Mit *Umfrage* zum Thema
„Auf Linie mit Regierung“: Warum Wasserburgs Suchtexperte für Cannabis-Legalisierung ist
Soll Cannabis legalisiert werden? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Warum Wasserburgs Suchtexperte Maximilian Jaroljmek grundsätzlich dafür ist, unter welchen Bedingungen er dem zustimmt und welche Gefahren er trotzdem sieht.
Cannabis legalisieren: ja oder nein? Nach den Vorschlägen von Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach diskutiert Deutschland seit Wochen leidenschaftlich. Im Interview schildert Maximilian Jaroljmek, Leiter der Wasserburger Fachambulanz für Suchterkrankungen der Diakonie Rosenheim, seine Meinung zum Thema.
Grundsätzlich: Welches Suchtpotenzial hat Cannabis?
Maximilian Jaroljmek: Cannabis hat ein gewisses Suchtpotenzial, das je nach Konsumverhalten und individueller Anfälligkeit unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Entscheidend für eine weitere Einschätzung ist immer, wie weit ich meinen Konsum bewusst steuern und kontrollieren kann. Der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol, Anmerkung der Redaktion) kann das Belohnungssystem im Gehirn aktivieren und ein euphorisches Gefühl auslösen, das für manche Menschen sehr lockend sein kann. Die meisten Menschen, die Cannabis konsumieren, können dies ohne größere Probleme tun und auch wieder aufhören, ohne dass es zu einer Sucht kommt.
Es gibt aber auch Personen, die aufgrund von genetischer Veranlagung, psychischen Problemen oder sozialen Umständen ein höheres Risiko für eine Suchtentwicklung haben. Außerdem kann langfristiger und intensiver Cannabiskonsum zu einer Toleranzentwicklung führen, bei der immer höhere Dosen benötigt werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Generell lässt sich festhalten, dass je mehr man konsumiert und je jünger man anfängt, die Risiken für langfristige Folgeschäden steigen.
Wie gefährlich ist Cannabis für die Gesundheit?
Jaroljmek: Cannabis kann verschiedene Auswirkungen auf die Gesundheit haben, abhängig von verschiedenen Faktoren wie der Dosis, der Art des Konsums, der Häufigkeit des Konsums und der individuellen Empfindlichkeit des Konsumenten. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder, der Cannabis konsumiert, zwangsläufig solche Probleme erlebt, aber es besteht natürlich ein gewisses Risiko für gesundheitliche Auswirkungen. Zu den möglichen Auswirkungen von Cannabis auf die Gesundheit zählen psychische Erkrankungen wie Angstzustände, Depressionen und Psychosen, Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen wie die Konzentrations- und Lernfähigkeit, sowie Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Folgen werden weiterhin erforscht, und es ist ausschlaggebend, verantwortungsbewusst mit dem Konsum umzugehen und sich über mögliche Risiken und Auswirkungen auf die Gesundheit im Klaren zu sein.
Was halten Sie von der Theorie, dass Cannabis die klassische Einstiegsdroge ist?
Jaroljmek: Hier gibt es unterschiedliche Studien, die nicht ganz eindeutig sind. Im Wesentlichen gilt die Theorie der Einstiegsdroge jedoch als widerlegt. Laut drugcom haben etwa 23 Prozent aller Deutschen über 18 Jahren schon mal Cannabis konsumiert, aber weniger als ein Prozent aller Erwachsenen hat einen aktuellen Konsum von anderen Drogen. Von der Gesamtheit der Cannabiskonsumierenden wechseln also nur ein wenige zu anderen Substanzen über. Tabak und Alkohol haben diesbezüglich eine größere Bedeutung.
Wie stehen Sie zum Vorschlag, Cannabis zu legalisieren?
Jaroljmek: Größtenteils bin ich auf Linie mit der Bundesregierung. Die Erlaubnis von Besitz und Konsum ab 18 Jahren ist jedoch zu niedrig. Diese sollte frühestens ab 21 Jahren erfolgen, da man weiß, dass die Hirnreifung des Menschen erst mit etwa 23 bis 24 Jahren abgeschlossen ist und damit psychische Risiken durch den Konsum geringer sind.
Welche Gefahren sehen Sie in der Legalisierung von Cannabis?
