Landwirtschaftsministerin im OVB-Interview
Abschuss frei: Kaniber ist „guter Dinge“ bei Wolf-Debatte – und holt gegen die Grünen aus
Immer wieder sorgt der Umgang mit dem Wolf für Zoff: Muss er geschützt werden – oder die Tiere der Landwirte vor ihm? Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hat dazu eine klare Meinung, wie sie im OVB-Interview deutlich macht.
Stephanskirchen – Wiesen, Felder, ein paar Häuser – und plötzlich ein nettes Café und ein moderner Hofladen. Laufkundschaft gibt es beim Kernerhof in Stephanskirchen nicht. Dafür ist der Bio-Hof zu gut „versteckt“. Dennoch: Das Geschäft brummt. Die Mundpropaganda scheint hier bestens zu funktionieren. Genauso wie das Konzept der Betreiberfamilie Stein. Von dem zeigt sich auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber bei ihrem Besuch begeistert. Doch ganz so rosig, wie es in der Kernerhof-Idylle wirken mag, ist es nicht überall. Im OVB-Interview spricht Kaniber über überbordende Bürokratie, Burn-out und die Zukunft mit dem Wolf.
„Beeindruckend“: Kaniber begeistert vom Kernerhof
Sie waren sichtlich begeistert von der Arbeit von Familie Stein. Sind Betriebe wie dieser die Zukunft der bayerischen Landwirtschaft?
Michaela Kaniber: Ja, das ist schon sensationell, was die Familie Stein in Stephanskirchen aufgezogen hat. Nicht nur, dass sie selbst hervorragende Produkte erzeugen, sondern auch, wie sie diese direkt vermarkten und das mit einer angenehmen Atmosphäre im Hofladen verbinden, beeindruckend. Das kommt nicht nur dem Verbraucher entgegen. Das schafft auch Wertschöpfung in der Heimat.
Müssen kleine Betriebe in Zukunft zwangsweise mehrere Standbeine aufbauen, um überhaupt überleben zu können?
Kaniber: Diversifizierung findet überdurchschnittlich in Haupterwerbsbetrieben und auch deutlich öfter in größeren Betrieben statt. Es gibt Alternativen zu „Wachsen oder Weichen!“ Die Vielfalt Bayerns ist eine Chance.
Inwiefern?
Kaniber: Egal wo ich in Bayern hinkomme, erlebe ich ideenreiche und pfiffige Leute, die mit unternehmerischem Mut und viel Engagement tolle Konzepte entwickeln. Die Nachfrage nach hochwertigen Produkten aus der Region, nach nachhaltigem und naturverbundenem Urlaub, nach Angeboten der sozialen Landwirtschaft für Kinder, Senioren oder Menschen mit Einschränkungen, nach Informationsangeboten für Kindertagesstätten und Schulen und vieles mehr ist enorm. Es wird nicht alles für jeden Hof möglich sein, man muss seine Nische finden, die zum eigenen Betrieb passt.
Politik, die möglichst viele kleine Familienbetriebe erhalten soll
Wie möchten Sie den kleinen Betrieben in Zukunft unter die Arme greifen, um die Landwirtschaft wieder attraktiver zu machen?
Kaniber: Schon vor vielen Jahrzehnten hat die Staatsregierung den „Bayerischen Weg“ als Grundlage unserer Landwirtschaftspolitik entwickelt. Seither machen wir – natürlich immer angepasst an aktuelle Herausforderungen – eine Politik, die möglichst viele unserer kleinen Familienbetriebe erhalten soll. Das ist uns bislang hervorragend gelungen. Fakt ist: Strukturwandel hat es immer gegeben, schon alleine durch den technischen Fortschritt. In Bayern ist der Strukturwandel allerdings auf einem sehr geringen Niveau. Der Erfolg gibt uns recht: Ein Drittel aller deutschen landwirtschaftlichen Betriebe befindet sich in Bayern.
Bei der Tierhaltung ändert sich allerdings schon recht viel...
Kaniber: Was wir derzeit leider erleben, ist ein Strukturbruch im Bereich der Nutztierhaltung, der auf die katastrophale Landwirtschaftspolitik der Ampel zurückzuführen ist. Ich hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung hier einen deutlichen Kurswechsel vollzieht. Der ideologische grüne Kampf gegen die Nutztierhaltung muss beendet werden, denn sie ist das Rückgrat der bayerischen Betriebe. 60 Prozent ihres Einkommens gehen auf die Nutztierhaltung zurück.
Kaniber über Bürokratie: „Keine Schreibwirte“
Viele Landwirte klagen auch über überbordende Bürokratie. Gibt es einen Ausweg aus der Flut?
Kaniber: Die neue Bundesregierung muss deutlich bei der Bürokratie entlasten: Unsere Bauern wollen Landwirte sein und keine Schreibwirte. Schließlich brauchen sie verlässliche Rahmenbedingungen sowie langfristige Planungssicherheit und nicht alle zwei Jahre verschärfte Auflagen. Das Thema habe ich schon bei der Agrarminister-Konferenz im Herbst 2023, weit vor den Bauernprotesten, gegen den Widerstand von Bundesminister Cem Özdemir, auf die Tagesordnung gebracht. Meine Länderkollegen haben mich da sehr unterstützt. Am Ende haben wir aus den Ländern rund 200 Entbürokratisierungs-Vorschläge an das Bundeslandwirtschaftsministerium geschickt, ein Drittel davon allein aus Bayern.
