Otto Lederer im Interview zur Bruckmühler Sporthalle
Flüchtlingsunterkunft in Bruckmühl: Ab wann der Landrat eine Freigabe der Halle für möglich hält
Der Unmut über die fortdauernde Nutzung der Turnhalle des Bruckmühler Gymnasiums als Flüchtlingsunterkunft steigt. Schule, Eltern und Vereine fordern vehement die Freigabe für den Sport. Landrat Otto Lederer sieht aktuell keine Möglichkeit dafür, hat aber eine leise Hoffnung.
Bruckmühl – Für zwei Drittel der Bruckmühler Gymnasiasten fällt der Sportunterricht in den kommenden Monaten ersatzlos aus, denn die Sporthalle steht nach wie vor nicht mehr zur Verfügung. Schulleitung und Elternbeirat schlagen Alarm, wollen sich mit der Situation nicht länger abfinden. Der Appell an den Landkreis Rosenheim: Mehr Solidarität und Freigabe der Halle, die nach 2015/2016 seit März 2022 erneut als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Für Landrat Otto Lederer ein Problem, das sich derzeit nicht lösen lässt.
Herr Lederer, der Landkreis ist einerseits mit der Flüchtlingsunterbringung am Anschlag, andererseits ist er mit dem zunehmenden Unmut von Schulen, Eltern und Vereinen konfrontiert, die ihre zu Unterkünften umfunktionierten Sportstätten wieder zurückhaben wollen.
Otto Lederer: Mir ist bewusst, dass die Belegung der Turnhallen eine große Belastung für den Schul- und Breitensport ist. Die Sorgen und Nöte der Eltern nehmen wir sehr ernst. Auch wir sind mit der Situation mehr als unzufrieden. Derzeit muss der Landkreis aber – leider noch immer – Asylbewerber und geflüchtete Menschen aus der Ukraine zunächst in Turnhallen unterbringen und dann versuchen, sie schnellstmöglich zu verlegen, entweder in Wohnraum, den das Landratsamt anmietet, oder in Pavillons beziehungsweise Container-Anlagen. Der Wohnungsmarkt ist allerdings sehr angespannt. Das Landratsamt Rosenheim hat derzeit annähernd 280 Liegenschaften angemietet, um die Menschen unterzubringen und dennoch befinden sich momentan noch über 200 Personen in Turnhallen des Landkreises.
Eine dauerhafte Lösung?
Otto Lederer: Die Turnhallen waren und sind zwar eine notwendige und wichtige Option, um die Schutzsuchenden und Geflüchteten kurzfristig unterzubringen. Ziel aber ist, die Menschen schnellstmöglich aus dieser Situation heraus in adäquate und bedarfsgerechte Wohnverhältnisse zu bringen und ihnen einen Platz zum Leben und Wohnen anzubieten. Wir geben unser Bestes, diese Situation im Rahmen unserer Möglichkeiten zu ändern. Aus diesen Gründen sind wir dauerhaft auf der Suche nach geeigneten Unterkünften oder Grundstücken, die sich für die Unterbringung von Geflüchteten eignen. Hierzu haben wir mehrfach aufgerufen, der Behörde entsprechende Angebote zu melden. Man merkt deutlich, dass im Sommer die Angebote, insbesondere bezüglich größerer Objekte, zurückgegangen sind.
Weshalb stellen die Räumlichkeiten des leerstehenden Altenheims in Bruckmühl keine Alternative für eine Flüchtlingsunterkunft dar?
Otto Lederer: Das Objekt wurde dem Landratsamt 2022 vom Eigentümer, dem Bezirk Oberbayern, zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten, allerdings mit einer Nutzungsdauer von nur einem halben Jahr. In dem Objekt gibt es seit 2020 keine Wasserversorgung mehr, eine Ertüchtigung der Leitungen war nicht möglich. Es hätte eine provisorische Neuinstallation der kompletten Wasserversorgung erfolgen müssen. Die Kosten für die Instandsetzung waren im Verhältnis zur Nutzungsdauer nicht verhältnismäßig.
Weshalb ist die Turnhalle des Gymnasiums Bruckmühl weiterhin betroffen, während andere Landkreishallen den Schulen weiterhin für den Sport zur Verfügung stehen? In Bruckmühl fällt hier vielfach das Stichwort „Solidarität“.
Otto Lederer: Bis Februar 2022 waren wir auf einem sehr guten Level: Der Landkreis Rosenheim hat alle Schutzsuchenden adäquat unterbringen können. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Situation schlagartig geändert. Innerhalb kürzester Zeit mussten Tausende ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden. Nachdem andere Unterbringungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung standen, war eine Unterbringung in landkreiseigenen Turnhallen alternativlos. Dabei wurde auf Hallen zurückgegriffen, die dafür geeignet sind und bereits 2015 belegt waren. Die hierfür notwendige Infrastruktur zur Einrichtung stand deshalb kurzfristig zur Verfügung. Glücklicherweise konnte die Turnhalle in Prien mit Beginn des neuen Schuljahres der eigentlichen Nutzung wieder zugeführt werden, so dass derzeit „nur noch“ Bruckmühl und Raubling belegt sind.
Pro Monat bis zu 150 Neuankömmlinge
Aktuell sind laut Landrat Otto Lederer 2907 Flüchtlinge in vom Landratsamt Rosenheim angemieteten Unterkünften untergebracht. Hinzu kommen noch knapp 1500 Ukrainer in Privatunterkünften. Pro Monat werden dem Landkreis Rosenheim derzeit etwa 100 bis 150 Personen zugewiesen, entweder Asylbewerber oder Flüchtlinge aus der Ukraine.
