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Brennerdialog-Sprecher entsetzt über „Nichtwissen“

Brenner-Nordzulauf: So schmettert der Bundestag die Petition der Bürgerinitiativen ab

Die Petition der Bürgerinitiativen gegen den neuen Brenner-Nordzulauf wurde vom Bundestag abgelehnt.
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Die Petition der Bürgerinitiativen gegen den neuen Brenner-Nordzulauf wurde vom Bundestag abgelehnt.

Über 35.000 Unterschriften hatten die Bürgerinitiativen gegen den Brenner-Nordzulauf gesammelt – vergebens. Der Bundestag hat die Petition abgelehnt. Über die Gründe und was die Abgeordneten Daniela Ludwig und Ates Gürpinar dazu sagen.

Rosenheim/Berlin – Im Jahr 2019 – also vor knapp fünf Jahren – hat die Bürgerinitiative Brennerdialog eine Petition im Deutschen Bundestag eingereicht. Jetzt ist die Entscheidung endlich da. Gute Nachrichten gibt es für die Bürgerbewegung gegen die Neubaustrecke allerdings nicht. Die Petition wurde abgelehnt. Über 35.000 Menschen hatten laut Angaben des Brennerdialog e. V. unterzeichnet. Doch die Forderung, auch die Bestandsstrecke als Planungsalternative in Betracht zu ziehen, schmettert der Bundestag mit der Ablehnung ab.

Brennerdialog-Sprecher lobt Gürpinar

Als Rückschlag wertet der Brennerdialog-Vorsitzende Lothar Thaler das allerdings nicht. „Es ist eher eine weitere Motivation, noch mehr zur Aufklärung unserer Bundespolitik beizutragen“, sagt er auf OVB-Anfrage. „Das ist schon erschreckend, wie viel Nichtwissen da vorhanden ist und auf welcher Basis dort Entscheidungen getroffen werden.“

Daher will die Bürgerinitiative künftig noch mehr auf die Bundespolitiker zugehen. Auch auf die lokalen Bundestagsabgeordneten, wie beispielsweise Bärbel Kofler (SPD) aus Freilassing. „Sie hat noch nicht verstanden, worum es eigentlich geht“, sagt Thaler. Nur positive Worte findet Thaler für den Linken-Bundestagsabgeordneten Ates Gürpinar. „Das ist einer der wenigen von seinen Kollegen, die auch mal kritisch bei der Regierung nachfragen.“ Das macht Gürpinar selbst auch in Bezug auf die Ablehnung der Petition noch einmal deutlich. „Ich bedaure die Entscheidung des Petitionsausschusses und des Bundestages. Gleichwohl ist sie nicht verwunderlich“, sagt er auf OVB-Anfrage und schießt auch direkt gegen seine regionalen Kollegen aus dem Bundestag. „Auch wenn einige Ampelvertreter im Raum Rosenheim das Feigenblatt spielen, vertritt die Koalition mit ihrer Mehrheit die Position des Ausbaus.“ Konkret meint er, dass „es auch vor Ort verschiedene Mitglieder der Ampel-Parteien gibt, die auch gegen den Brenner-Nordzulauf eintreten“ – und das, obwohl die Koalition in Mehrheit eher für den Ausbau ist.

Daniela Ludwig hält weiter an Kernforderungen fest

Auch die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) äußert sich und erklärt auf Anfrage, dass sie trotz der Ablehnung weiter an den vom Rosenheimer Kreistag beschlossenen Kernforderungen festhält. „Sie enthalten die zentrale Forderung, den grundsätzlichen Nachweis zu erbringen, dass für die Umsetzung des Nordzulaufs eine Neubaustrecke erforderlich ist. Das ist auch meine Position, daran ändert der Beschluss des Petitionsausschusses nichts.“ Sollte es im Bundestag im Jahr 2025 zur Entscheidung für einen Neubau kommen, gelten für sie weiterhin die Kernforderung von Stadt und Landkreis Rosenheim.

Mit Ludwig gab es noch keine Gespräche, erklärt Thaler. Er merkt allerdings einen wichtigen Punkt aus dem Ablehnungsbescheid der Petition an. Dort heißt es nämlich am Ende: „Der von den Fraktionen der CDU/CSU und der AfD gestellte Antrag, die Petition der Bundesregierung […] zur Erwägung zu überweisen, ist mehrheitlich abgelehnt worden.“ Heißt also: Die Fraktion um Daniela Ludwig hat die Petition nicht abgelehnt.

Hochgeschwindigkeitsstrecke für zehn Prozent der Züge?

