verstöße gegen die niedrigen Besitzgrenzen führen weiterhin zu hohen Geld- oder Freiheitsstrafen. Konsum im öffentlichen Raum soll nahezu verunmöglicht werden, was auch für die Polizei einen enormen Arbeitsaufwand bedeutet. Auch die bürokratischen Hürden für Anbauvereinigungen sind immens. Und die Teillegalisierung bedeutet eben auch, dass es leichter ist, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen.
Experten vermuten zudem noch weitere negative Auswirkungen.
Gürpinar: Befürchtet wird, dass der Verkauf auf dem Schwarzmarkt aufgrund der Teillegalisierung eben nicht so zurückgeht wie ursprünglich erhofft. Das zögerliche Handeln der Regierung ist deshalb in meinen Augen ein Problem.
Bleiben wir kurz beim Schwarzmarkt. Bereitet Ihnen die Entwicklung Sorgen?
Gürpinar: Ja, auf jeden Fall. Es ist bislang nach wie vor so, dass Millionen Menschen in Deutschland Cannabis konsumieren. Manche regelmäßiger als andere. Das Problem bei Cannabis ist – im Vergleich zu anderen Drogen – weniger die Substanz selbst, sondern vor allem in der Verunreinigung. Und die entsteht nun einmal vor allem auf dem Schwarzmarkt. Deshalb müssen wir es uns zur Aufgabe machen, dass die Nutzung so wenig gesundheitsgefährdend wie möglich ist. Aber je mehr sich die Droge auf dem Schwarzmarkt verbreitet, desto gefährlicher ist der Konsum. Das gilt übrigens auch bei anderen Drogen.
Bringt eine Legalisierung von Cannabis denn überhaupt Vorteile mit sich?
Gürpinar: Ja, auf jeden Fall. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Drogen, die nicht kriminalisiert werden, weniger gesundheitsgefährdend sind. In Portugal hat diese Entscheidung beispielsweise zu einem massiven Rückgang von Drogentoten geführt. Auch wenn es hier nicht um Cannabis, sondern um andere Drogen ging.
Kritiker sorgen sich, dass durch eine Legalisierung noch mehr Menschen zum Cannabis greifen.
Gürpinar: Es geht ja nicht darum, dass man Cannabis plötzlich in jedem Supermarkt kaufen kann. Es geht auch nicht darum, mit dem Verkauf Profit zu schlagen. Wenn der Fokus darauf liegen würde, wäre die Sorge ganz klar berechtigt, dass der Konsum steigt. Es geht eher um die Möglichkeit zum Eigenanbau für den persönlichen Bedarf. Es geht nicht darum, große Geschäfte zu machen. Zudem darf man nicht vergessen, dass ein Großteil der wissenschaftlichen Suchtforscher gesagt hat, dass eine Entkriminalisierung sinnvoll ist.
Müssen Entkriminalisierung und Präventionskampagnen nicht Hand in Hand gehen?
Gürpinar: In meinen Augen fehlt es an einem gut durchdachten Präventionskonzept. Karl Lauterbach hat große Präventionskampagnen angekündigt, aber nicht erklärt, wo er die finanziellen Mittel dafür herbekommen möchte. Das sind Dinge, die man definitiv kritisieren muss. Wir brauchen eine gute Prävention, aber ich glaube auch, dass die Entkriminalisierung von Cannabis eine Möglichkeit ist, Kinder und Jugendliche vor dem Konsum zu schützen, weil eine deutlich bessere Aufklärung ermöglicht wird. Die Kriminalisierung von Cannabis hat in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass die Substanz weniger genutzt wurde.
Die Hürden für die Gründung von Cannabis-Clubs scheinen auch nach der Legalisierung noch sehr hoch zu sein.
Gürpinar: Die Hürden dürften auf keinen Fall so hoch sein. Der bürokratische Aufwand ist immens, viele Menschen scheuen sich davor. Das wiederum führt dazu, dass der Schwarzmarkt weiter genutzt wird.
Wird die Entkriminalisierung auch die Polizei vor Probleme stellen?
Gürpinar: Tatsächlich war mir das am Anfang gar nicht so bewusst. Ich bin davon ausgegangen, dass, es bei einer Legalisierung von Cannabis deutlich weniger für die Polizei zu tun gibt. Mittlerweile wurde ich eines Besseren belehrt. Denn das neue Gesetz beinhaltet so viele unterschiedliche Regeln. Beispielsweise wie viele Pflanzen daheim angebaut werden dürften oder was man bei der Gründung eines Cannabis-Clubs alles beachten muss. Mich ärgert die Tatsache, dass es bei Alkohol und Tabak keinerlei Grenzen gibt, auf die man achten muss. Das ist abstrus.
Wie meinen Sie das?
Gürpinar: Niemand schreibt mir vor, wie viele Flaschen Spirituosen ich zu Hause aufbewahren darf. Genau diese Logik gibt es aber bei Cannabis. Und genau deshalb muss mehr kontrolliert werden, was zu einer zusätzlichen Belastung der Polizei führt. Eine Legalisierung von Cannabis wird die Gesellschaft nicht zerstören, sondern zu einem normaleren Umgang beitragen. Menschen lassen sich durch das Verbot ja nicht vom Konsum abhalten. Im Gegenteil. Der Weg des Verbots ist in meinen Augen gescheitert. Wir brauchen deshalb eine echte Legalisierung.
Wie sollte es Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen?
Gürpinar: Die Ampel-Koalition sollte, wie ursprünglich angedacht, Modellprojekte schaffen. Also zum Beispiel Fachgeschäften zu erlauben, Cannabis zu verkaufen. Das würde in Teilen bereits zu einer Normalisierung führen. Fest steht: Cannabis ist im Vergleich zu Tabak und Alkohol die weitaus weniger gefährliche Droge. Der Weg zu einem rationalen Umgang mit Drogen ist nicht, die Drogen zu verbieten, sondern genügend Prävention und Gesundheitsschutz anzubieten.