Und was wurde aus den Ideen?
Kaniber: Leider hat Minister Özdemir davon nur ganz wenig umgesetzt. In Bayern habe ich einen Praktikerrat eingerichtet. Dieser hat hervorragende Vorschläge erarbeitet, von denen wir in Bayern schon vieles umgesetzt haben, soweit das hier geregelt werden kann. Die Vorschläge habe ich aber auch schon in Berlin und beim neuen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen eingebracht. Fakt ist doch: Wir haben bestens ausgebildete Landwirte. Gleichzeitig meint man von Berliner und Brüsseler Schreibtischen aus alles bis ins kleinste Detail vorgeben zu müssen. Ich bin überzeugt: Wir müssen den Landwirten wieder mehr Spielraum für Entscheidungen geben. Das gilt nach meiner Ansicht nach im Übrigen für das ganze Handwerk.
Ständig neue Vorgaben und Regelungen – auch in Bezug auf das Tierwohl – bedeuten auch eine enorme finanzielle Belastung. Wer soll sich das noch leisten können?
Kaniber: Auch unseren Bauern liegt das Wohl ihrer Tiere sehr am Herzen. Bei uns gibt es eben noch eine kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft. Anderswo mag man es kitschig finden: Aber in Bayern haben wir beispielsweise in der Milchviehhaltung noch Strukturen, wo in den Betrieben jede Kuh noch ihren Namen auf dem Taferl stehen hat und Mensch und Nutztier sich kennen. Ich jedenfalls bin stolz darauf! Trotzdem ist klar: Mehr Tierwohl macht die Nutztierhaltung teurer. Und das muss jemand bezahlen.
So will Kaniber das Tierwohl unterstützen
Und das liegt am Ende beim Verbraucher, der Fleisch, Eier und Milch kauft?
Kaniber: In Umfragen beteuert die Bevölkerung immer wieder, wie wichtig ihr Tierwohl ist. Beim Einkauf am Regal schlägt sich das leider nicht im gleichen Maße nieder. Deshalb brauchen wir andere Wege, um das Tierwohl zu unterstützen. Wir in Bayern haben ein eigenes Tierwohlprogramm „BayProTier“ aufgelegt, weil wir nicht auf den Bund warten wollten. Unser Programm ist sehr erfolgreich – jeden Tag öffnet ein neuer Tierwohlstall in Bayern seine Türen. Leider hat Bundesminister Özdemir in dem Bereich auch keine umfassende Lösung geliefert. Eine Kommission hat ermittelt, dass wir in Deutschland vier Milliarden Euro pro Jahr für mehr Tierwohl bräuchten. Bundesminister Özdemir hat nur ein Sechzehntel davon bereitgestellt. Und dann hat er das Geld in ein „Schaufensterprogramm“ gesteckt, das so kompliziert ist, dass die Gelder nicht mal in der Höhe abgerufen werden können.
Auch Depressionen und Burn-Out sind in dieser Branche keine Seltenheit. Ein trauriges Beispiel für die dramatischen Folgen lieferte der Landwirt aus Rimsting, wo etliche Kühe qualvoll verendet sind. Ist Ihnen diese Problematik bewusst – und wie beugt man dieser vor?
Kaniber: Das sind leider sehr bedauerliche Fälle. Oft stehen hinter solchen Fällen menschliche Schicksale, die dann einen Betrieb aus der Bahn werfen. Wir raten immer dazu, keine falsche Scheu zu haben und frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist keine Schande, jeder kann mal Hilfe brauchen. Und Hilfsangebote gibt es Gott sei Dank sehr viele: Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die bäuerliche Familienberatung, die berufsständischen Organisationen und die Einrichtungen der Sozialversicherungsträger leisten hier eine wirklich sehr wertvolle Hilfe.
Weg mit dem Wolf? Kaniber für Aufnahme ins Jagdrecht
Gerade Almbauern bereitet das Thema Wolf und Bär immer wieder Sorgen. Wie soll man künftig mit den „ungebetenen“ Gästen, die auch für massiven Schaden bei den Landwirten sorgen, umgehen?
Kaniber: Alle Bauern im Alpenraum wissen, dass ich mich seit vielen Jahren beim Wolf klar positioniere. Heute ist nicht mehr der Wolf gefährdet, sondern unsere Alm- und Weidewirtschaft ist es. Darum muss der Wolf am Ende ins Jagdrecht, weil wir ein aktives Bestandsmanagement brauchen, wie zum Beispiel Schweden. Die schießen den Wolf, obwohl das Land viel dünner besiedelt ist als Deutschland. Aber um den Wolf jagen zu dürfen, muss erst das Bundesnaturschutzgesetz geändert und der gute Erhaltungszustand der Wolfspopulation für Deutschland festgestellt werden.
Das klingt, als müsste man sich noch gedulden, bis es eine endgültige Lösung gibt.
Kaniber: Wer großspurig behauptet, wir könnten das Problem jetzt innerhalb kürzester Zeit lösen, indem wir den Wolf ins bayerische Jagdgesetz aufnehmen, verspricht den Leuten, was er nicht halten kann. Also nochmal: Auch ich will, dass der Wolf letztlich bejagt werden darf. Aber wir müssen die ersten Schritte vor dem letzten machen. Aber ich bin guter Dinge, dass die nächste Bundesregierung das ohne grüne Ideologie angehen wird.