Wie erklären Sie die Situation den Betroffenen, die Möglichkeiten zum Schulsport einfordern? Auch vor dem Hintergrund, dass die zunehmende Bewegungsarmut schon im Kindesalter sowie die daraus resultierenden Folgen für den Einzelnen und das Gesundheitssystem regelmäßig in der öffentlichen Diskussion stehen.
Otto Lederer: Sporthallen wurden gebaut, um Schulen und Vereinen Sportmöglichkeiten zu geben. Auch die landkreiseigenen Sporthallen wurden nicht mit dem Gedanken errichtet, sie als Unterkünfte für Flüchtlinge zu nutzen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Eltern und auch der Elternbeirat für eine Halle einsetzen. Es ehrt die Verantwortlichen, sich für den Sport und ihre Vereinsmitglieder auch in dieser Weise zu engagieren. Niemand kann begeistert sein, wenn eine Sporthalle ihrer eigentlichen Nutzung entzogen wird. Als Landrat habe ich vollstes Verständnis für die Sorgen der Eltern in Bruckmühl – und gerne würde ich ihren Bitten nachkommen.
Tatsache ist aber auch, dass das Landratsamt Rosenheim, wie alle anderen Landkreise und kreisfreien Städte, die ihm zugewiesenen Flüchtlinge unterbringen, versorgen und medizinisch betreuen muss. Wir nutzen Wohnungen und Pensionen, die uns von privater Seite angeboten werden und wir stellen Container auf. Damit gelingt es uns leider nicht, all den Menschen, die pro Monat in den Landkreis kommen, ein Dach über dem Kopf zu besorgen. Dazu benötigen wir – zu meinem großen Bedauern – zusätzlich noch zum Teil die landkreiseigenen Sporthallen. Obdachlosigkeit ist keine Option. Wir lassen Asylbewerber und Flüchtlinge nicht im Regen stehen.
Ist es richtig, dass Sie versprochen haben, dass die Halle in Bruckmühl als erstes wieder freigegeben wird, wenn Sie eine andere Lösung finden?
Otto Lederer: Ja, denn da Bruckmühl bereits seit März 2022 nach Prien am zweitlängsten durch die Belegung belastet ist und die Turnhalle in Raubling erst im November 2022 belegt wurde, ist es für mich selbstverständlich, dass die Bruckmühler Halle als nächstes geräumt wird. Mein großes Ziel aber ist es, beide Turnhallen schnellstmöglich freizugeben.
Und wie könnte/müsste eine Lösung hierfür aussehen?
Otto Lederer: Da derzeit zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden, wie zum Beispiel das alte Krankenhaus in Wasserburg oder Container-Standorte in Pfaffing, Prien und Bruckmühl, hoffe ich, dass die Belegung der Turnhallen mit Beginn des neuen Jahres aufgegeben werden kann – vorbehaltlich natürlich, dass keine höhere Zuweisungsquote auf den Landkreis Rosenheim zukommt.
Nachdem allerdings ein Ende der Flüchtlingsbewegung derzeit nicht absehbar ist: Rechnen Sie damit, auch wieder andere Landkreishallen als Unterkünfte nutzen zu müssen? Was müsste eintreten, damit das geschieht?
Otto Lederer: Ich werde mich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass wir nicht wieder auf Turnhallen zurückgreifen müssen, kann es aber nicht verbindlich versprechen. Dies hängt von der Aufnahmebereitschaft des Bundes und den Zuweisungen der Regierung von Oberbayern sowie den anderweitig zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten ab.
Landrat warnt vor dauerhafter Überforderung
„Die derzeitige Asyl- und Flüchtlingspolitik der Ampelregierung erfüllt mich mit größter Sorge. Während der ohnehin schon zu große Zustrom auch noch durch freiwillige Aufnahmeprogramme und die Einführung zusätzlicher Anreize verschärft wird, werden die Sorgen und Nöte von Bürgern und Kommunen seit Monaten konsequent ignoriert. So ist derzeit trotz anderslautender Ankündigungen der Bundesinnenministerin aktuell kein einziger Asylbewerber oder Flüchtling im Landkreis in einer Liegenschaft des Bundes untergebracht. Bereits die reine Unterbringung der ankommenden Personen stellt uns vor große Herausforderungen.
Die notwendigen Ressourcen für eine tatsächlich wirksame Integration sind inzwischen jedoch bereits auf allen Ebenen überstrapaziert. So fehlen uns nicht nur Wohnungen, sondern beispielweise auch Fachpersonal in Kindergärten, Schulen und im sozialen Bereich. Es ist daher wichtig, dass die Verantwortlichen in Berlin und Brüssel endlich die Realität vor Ort zur Kenntnis nehmen und sich auf tatsächlich wirksame Maßnahmen zur Begrenzung des Zustroms verständigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Staat und Gesellschaft willens und in der Lage sind, eine realistische Anzahl von Menschen bei uns aufzunehmen und nachhaltig in die Gesellschaft zu integrieren. Eine dauerhafte quantitative Überforderung hingegen befeuert populistische und rassistische Positionen und wird weder den Bedürfnissen der aufnehmenden Bevölkerung noch den Hoffnungen der ankommenden Flüchtlinge gerecht.“