Mehr Andrang, weniger Lebensmittel
Aufnahmestopp: Tafel-Chefin Claudia Vill spricht Klartext und räumt mit Mythen auf
Aufgrund des großen Andrangs an Bedürftigen musste die Bruckmühler Tafel Anfang August einen Aufnahmestopp erlassen. Eine Situation, an der sich bis heute nichts geändert hat. Was Tafel-Chefin Claudia Vill Betroffenen rät – und mit welchen Tafel-Mythen sie aufräumt.
Bruckmühl – Auch drei Monate nach der Ankündigung der Bruckmühler Tafel, einen Aufnahmestopp für die Standorte Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham zu verhängen, hat sich die Lage dort nicht entspannt. „Der Aufnahmestopp gilt weiterhin“, sagt Tafel-Leiterin Claudia Vill jetzt auf OVB-Anfrage. „Die Situation ist unverändert.“ Wobei Vill und ihr Team aus rund 50 Ehrenamtlichen Woche für Woche mit einem besonderen Dilemma konfrontiert sind: „Je besser wir arbeiten, desto mehr lehnt sich der Staat zurück.“
270 Menschen aus Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham versorgt das Team der Bruckmühler Tafel derzeit jede Woche an den Ausgabestellen der beiden Kommunen mit Lebensmitteln. Eine Anzahl, die sich seit Anfang August nicht verändert hat. Und das, obwohl immer mehr Menschen sich Hilfe suchend an die Tafel wenden, weil sie kein Geld mehr haben, Lebensmittel zu kaufen.
Von den Supermärkten kommen immer weniger Lebensmittel
Doch der Andrang war schließlich so groß geworden, dass Vill einen Aufnahmestopp für neue Kunden verhängen musste. Im Gespräch mit dem OVB verwies die Tafel-Leiterin kurz nach der Maßnahme darauf, dass ihr nicht nur das Personal fehle, um den Ansturm bewältigen zu können, sondern auch Lebensmittel, da die Tafel immer weniger von Supermärkten bekäme. „Wir mussten daher handeln und einen Aufnahmestopp aussprechen“, begründete Vill Anfang August die drastische Maßnahme.
Positive Veränderungen kann die Einrichtung auch heute nicht vermelden – der Aufnahmestopp gilt weiterhin. „Die Menschen, die neu zu uns kommen, und von uns dann abgelehnt werden, sind natürlich nicht begeistert“, sagt die Bruckmühlerin. „Aber ich kann nicht anfangen, Ausnahmen zu machen.“ Um die Menschen darüber zu informieren, wird an den Ausgabestellen in Deutsch, Englisch und Ukrainisch auf den Aufnahmestopp hingewiesen.
Wobei Vill und ihr Team nicht nur mit dem hohen Andrang an Hilfesuchenden zu kämpfen haben, sondern auch mit vielen falschen Informationen, die in der Region kursieren. „Auch ich kenne die Ratscherei, wo Leute behaupten, dass da Menschen hingehen, die es gar nicht nötig haben“, sagt die Tafel-Leiterin. Behauptungen, denen sie aber vehement widerspricht. Denn jeder, der bei der Tafel aufgenommen werde, müsse seine Bedürftigkeit nachweisen. „Das wird bei uns akkurat kontrolliert“, versichert Vill, deren Kunden beispielsweise nachweisen müssen, dass sie Wohngeld beziehen, oder Rentenbescheide beziehungsweise Einkommensnachweise vorlegen müssen. Zudem würden in regelmäßigen Abständen aktuelle Bescheide angefordert.
Tafel-Leiterin stellt klar: Private Lebensmittelspenden sind erlaubt
Auch mit einer zweiten Legende, die jüngst wieder in der Facebook-Gruppe „Bürgerforum Feldkirchen-Westerham“ aufgekommen ist, räumt Vill auf. Dort hatte sich ein anonymes Mitglied mit dem Hinweis, die Tafel sei voll, Hilfe suchend an die Gruppenmitglieder gewandt. Neben diversen Hilfsangeboten von Gruppenmitgliedern entspann sich daraus eine Diskussion, in dessen Verlauf ein Nutzer sich beispielsweise darüber echauffierte, dass Tafeln keine privaten Lebensmittelspenden annehmen dürfen.
„Das ist nicht richtig“, stellt Vill klar. „Die Bürger dürfen gerne jederzeit neben Geld auch haltbare Lebensmittel spenden.“ Problematisch sei allerdings, was hin und wieder auch passiere, dass Tüten voll Jahre alter Lebensmittel bei der Tafel abgestellt würden. „Das bringt uns natürlich gar nichts.“ Richtig sei hingegen, dass die Tafel selbst keine Lebensmittel dazukaufe, um keine Rundum-Versorgung zu übernehmen und damit den Staat noch mehr aus der Pflicht zu nehmen.
Claudia Vill rät dazu, erneut beim Sozialamt vorstellig zu werden
Doch was rät Vill Hilfebedürftigen, die dringend Lebensmittel benötigen, bei der Tafel aber keinen Platz mehr finden? „Wir haben natürlich immer ein offenes Ohr und versuchen, zumindest mit Adressen Hilfestellung zu geben, wenn Not am Mann ist“, sagt die Tafel-Leiterin und rät Betroffenen, sich, – auch wenn es bereits passiert sei – nochmals an das Sozialamt zu wenden. Und bei anderen Sozialverbänden anzuklopfen.
Wobei es auch bei der Bruckmühler Tafel Fälle gibt, in denen das Team die Menschen nicht abweisen kann, sondern reagieren muss. „Wenn beispielsweise eine Mutter von zwei kleinen Kindern zu uns kommt und der Vater sich jüngst aus dem Staub gemacht hat, dann kriegen die selbstverständlich auch was von uns“, erklärt Vill, denn: „Bis die Mutter die ganzen notwendigen Bescheinigungen hat, um nachzuweisen, dass sie bezugsberechtigt ist, vergehen teilweise Monate. Da wären die ja halb verhungert.“