Für die Bürgerinitiativen ist ein großer Kritikpunkt an der Ablehnung die Szenarienstudie 2050, die im Bescheid aufgeführt wird. Dieser Studie zufolge steigt der Güterverkehr nach Fertigstellung des Brenner-Basistunnels so stark an, dass die Kapazitätsgrenze der Bestandsstrecke erreicht wird. Zudem merkt der Petitionsausschuss an, dass es mit der Bestandsstrecke nicht möglich wäre, in Zukunft attraktive Fernverkehrsangebote bereitzustellen.

Hier widersprechen die Verantwortlichen der Bürgerinitiativen allerdings vehement. Die Studie sei „mit ihren weit überhöhten Prognosen überholt“. Die BCP-Studie (Brenner Corridor Platform) vom Dezember 2021 sei „wesentlich realistischer“. Dieser Studie zufolge verkehren auf der Strecke Rosenheim – Wörgl im Jahr 2040 insgesamt 370 Züge pro Tag. Nur zehn Prozent davon wären der Studie zufolge Personenfernverkehrszüge, welche die Geschwindigkeit von 230 Kilometer pro Stunde erreichen könnten. Hintergrund ist, dass nach Meinung der Trassengegner nur Züge, die ohne Halt zwischen München und Innsbruck fahren können, auch die Geschwindigkeit nutzen können, die die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke bieten würde.

„Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb attraktive Fernverkehrsangebote nur mit einer Fahrzeiteinsparung von sehr wenigen Minuten zu erreichen wären, mit Zügen, in die man fast nirgends einsteigen kann und die größtenteils Tunnelstrecken befahren“, heißt es in der Stellungnahme der Bürgerinitiativen. Der Bundestag argumentiert allerdings auch damit, dass mit der Bestandsstrecke allein die „Ausbauziele des Bundesverkehrswegeplans sowie die Ziele des Deutschlandtaktes nicht erreicht werden“.

Entlastung des Knotenpunkts Rosenheim

Weiter wird damit argumentiert, dass bei einem Ausbau der Bestandsstrecke auch der hoch belastete Knoten Rosenheim nicht entlastet werden könne. „Trotz dieses hohen Aufwandes und hoher Kosten zum faktischen Neubau von 29 km Strecke würden zwischen Rosenheim und Kufstein nach wie vor 23 km Zweigleisigkeit bestehen bleiben“, heißt es zum Ausbaukonzept der Bürgerinitiativen. Auch „mehrjährige massive Einschränkungen des Bahnverkehrs während der Bauphase“ werden als Gegenargument des Bundestags angebracht.

Dennoch: Aufgeben, kommt für Thaler nicht infrage. „Es motiviert uns eher, als jetzt in Schockstarre zu verfallen. Wir recken den Kopf eher noch mehr nach oben.“ Auch Gürpinar möchte sich weiter gegen den Neubau einsetzen. „Die Auseinandersetzung ist damit nicht am Ende – im Gegenteil. Insbesondere der Konflikt zwischen Ampel, Deutsche Bahn und Union kann zur Folge haben, dass der Nordzulauf zum nächsten Betongrab gescheiterter Verkehrspolitik wird“, sagt der Linken-Politiker. „Aus Stuttgart 21 und der Stammstrecke München müssen wir lernen.“

Was ist der Deutschlandtakt?

Der Deutschlandtakt ist ein geplantes Konzept für den Schienenverkehr in Deutschland, das auf einen integrierten Taktfahrplan abzielt. Ziel ist es, durch abgestimmte Fahrpläne und häufigere Verbindungen ein schnelles, zuverlässiges und landesweit vernetztes Bahnangebot zu schaffen. Alle Züge – vom Fernverkehr über den Regionalverkehr bis hin zum S-Bahn-Verkehr – sollen dabei so getaktet werden, dass sie an Knotenpunkten zeitgleich ankommen und abfahren. Dadurch ergeben sich für Reisende kürzere Wartezeiten und bessere Anschlüsse, was den öffentlichen Personenverkehr insgesamt attraktiver machen soll.

Das versteht man unter dem Bundesverkehrswegeplan

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist ein Instrument der deutschen Verkehrspolitik und legt fest, in welche Infrastrukturprojekte des Bundes (Straßen, Schienenwege und Wasserstraßen) in den nächsten 10 bis 15 Jahren investiert wird. Er wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert und dient als Grundlage für die langfristige Planung und Finanzierung von Neubau-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen. Der BVWP setzt Prioritäten, um eine effiziente, umweltfreundliche und sichere Mobilität zu gewährleisten, und trägt dazu bei, die Voraussetzungen für den Deutschlandtakt im Schienenverkehr zu schaffen.

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