Jaroljmek: Eine mögliche Legalisierung von Cannabis in Deutschland birgt natürlich potenzielle Gefahren und Risiken. Zu den häufig diskutierten Bedenken gehören dabei die Gefahr von steigenden Auswirkungen in der Bevölkerung bei der körperlichen Gesundheit, kognitiven Beeinträchtigungen, psychische Gesundheitsprobleme und dem Risiko der Abhängigkeitsentwicklung. Eine erleichterte Verfügbarkeit und ein leichterer Zugang durch die Legalisierung könnten zu einem erhöhten Konsum führen und somit die gesundheitlichen Risiken verstärken.
Ein weitere Gefahr besteht im Missbrauch und der Abhängigkeit von Cannabis, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Jugendlichen. Die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist ebenfalls ein Thema, da Cannabis die Fahrtüchtigkeit beeinflussen und somit das Unfallrisiko erhöhen kann. Außerdem könnte eine Legalisierung von Cannabis den Gesamtkonsum von Drogen erhöhen könnte. Um diese potenziellen Gefahren zu minimieren, wäre eine sorgfältige Regulierung, Aufklärung und Präventionsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung
Und welche Vorteile sehen Sie in der Legalisierung?
Jaroljmek: Es ist hier wichtig anzumerken, dass die Vorteile einer Cannabislegalisierung auch von der spezifischen Art der Legalisierung abhängen. Unterschiedliche Modelle wie die vollständige Legalisierung für den Freizeitgebrauch oder eine strikte medizinische Legalisierung, haben unterschiedliche Folgen. Es ist auch absolut wichtig, Maßnahmen zur Aufklärung über die Risiken des Cannabiskonsums und zur Prävention von Missbrauch zu implementieren, um potenzielle negative Auswirkungen zu minimieren. Zu den häufig diskutieren Vorteilen gehören der medizinische Nutzen. Cannabis enthält Verbindungen, die zur Behandlung bestimmter Krankheiten und Symptome, wie chronische Schmerzen, Spastik bei Multipler Sklerose, Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie und bestimmte Formen von Epilepsie, beitragen können. Eine Legalisierung würde den Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern und Patienten eine alternative Behandlungsmöglichkeit bieten.
Außerdem könnte eine Legalisierung und Regulierung von Cannabis würde zu Steuereinnahmen für den Staat führen. Diese Gelder könnten in Bildung, Prävention, Suchthilfe und andere öffentliche Bereiche investiert werden. Durch die Legalisierung könnte auch der Schwarzmarkt reduziert werden. Dies würde dazu beitragen, organisierte Kriminalität einzudämmen und den illegalen Drogenhandel einzuschränken. Das könnte auch die Justizsysteme entlasten, indem Ressourcen freigesetzt werden, die derzeit für die Verfolgung und Bestrafung von Cannabisdelikten aufgewendet werden. Eine regulierte Cannabisindustrie würde auch Qualitätskontrollen und Sicherheitsstandards gewährleisten. Verbraucher hätten Zugang zu sicheren Produkten und Informationen über deren Gehalt an Cannabinoiden und anderen Substanzen.
Denken Sie, dass die Legalisierung der Droge und der Konsum in der Öffentlichkeit die Hemmschwelle für die Bevölkerung senkt und zur mehr Konsum führen würde?
Jaroljmek: Die Legalisierung könnte die Hemmschwelle für die Bevölkerung senken, da der Konsum dadurch gesellschaftlich akzeptierter erscheint. Es gibt jedoch verschiedene Faktoren zu beachten. Soziale Normen könnten sich ändern, Prävention und Aufklärung sind super wichtig, und Regulierungen können den Konsum kontrollieren. Erfahrungen aus einigen US-Bundesstaaten zeigen, dass die Legalisierung zu einem Anstieg des Konsums bei Erwachsenen, aber nicht bei Jugendlichen, führte. Es wurden keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit festgestellt. In Deutschland lassen sich Parallelen zum Konsum von Alkohol und Tabak hinsichtlich sozialer Normen, Gewohnheit, Normalisierung, Verfügbarkeit und Zugang ziehen, jedoch gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung von Cannabis. Es sind dazu weitere Studien und Forschung erforderlich.