Cannabis-Debatte in und um Rosenheim nach Ampel-PK
„Endlich kiffen in Brokkoli-Stadt“ gegen „Keine Legalisierung – Gott sei Dank“
Unterschiedlicher könnten die Meinungen und Meldungen zur geplanten „Cannabis-Legalisierung light“ der Ampel-Regierung nicht ausfallen: Befürworter wie der Rosenheimer Bezirkstags-Kandidat Jonah Werner wittern große Chancen - Gegner, wie die ehemalige Drogenbeauftragte des Bundes Daniela Ludwig, halten vehement dagegen. Fest steht: In der Gras-Debatte wird der Ton wieder rauer - die Vorstellungen dafür umso konkreter.
Rosenheim/Berlin – Lange wurde spekuliert, lange passierte nichts. Am Mittwoch (12. April) dann ein Lebenszeichen in der vermeintlich verhärteten Cannabis-Diskussion: Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Gesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD traten in Berlin vor die Presse und präsentierten ihre Vorstellungen zur Legalisierung der Droge. Anders als noch im Koalitionsvertrag festgehalten, wollen es die Politiker nun etwas zurückhaltender angehen lassen – verleihen ihren Plänen aber auch gleichzeitig Nachdruck und pochen damit auf eine zeitnahe Umsetzung.
Endlich Bewegung in der Debatte oder unsinniger Kompromiss?
Satte Kritik kommt umgehend von der ehemaligen Drogenbeauftragten des Bundes Daniela Ludwig: „Die Bundesregierung scheitert einmal mehr an ihren ambitionierten Zielen. Es wird keine Legalisierung von Cannabis geben, so wie ursprünglich geplant. Gott sei Dank. Dafür kommt aber eine Regulierung, die wohl das Ziel hat die Legalisierungsbefürworter ruhig zu stellen und die auch noch unsinnig ist.“ Die Abgeordnete für den Wahlkreis Rosenheim kritisiert weiter, dass auch der Jugendschutz zu kurz komme: „Da eine Freigabe ab 18, also für Volljährige kommt, bleibt die Frage offen, wie Minderjährige geschützt werden. Hierauf weiß die Bundesregierung keine Antwort.“
Jonah Werner, Bezirkstags-Kandidat und junger Vertreter der SPD in Rosenheim, hält dagegen. Im Gespräch mit rosenheim24.de zeigt sich der JuSo zuversichtlich, dass die geplante zwei Säulen-Strategie der Ampel Wirkung zeigt – in gleich mehrerlei Hinsicht und mit einem Augenzwinkern: „Endlich kiffen in Brokkoli-Stadt! Aber im Ernst: Das Thema ist wahnsinnig präsent, auch bei uns in Bayern. Und ich glaub oder ich bin mir sicher, dass Bayern sich dann nicht vehement dagegen stellen darf. Im Gegenteil. Die Auffassung, wenn wir jetzt legalisieren, dass auf einmal alle kiffen, ist falsch. Es kiffen schon 25 Prozent der 18- bis 25-Jährigen. Und man muss einfach den Gang, den man die letzten Jahre beschritten hat, in Sachen Drogenpolitik und vor allem Cannabislegalisierung überdenken – und besser ganz neu denken.“
Der deutsche Hanfverband - der auch mit einem Ableger im Chiemgau vertreten ist - fasst die Gesetzespläne in seinem Insta-Feed zusammen:
Laut den Plänen von Özdemir und Lauterbach soll Cannabis künftig in sogenannten „Social-Clubs“ an registrierte Mitglieder ab 18 Jahren legal abgegeben werden. Zusätzlich soll auch der Eigenanbau von bis zu 3 Pflanzen pro Person straffrei sein. Der freie Verkauf von THC-Produkten für Erwachsene in Fachgeschäften ist allerdings vom Tisch. Erst in einem zweiten Schritt soll der öffentliche Verkauf in Modellregionen mit wissenschaftlicher Begleitung erprobt werden. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt.
Modellregionen, Jugendschutz, Prävention, Qualitätskontrolle
Kritik der etwas anderen Art kommt aus den Reihen der FDP; Ihnen gehen die Pläne der beiden Minister nicht weit genug. Theresa Ley, Vorsitzende der JungenLiberalen Oberbayern, etwa bedauert, dass die Legalisierung nicht wie im Koalitionsvertrag beschrieben in umfassenden Rahmen und auf vier Jahre befristet erfolgen soll: „Umso wichtiger ist es für uns aber jetzt, dass wir Modellregionen auch in Oberbayern etablieren. Besonders München, aber auch Ingolstadt und Rosenheim würden sich dafür gut anbieten. (…) Für die Übergangszeit fordern die JungenLiberalen Oberbayern die sofortige Aussetzung der Verfolgung von Straftaten bezüglich des Besitzes von Cannabis bis zu einer Menge von 50 Gramm.“
Eine Cannabis-Modellregion Rosenheim kann sich Jonah Werner ebenfalls gut vorstellen: „Wir haben eine Stadt mit 60.000 Einwohnern, haben aber auch ländliche Gegenden bis Traunstein runter zum Beispiel. Ideale Voraussetzungen also, um die gesamte Situation auch mal in Zahlen zu erfassen. Man muss es jetzt einfach mal ausprobieren und dann kann man ja dem EuGH über eine Studie zeigen; hey, so funktioniert es. Und auf jeden Fall die wichtigen Fragen klären: Kann dieser Ansatz wirklich den Schwarzmarkt zurückdrängen? Wie kann der Kinder- und Jugendschutz weiter verbessert werden, wenn lizenzierte Shops was abgeben? Erst dann kann man da eben auch richtig argumentieren.“
Den Fokus legt Jonah Werner bereits jetzt auf die großen Ziele des Vorhabens – Prävention, Hilfe und den Schutz von Minderjährigen. „Wir müssen jetzt direkt die Betroffenen unterstützen. Leute, die süchtig geworden sind, die krank geworden sind. Genau diese Menschen würde man ja schon wahnsinnig helfen durch diese Entkriminalisierung und Legalisierung. Und natürlich auch allen, die einfach mal einen Joint rauchen wollen. Die Droge ist da, mitten in unserer Gesellschaft und schon lange kein Tabu mehr. Wir müssen für die Leute da sein, sie aufklären, und sie nicht als irgendwelche Junkies abstempeln. Nur so schaffst Du auch ein Bewusstsein bei den jungen Leuten. Nicht, wenn Du das Thema einfach totschweigst.“
Weiter offene Fragen, besonders im Detail
Mit einem Start des Modellversuchs rechnet Jonah Werner bereits in naher Zukunft. Und dennoch: Viele Fragen zur geplanten „Legalisierung light“ sind nach wie vor offen – etwa zu konkreten Vorgaben und Rahmenbedingungen der künftigen non-profit Cannabis Clubs und Modellregionen, überarbeitete Richtlinien für THC-Konsum im Straßenverkehr oder auch zur Finanzierung von Präventions- und Hilfe-Programmen. Antworten, die die Politik – gleich von welcher Seite – jetzt zeitnah liefern muss, um das immer noch ambitionierte Vorhaben weiter mit Leben zu erfüllen.