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Nachgefragt in Tuntenhausen

„Bin relativ hoffnungslos!“ Das denken Brenner-Nordzulauf-Betroffene nach Anhörung in Berlin

Seit Jahren wird im Landkreis Rosenheim gegen den Brenner-Nordzulauf protestiert wird. Am Mittwoch, 16. Oktober, beschäftigte sich der Verkehrsausschuss des Bundestags mit dem Großprojekt. Die dortigen Ausführungen verfolgten unter anderem der Stettener Landwirt Sebastian Kendlinger (oben), hier mit Tochter Rosalie, und Tuntenhausens Bürgermeister Georg Weigl aufmerksam.
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Seit Jahren wird im Landkreis Rosenheim gegen den Brenner-Nordzulauf protestiert. Am Mittwoch, 16. Oktober, beschäftigte sich der Verkehrsausschuss des Bundestags mit dem Großprojekt. Die dortigen Ausführungen verfolgten unter anderem der Stettener Landwirt Sebastian Kendlinger (oben), hier mit Tochter Rosalie, und Tuntenhausens Bürgermeister Georg Weigl aufmerksam.

In Tuntenhausen wurde die Sitzung des Verkehrsausschusses zum Brenner-Nordzulauf aufmerksam verfolgt. Durch die Trassenführung stehen landwirtschaftliche Flächen und der Ostermünchner Bahnhof auf dem Spiel. So ist die Gefühlslage bei den Betroffenen.

Tuntenhausen/Berlin – Wie ein Schreckgespenst sitzt der geplante Brenner-Nordzulauf der Region seit Jahren im Nacken. Nicht so ganz greifbar, aber immer präsent. Und äußerst bedrohlich, wie Bürger an der geplanten Trasse, die letztlich Züge in Richtung des derzeit entstehenden Brenner-Basistunnel führen soll, berichten. Wie beispielsweise in Tuntenhausen, wo Bauern aufgrund des Projekts um ihre landwirtschaftlichen Flächen fürchten und der Bahnhof Ostermünchen in Hinblick auf die Trassenführung verlegt werden soll. Kein Wunder also, dass sich auch der Blick vieler Tuntenhausener am Mittwoch, 16. Oktober, gen Berlin gerichtet hat. Dort beschäftigte sich der Verkehrsausschuss des Bundestags mit dem umstrittenen Projekt.

Auch Tuntenhausens Bürgermeister Georg Weigl ( CSU/FW) verfolgte selbstverständlich aufmerksam die Ausführungen der vom Ausschuss geladenen Experten. Und das, obwohl er zeitgleich bei einem Seminar gefordert war. „Leicht positiv gestimmt“ – so umschrieb der Rathauschefs seine Stimmungslage nur wenige Minuten nach dem Ende der Ausschusssitzung gegenüber dem OVB. Schließlich habe er im Zuge der Ausführungen „vernommen, dass die Inn-Untertunnelung schon möglich und realisierbar wäre“.

Kritik an massiven Grundstücksverlusten für die Landwirte

Die Unterquerung des Inns durch die Bahntrasse im Norden Rosenheims – eine Kernforderung, die seitens der Kommune immer wieder auf den Tisch gebracht worden ist. „Ich bin da immer noch optimistisch“, betonte daher Weigl nur wenige Tage vor der Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags auf OVB-Anfrage. „Dadurch hätten unsere Landwirte nicht diese großen Grundstücksverluste, wie in der aktuellen Planung.“

Der Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen – eine Horrorvision, die unter anderem die Landwirte-Familie Kendlinger mit ihrem Lippnhof bei Stetten seit der Präsentation des Trassenverlaufs um den Schlaf bringt. Eigentlich war Sebastian Kendlinger junior in den vergangenen Tagen mit wichtigen Erntearbeiten, für die er das trockene Wetter ausnutzen musste, bereits vollends ausgelastet. Trotzdem hatte der Landwirt im Lauf des Mittwochs hin und wieder seine Whatsapp-Meldungen gecheckt, um über die Entwicklungen in Berlin auf dem Laufenden zu bleiben. Seine ernüchternde Bilanz: „Ich glaube nicht, dass diese Gespräche zu Veränderungen bei der Planungen führen“, sagt der Landwirt. „Ich habe den Eindruck: Es bleibt alles so, wie es sowieso geplant ist.“

