Brotprüfung damals und heute
Andere Namen, Trends und weniger Betriebe: Brot im Kreis Rosenheim vor 50 Jahren und heute
In der Ausgabe des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) vom 6. Dezember 1974 findet sich ein ausführlicher Beitrag zur Brotprüfung in Rosenheim in jenem Jahr. Damals traten sehr viel mehr Betriebe als heuer, 50 Jahre später an und auch die damals getesteten Brotsorten kennt man heutzutage teils nicht mehr. Wir haben uns erkundigt, wie sich die Branche in der Region verändert hat.
Rosenheim - „Mit 54 Goldmedaillen und 46 Silbermedaillen kann sich die Rosenheimer Bäckerinnung gegenüber den übrigen Innungen Bayerns sehen lassen. Bei der Brotprüfung, die dieser Tage in den Räumen des Rosenheimer Eisstadion-Restaurants stattfand, haben sich 30 Betriebe aus dem Großlandkreis beteiligt und glänzend abgeschnitten. Bereits in den Vorjahren hat Prüfmeister Günter Schorr vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks in Stuttgart festgestellt, daß die Bäcker des Stadt- und Landkreises Rosenheim zu den Besten im süddeutschen Raum zählen“, schreibt der 2021 verstorbene Werner Krämer in seinem Bericht, der am 6. Dezember 1974 im Oberbayerischen Volksblatt (OVB) erschien. „Insgesamt waren diesmal 124 Sorten zu prüfen.“
„Obermeister Anton Zanker aus Großkarolinenfeld sagte, daß die Bäckerinnung Rosenheim weiterhin bestrebt ist, den Kundenwünschen entgegenzukommen. Die große Brotauswahl — und hierbei handelt es sich vielfach um ausländische Sorten —führt Zanker auf die zahlreichen Auslandsurlaube der Deutschen zurück. In die Heimat zurückgekehrt, möchten sie beispielsweise die liebgewonnenen ‚Vinschgauer-Brettl‘ oder das französische Stangenbrot nicht missen. Das Bäckerhandwerk im Raum Rosenheim hat sich vor Jahren schon auf den Zeitgeschmack eingestellt und erfüllt seither weitgehend die vielfältigen Wünsche seiner Kunden“, so der Bericht weiter.
Andere Namen, Trends und weniger Betriebe: Brot im Kreis Rosenheim vor 50 Jahren und heute
„Auch die modernen Kochbücher zeigen zahllose Rezepte für ‚Schlemmer-Toast‘ und ‚Illustrierte Brote‘. Nach der ‚Freßwelle‘ kam die ‚Gesundheitswelle‘. Manches vorher hochgeschätzte Nahrungsmittel blieb dabei auf der Strecke, nicht aber das Brot! Denn mit Brot läßt sich auch auf gesunde Weise schlemmen. Und an Abwechslung fehlt es, wie es die Bäckerinnung Rosenheim bewiesen hat, keineswegs“, schreibt Krämer, unter anderem, außerdem.
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Auch in diesem Jahr war in Rosenheim wieder das Brot aus der Region auf seine Qualität geprüft worden. Sieben Bäckereien hatten über 80 ihrer Produkte zum Testen abgegeben. Die Prüfung fand in der „meine Volksbank“ in Rosenheim statt. Vor 50 Jahren und heute spielte dabei die Familie Steffl eine Rolle. 1974 fand sie sich in der, damals noch langen, Liste der heimischen Bäckereibetriebe noch Toni Steffl. Heuer war nun in seiner Rolle als Ehrenobermeister der Bäcker-Innung Rosenheim Hubert Steffl mit dabei. Dessen Sohn Florian Steffl wiederum führt inzwischen den Familienbetrieb, die „Hofbäckerei Steingraber“, inzwischen in der fünften Generation. „Da wird man schon nostalgisch“, meint er angesichts des Berichts von vor 50 Jahren.
