Gisela Sengl kritisiert Landwirte
Grünen-Vorsitzende: „Kenne keinen armen Bauern“ – jetzt wehrt sich Kreisbauern-Chef Andres
Zu Beginn des Jahres gingen zahlreiche Landwirte auf die Straße. Seitdem hält die Diskussion um die Lage der Bauern an. Die bayerische Grünen-Vorsitzende Gisela Sengl unterstellt den Landwirten unter anderem eine mangelnde Anpassungsfähigkeit – der Bauernverband hält dagegen.
Rosenheim – Es war eine Welle aus Wut, Empörung und Verzweiflung, die Anfang dieses Jahres durch Deutschland rollte. Tausende Landwirte gingen auf die Straße, um gegen mehrere Entscheidungen der Ampel-Regierung zu demonstrieren. Es ging um Geld. Hauptsächlich um die Agrardieselrückerstattung für Landwirte. Diese wollte die Bundesregierung aus Klimaschutzgründen streichen. Doch trotz langer und massiver Proteste wurde das Vorhaben nicht zurückgenommen. Die Agrardieselrückerstattung wird lediglich schrittweise abgeschafft.
Grünen-Vorsitzende Sengl: „Landwirte wurden instrumentalisiert“
„Es hat mich persönlich sehr getroffen“, sagte Gisela Sengl, bayerische Landesvorsitzende der Grünen, im exklusiven OVB-Gespräch über die Proteste. „Mir war schon klar, dass die Grünen in der Landwirtschaft immer umstritten sind“, erklärte sie. „Aber ich habe eigentlich ein gutes Verhältnis zu den Landwirten.“ Sengl betreibt selbst einen Bio-Bauernhof in Sondermoning im Landkreis Traunstein sowie einen dazugehörigen Hofladen. Für sie ist in Bezug auf die Proteste klar: „Die Landwirte wurden instrumentalisiert.“
Bei Josef Andres, Kreisobmann für Rosenheim beim Bayerischen Bauernverband, wirft diese Aussage Fragen auf. „Von wem wurden wir instrumentalisiert?“, sagt er gegenüber dem OVB. „Wir Landwirte haben uns da selber sehr gut organisiert“, macht Andres deutlich. Man habe sich klar von Extremen abgegrenzt, und auch die Polizei sei vollen Lobes gewesen. „Wir haben das in Eigenregie gemacht.“
Doch das ist nicht die einzige Aussage, die dem Landwirt sauer aufstößt. Sengl sagte ebenfalls: „Ich kenne keinen armen Bauern, vor allem im Landkreis Rosenheim nicht. Zu behaupten, das wäre der Ruin der Bauernschaft, das stimmt nicht.“ Auch bei dieser Aussage kann Andres nur der Kopf schütteln. Er fragt sich: „Was ist arm?“. Es sei bei den Demonstrationen nicht nur um den Agrardiesel gegangen. Dieser sei lediglich der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. „Es war ja auch kurz vor Weihnachten, als das verkündet wurde. Das ist Wahnsinn, wie das ohne Empathie rausgehauen wurde. Ohne zu wissen, was ein Landwirt fühlt“, sagt Andres.
Bauernverbands-Obmann wehrt sich
Der Obmann kritisiert, dass die Politik zu weit weg von der Landwirtschaft sei. Es sei doch auch Aufgabe der Politik, nah am Menschen zu bleiben, betont er. Dass Bauern gesagt hätten, dass die Rücknahme der Agrardieselrückerstattung der „Ruin der Bauernschaft wäre, stimmt nicht“, sagt Andres. Es sei die Fülle an Maßnahmen gewesen, die auf die Landwirte plötzlich eingeschlagen seien. Andres möchte sich außerdem gegen die Behauptung wehren, dass es sich bei der Agrardieselrückerstattung um eine Subvention handle. „Es ist eine Rückerstattung. Jeder Landwirt hat die Steuer schon bezahlt und muss einen Antrag stellen, dass er das zurückkriegt.“
Sengl sagte im OVB-Gespräch außerdem, dass viele junge Landwirte „einfach so weitermachen“ wollen. Maßnahmen, wie die Reduktion von Pestiziden, seien nicht gewollt. „Das geht nicht“, machte die Grünen-Vorsitzende deutlich. Hier widerspricht Andres ebenfalls vehement. „Wir sind sehr wandlungsfähig“, betont er. Gerade die jungen Landwirte seien extrem gut ausgebildet und enorm anpassungsfähig. Als Beispiel nennt er den Umstieg auf nicht fossile Kraftstoffe. „Viele Landwirte haben damals Schlepper auf Biodiesel und Raps umgebaut“, sagt Andres. „Doch das wurde dann besteuert, und dann war es nicht mehr lukrativ.“
„Müsste zwei bis drei Millionen Euro in die Hand nehmen“
Auch bei der Tierhaltung seien die Landwirte sehr wandlungsfähig. „Sonst hätten wir noch keinen einzigen Laufstall“, betont Andres. Zudem sei es auch nicht immer leicht, die sich schnell wandelnden Anforderungen auch genauso schnell umzusetzen. Hier kann Andres auch von seinem eigenen Betrieb sprechen, den er mittlerweile größtenteils an seinen Sohn übergeben hat. Sein Stall ist inzwischen 25 Jahre alt. „Man müsste zwei bis drei Millionen Euro in die Hand nehmen, um die Betriebe entsprechend der neuen Haltungsformen umzubauen“, macht er deutlich. Es fehle an „Trittstufen“, mit denen sich Höfe schrittweise weiterentwickelt werden können. Stattdessen lege die Politik den Landwirten nur Stolpersteine in den Weg.
Der Obmann des Rosenheimer Bauernverbandes wünscht sich vor allem eines: mehr Dialog. Und dieser müsse sowohl von Seiten der Landwirte, als auch von Seiten der Politik kommen. Zudem würde er sich im Allgemeinen erhoffen, dass künftig nicht alle Landwirte über einen Kamm geschoren werden. „Wenn ein Mechaniker einen Reifen falsch montiert, dann ist das die Schuld der Werkstatt. Wenn allerdings ein Landwirt etwas falsch macht, ist das nicht die Schuld des einzelnen Betriebes, sondern direkt ein Skandal aller Landwirte.“