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Eine Ära geht zu Ende

„Es war unser Wohnzimmer“: Wann und warum Bad Aiblings letzter Kramerladen schließen muss

Evi Zehentmair, Eva Maria Fischer, Werner Zehentmair und Yvonne Schuller stehen nur noch wenige Wochen in ihrem Kramerladen.
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Ein eingeschworenes Team (von links): Evi Zehentmair, Eva Maria Fischer, Werner Zehentmair und Yvonne Schuller stehen nur noch wenige Wochen in ihrem Kramerladen.

Vor über 60 Jahren übernahm die Familie Zehentmair den Bad Aiblinger Kramerladen, der abseits des Stadtzentrums seit jeher von treuen Stammkunden lebt. Bald endet diese Ära. Wie die Familie auf die bewegte Zeit zurückblickt und warum sie das Einkaufen selbst erst wieder lernen muss.

Bad Aibling – Er war und ist eine Institution in Bad Aibling: der traditionsreiche Kramerladen in der Breitensteinstraße. Wohl kaum ein Aiblinger ist dort noch nicht die wenigen Stufen am Eingang des markanten Hausecks aufgestiegen, um dort auf wenigen Quadratmetern Milch, Obst, Brot oder frische Wurst einzukaufen. Doch die Tage des kleinen familienbetriebenen Supermarktes sind gezählt. Noch in diesem Jahr wird das Lebensmittelgeschäft nach über 60 Jahren die Ladentüre für immer zusperren.

„Natürlich blickt man mit Wehmut zurück“, sagt Evi Zehentmair. Die Jahrzehnte in dem beliebten Kramerladen seien prägend und ereignisreich gewesen. Jedoch hätte das frühe Aufstehen, Kisten schleppen oder das stundenlange Stehen im Laden auch Spuren hinterlassen. „Es ist und war halt auch eine schwere Arbeit“, erklärt die Inhaberin. Dennoch hätten die schönen Erlebnisse, etwa die Gespräche mit den vielen Stammkunden, die vielen Arbeitsstunden ein Stück weit vergessen lassen.

„Tut uns für die Kunden leid“

Und auch deshalb „tut es uns für unsere Kunden schon leid“, erklärt die 62-Jährige. Dass der Kramerladen zum Ende des Jahres schließen wird, habe sich schon beim ein oder anderen herumgesprochen, was natürlich nicht für Begeisterung sorgt. „Hier in der Ecke gibt es nunmal nichts anderes, wo man einkaufen könnte“, ergänzt Ehemann Werner Zehentmair. Doch bei allem Bedauern hat sich die Familie zu diesem Schritt bewusst „aus gesundheitlichen Gründen“ entschieden. Ohnehin habe man die Öffnungszeiten zuletzt schon reduziert. Nun geht es einfach nicht mehr.

Bald nur noch Geschichte: Der traditionsreiche Kramerladen in der Breitensteinstraße.

Der Familienbetrieb blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Seit 1959 besteht der Kramerladen, damals noch unter dem Namen Zehentmair-Chasseé. Damals übernahm die 1994 verstorbene Olga Chasseé mit ihrem Mann, Polizeihauptmeister Walter Chasseé (2021 verstorben), den Laden. Mit viel Fleiß, Mut und Neuinvestitionen bauten sie ihn zu einem beliebten Lebensmittelgeschäft auf. Seit 1961 gehört dieses zu Edeka, wodurch man aufgrund des gemeinsamen Einkaufs mit großen Märkten und Discountern preislich konkurrieren konnte. In dieser Zeit wurde der Laden auch von Verkäuferin Gina Kornbichler geprägt.

1987 von den Eltern übernommen

1987 übernahmen dann Tochter Evi und Schwiegersohn Werner Zehentmair das Steuer. „Meine Schwiegermutter sagte damals: Entweder ihr macht es oder wir müssen zusperren.“ Sie machten es und prägten auf den rund 35 bis 40 Quadratmetern Ladenfläche eine neue Ära. So erweiterten sie etwa das Sortiment vor 25 Jahren mit selbst ausgewählten und durch Direktimport gelieferten italienischen Spezialitäten.

Auch der Party- und Lieferservice sowie die liebevoll bestückten Geschenkkörbe für Jubiläen oder Geburtstage machten den Kramerladen zu mehr als nur einen kleinen Supermarkt. Der Erfolg, so die Familie, sei nur durch den gemeinsamen Teamgeist möglich gewesen, weshalb man sich vor allem auch bei den über Jahrzehnte hinweg treuen Stammkunden bedanken wolle.

Tochter schon als Zehnjährige im Laden aktiv

Zum beliebten Familienbetrieb zählt auch Tochter Yvonne Schuller: „Sie stand schon mit im Laden als sie zehn war“, erinnert sich ihre Mutter. Die heute 45-Jährige selbst blickt ebenfalls auf eine kräftezehrende, aber vor allem auch schöne Zeit zurück. „Wir haben es alle gerne gemacht“, sagt Schuller und ergänzt: „Anders hätte das auch nicht so lange funktioniert.“ Auch wenn sie kurz darüber nachgedacht hatte, den Laden der Eltern nun weiterzuführen, kam sie zum gleichen Ergebnis: „Täglich ab 5 Uhr morgens auf den Beinen zu stehen, das geht einfach nicht mehr.“

Evi Zehentmair, Yvonne Schuller, Eva Maria Fischer und Werner Zehentmair stehen nur noch wenige Wochen in ihrem Kramerladen.

Das bestätigt auch die langjährige Mitarbeiterin Eva Maria Fischer. Wenngleich sie den Gedanken als „komisch“ empfindet, nun tatsächlich am 30. Dezember aufzuhören. Das Besondere für sie am Kramerladen? „Ganz klar die Kundenbetreuung.“ Größere Supermärkte seien viel unpersönlicher. Außerdem brauche man alleine durch die räumliche Größe eine halbe Ewigkeit für einen Einkauf, auch wenn vielleicht nur eine Butter besorgt werde, ergänzt Werner Zehentmair. Das sei hier anders.

Laden im eigenen Haus: Fluch und Segen zugleich

Die Familie hofft, nun bald ein wenig mehr Zeit für Dinge zu haben, die über Jahrzehnte hinweg nicht möglich waren. „Zum Beispiel mal zu verreisen“, sagt Evi Zehentmair. Die ständige Verfügbarkeit hätte den Alltag bestimmt. Auch sei es durchaus immer wieder vorgekommen, dass an der privaten Haustür am Sonntag mal jemand geklingelt habe, um noch schnell etwas aus dem geschlossenen Laden zu ergattern. „Das wurde mit der Zeit aber immer weniger“, schmunzelt Werner Zehentmair.

Und eines betont die Familie mit einem Lächeln: Sie muss erst wieder neu erlernen, wie man richtig woanders einkaufen geht. So habe man sich im eigenen Laden immer wieder auch schnell mal selber versorgen können. Schließlich befindet sich die Verkaufsfläche im Wohnhaus der Zehentmairs. Geschäft und Wohnzimmer sind tatsächlich nur durch eine Türe voneinander getrennt. „Das ist Fluch und Segen zugleich“, weiß die 62-jährige Inhaberin. Zwar sei man schnell zur Stelle, wenn mal etwas ist. „So richtig abschalten kann und konnte man dadurch aber nie.“

Doch bei all der Arbeit sagt sie rückblickend, während sie durch die engen, vollgestellten Gänge läuft: „Es war und ist hier einfach unser Wohnzimmer.“

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