„Das angebotene Sortiment hat sich natürlich auch etwas gewandelt“
„An sich hat sich an der Tatsache, dass unser Bäckerhandwerk einen sehr großen und wichtigen Stellenwert in der Bevölkerung hat, in den letzten Jahren nichts geändert. Weniger sind allerdings die produzierenden Betriebe geworden, dafür ist der Filiale-Betrieb gewachsen, damit unsere Kunden sich flächendeckend mit frischen und gesunden Backwaren versorgen können. Das angebotene Sortiment hat sich natürlich auch etwas gewandelt. Wobei alte Klassiker nach wie vor sehr gefragt sind“, meint Florian Steffl, „Die Bäcker von heute haben, genau wie die Kollegen von früher, die Herausforderung zu jeder Zeit beste handwerkliche Qualität für die Kunden zu produzieren.“
„Und wie es damals heißt, dass diverse Brot-Sorten-Ideen aus Urlaubsreisen mitgebracht wurden, ist heute zwar im Internet-Zeitalter nicht mehr so relevant, aber dennoch sind die Bäcker immer nah am Zeitgeist, was die Sortimentsgestaltung angeht. In Deutschland gibt es mittlerweile rund 3000 verschiedene Brotsorten. Dies zeigt meiner Meinung nach schon von einer wichtigen Stellung des Bäckerhandwerks in der Bevölkerung“, so Steffl weiter, „Mit den Trends ist es so eine Sache. Hier kommen und gehen viele. Manche bleiben, manche sind nach kürzester Zeit wieder weg. Themen wie Vegan, Glutenfrei, Bio und so weiter haben unsere Kollegen vor 50 Jahren sicherlich noch nicht beschäftigt.“
„Im Grunde noch die gleichen Kriterien und Produkte“
„Heute wird das alles immer wichtiger, um eine möglichst breite Masse der Kunden-Wünsche erfüllen zu können. Und genau wie früher auch sind die Bäcker von heute gefragt zu erkennen, welcher Trend sich durchsetzt und was es ins Sortiment schaffen soll. Die Kundenwünsche sind oft doch sehr vielfältig. Gerade im medialen Zeitalter von heute gibt’s ja sämtliche Informationen und Trends weltweit auf Knopfdruck aufs Handy oder den PC“, so Steffl abschließend, „Für mich ist am wichtigsten, dass sich die Bäcker auf ihr Handwerk besinnen und den Kunden ehrliche, selbst hergestellte Backwaren anbieten UND das sich keiner von uns hinter unserem geliebten Bäcker-Beruf verstecken muss. Corona ist da immer ein wichtiges Beispiel für mich, weil eben gerade die Bäcker arbeiten durften, um die Versorgung sicherzustellen. Dies hat unserem Handwerk meiner Ansicht nach nochmal einen guten Aufschwung gebracht“
„Im Grunde prüfen wir noch nach den gleichen Kriterien wie damals und im Grunde auch noch die gleichen Produkte“, meint Brotprüfer Manfred Stiefel vom Deutschen Brotinstitut, der auch bei der Prüfung in Rosenheim in diesem Jahr mit testete, „Auch wenn es heuer weniger Betriebe sind, kann man erfreulicherweise viele weiterhin bekannte Namen von Familien in der Liste finden.“ Was durchaus auffällt: Vor 50 Jahren ist der überwiegende Teil der Brotnamen noch beschreibend, wie „Roggenbrot“, „Steinmetzbrot“ oder „Korbbrot“, heutzutage geht der Trend dagegen immer mehr zu abstrakten Namen. „Oh ja, wie viele ‚Opa soundso‘ oder ‚Oma soundso‘-Brote ich immer wieder teste ...“, lacht Stiefel darauf angesprochen, „Das ist halt der heutige Zeitgeist, die Leute wollen etwas kaufen, bei dem, bei den ‚Opa und Oma‘-Broten etwa, ein Gefühl von Tradition und so weiter mitschwingt.“
Gesundheitliche Aspekte wichtiger, denn je
In der heutigen globalisierten Welt seien viele der Brotsorten, die den Menschen 1974 noch exotisch vorkamen, inzwischen ganz alltäglich geworden. „Damals war ja offenbar ein Baguette oder ein Ciabatta noch etwas besonderes, heutzutage hat das fast jeder im Sortiment. Auch innerhalb Deutschlands hat sich viel getan: Beispielsweise eine Bretze können sie jetzt auch in Berlin kaufen, wenn auch vielleicht nicht in der Art, wie man sie in Bayern kriegt.“ Gleichzeitig sei es so, dass deutsche Backkunst weltweit Anklang fände. „Die Deutsche Brotvielfalt ist ja, mit vollem Recht, seit 2014 Teil des immateriellen Kulturerbes.“
Schließlich seien da noch die genannten Trends hin zur Berücksichtigung von gesundheitlichen Aspekten und als Teil einer gesunden Ernährungsweise. „Das ist ja unverändert so, wenn nicht sogar noch sehr viel stärker“, meint Stiefel, „Wenn wir eine öffentliche Brotprüfung machen, sind inzwischen die am meisten gestellten Fragen, ob bestimmte Inhaltsstoffe, auf welche die Leute allergisch sind oder die als ungesund gelten, enthalten sind.“ Alles in allem sieht er die Brotkultur und die Bäckerei-Branche ebenso wie Steffl gut aufgestellt. „Ja, das ‚täglich Brot‘ mag nicht mehr ganz so zentral in der Ernährung sein aber es spielt weiter eine wichtige Rolle.“ (hs)