Wieso das Thema Bio-Landwirt Kendlinger so umtreibt, wird mit einem Blick auf die geplante Trassenführung schnell deutlich: Auf seinen gepachteten Flächen soll der neue Bahnhof gebaut werden, der den bisherigen Bahnhof in Ostermünchen ersetzen soll. Seine hofnahen Weiden in Stetten müssen der Neubautrasse weichen. Wie viel von knapp 50 Hektar Fläche, die er für den Hof mit mehr als 50 Milchkühen und Kälbern braucht, überhaupt übrig bleibt, ist weiterhin unklar. Er ist sich aber sicher: „Wir verlieren die Grundlage für unsere Bio-Landwirtschaft.“

„Da verliert man langsam die Lust an seinem Beruf“

Daher teilt Kendlinger auch nicht den vorsichtigen Optimismus des Tuntenhausener Bürgermeisters. „Wenn die Trasse bei uns unterirdisch geführt würde, sieht das vom Erscheinungsbild natürlich in zehn Jahren besser aus, als wenn sie an der Oberfläche läuft“, sagt der Betreiber des Lippnhofs. „Aber was ist während der Bauphase? Es ist meine Hauptweide, an der gebaut werden muss.“ Sein bitteres Fazit: „Ich bin relativ hoffnungslos, dass uns noch irgendwie geholfen wird“, so Kendlinger gegenüber dem OVB. „Da verliert man langsam auch die Lust an seinem Beruf.“

Was ihn seit Jahren besonders umtreibt? Sein Gefühl, dass sich seitens der Entscheider niemand für die Lage in der Region interessiert. „Die Bahn-Planer stellen es immer so dar, als würden sie die Öffentlichkeit einbeziehen“, sagt der Stettener Landwirt. „Warum gehen sie dann nicht zu den Betroffenen raus? Sie sehen ja auf ihren Karten genau, wen es besonders erwischt.“ Aus seiner Sicht sei rund um das Projekt Brenner-Nordzulauf der größte Fehler gewesen, der Bahn selbst die Planungen zu überlassen, und nicht „jemanden, der viel unabhängiger ist“, das zu überlassen. So, wie es jetzt laufe, würden die meisten Einwände aus der Region „einfach ignoriert“.

Bürgermeister Georg Weigl sieht möglichen Zeitdruck als große Gefahr

Tuntenhausens Bürgermeister Weigl hofft zwar weiterhin, dass die Einwände seiner Kommune seitens der Planer und der politischen Entscheider nicht ignoriert werden. Eine Sache könnte nach Einschätzung des Rathauschefs aber eine aus Sicht der Gemeinde bessere Trassenführung zunichtemachen. Und zwar der Zeitdruck. „Es ist deutlich herausgekommen, dass alle geladenen Sachverständigen und Vertreter – mit Ausnahme von Rosenheims Landrat Otto Lederer – keine zeitliche Verzögerung wollen“, so Tuntenhausens Bürgermeister. „Und da könnte die Gefahr bestehen, dass der zeitliche Druck eine bessere Lösung verhindern könnte.“

Zumal Weigl neu war, dass sich der Bundestag bereits im Frühjahr 2025 – also noch in der laufenden Legislaturperiode – mit dem Projekt befassen will. „Ob das gut oder schlecht ist, sei jetzt erst einmal dahingestellt“, so Weigl, der aber grundsätzlich in Hinblick auf den Termin in Berlin findet: „Die Sitzung des Verkehrsausschusses war keinesfalls umsonst. Wir haben auf jeden Fall wachgerüttelt.“

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