Ausgezeichnet als Beste in Deutschland
Die Hutmacherin von Frasdorf: Wie sie das seltene Traditions-Handwerk fortführt
Mit 19 war sie Deutschlands beste Hutmacherin. Mit 21 hat sie ihren Meister gemacht. Und mit 23 eröffnete Magdalena Löhmann ihren eigenen Betrieb. Ein Besuch in der Werkstatt in Frasdorf.
Frasdorf - Magdalena Löhmann nimmt einen Hut-Rohling aus grünem Hase-Kaninchen-Velours von einem Stapel. Die 24-Jährige legt ihn in einen Kessel mit einem umgedrehten Sieb in der Mitte. Der Dampfkessel steht auf einer Herdplatte. Die zwei bis drei Zentimeter Wasser am Topfboden erhitzen und der Dampf weicht das Material auf. Zehn Minuten später bindet sich Löhmann eine Schürze um, nimmt den Rohling aus dem Kessel und platziert ihn auf einem Model. Sozusagen ein Hut aus Holz, auf dem der Rohling sitzt.
Sie wickelt ein Band um den Hutrand und ein weiteres um den Kopfsitz. „Desto besser sie sitzen, desto leichter sind die nächsten Arbeitsschritte“, sagt Löhmann. Ist das Material nicht mehr weich genug, taucht sie ein Tuch in Wasser, legt es auf den Hut und bügelt darüber. So kann die 24-Jährige nachbessern, ohne die Hasenhaare zu verbrennen.
Ist der Hut aufgezogen, bürstet Magdalena Löhmann ihn und lässt ihn einen Tag trocknen. „Wenn das Wetter schön ist, geht es schneller“, sagt sie. Dann könnten die Hüte auf der Terrasse in der Sonne trocknen.
Löhmann nimmt einen trockenen und bereits steifen Hut von einem Holzmodel. Sie schneidet ihn erst grob, dann genauer zu. Sogleich hält sie den Hut an eine Maschine, die den Hutdeckel mit Dampf aufweicht. So kann sie den Kopf des Hutes eindrücken und formen. Am Schluss näht sie eine Seidenkordel oder ein Band an den Hut. Bis zu zwölf könne sie am Tag aufziehen, maximal drei fertigstellen.
Sie stammt aus einer Gastro-Familie
„Es gibt nichts Schöneres, als mit den Händen zu arbeiten“, sagt Löhmann. Jeden Abend sehe sie, was sie geschafft hat. Die Arbeit sei vielfältig und die Zeit vergehe schnell. Doch dass sie Hutmacherin wird, sei nicht immer klar gewesen. Denn sie stammt aus einer Gastro-Familie aus Prien am Chiemsee.
Nur wenige erlernen das Modistenhandwerk
In der Mittelschule hat sie jedoch ein Praktikum bei einem Herrenschneider in Riedering und dann bei der Hutmacherei Brunhuber in Prien gemacht. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich Hutmacherin werden wollte“, sagt Löhmann. Das Handwerk des Modisten erlernen nicht mehr viele junge Menschen. In der Berufsschule hätten 20 Auszubildende den Beruf mit ihr gelernt, aus Süddeutschland kamen nur drei davon.
Jens Christopher Ulrich, Sprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern, bestätigt die Seltenheit des Handwerks. In Deutschland habe es Ende letzten Jahres 206 Modisten-Betriebe gegeben, davon 66 in Bayern. Zehn Jahre zuvor seien es in Deutschland noch 241 Betriebe gewesen und in Bayern 73.
Für die kulturelle Vielfalt in Deutschland
„Auf 100.000 Einwohner kommen durchschnittlich 0,2 Modisten-Betriebe“, teilt Ulrich mit. Im Vergleich gebe es 97 Friseure, 86 Kosmetiker und 75 Elektrotechniker je 100.000 Einwohner. Doch auch seltene Berufe finden Ulrich zufolge im Regelfall ihre Nische auf dem Markt und seien wichtig für die kulturelle Vielfalt. „Mit jedem Beruf sind Kenntnisse und Traditionen verbunden, die es zu erhalten gilt“, sagt der Sprecher.
Das macht Magdalena Löhmann. 2018 wurde sie sogar als beste Hutmacherin beim Leistungswettbewerb des deutschen Handwerks ausgezeichnet. Sie war erst 19 Jahre alt und erhielt mit diesem Staatspreis 8200 Euro für Bildungszwecke. Dadurch konnte sie ihren Meister mit 21 finanzieren.
Unterstützung von der Familie und Freunden
2021 hat die Hutmacherin ihren Betriebswirt gemacht. Dann habe eine Mieterin im Haus ihrer Schwiegereltern gekündigt und sie durfte die Wohnung zu einem Laden umbauen. „Ich bin total dankbar dafür“, sagt Löhmann. Auch, dass ihr Freund ihr bei den Arbeiten geholfen hat. Am 21. August 2022 hat sie ihr Geschäft am Badweg 14 in Frasdorf eröffnet.
Ihre Kunden seien zu zwei Dritteln Männer und ein Drittel Frauen, Tendenz steigend. Die Handwerkerin verarbeitet Stroh-Rohlinge, Hasenvelours, Hasenfilz oder Filz aus Schafswolle. Einen Hut aus Velours gibt es ab 270 Euro. „Die Rohlinge werden gerade extrem teuer, eigentlich müsste ich mehr verlangen“, sagt sie. „Aber wegen dem Geld macht man den Beruf nicht.“
Sie stattet Trachtenvereine und Faschingsgilden aus
Bereits als Angestellte sei sie stolz auf ihre Arbeit gewesen, als Selbstständige jedoch noch mehr. „Am schönsten ist es, wenn ich die Leute mit meinen Hüten seh und sie zufrieden sind“, sagt Löhmann. Sie stattet Trachtenvereine und sogar Faschingsgilden aus. Für die Aschauer Garde hat sie das Prinzengewand genäht. „Obwohl ich keine Schneiderin bin“, betont sie. Bei der Generalprobe sei sie sehr nervös gewesen. Besonders, da sie den Auftrag wegen einer verstorbenen Freundin übernommen hat. Sie sei von den Entwürfen begeistert gewesen.
Nach dem plötzlichen Tod der Freundin habe Löhmann absagen wollen. „Sie hätte das nicht gut gefunden“, sagt die Hutmacherin. Also hat sie weitergemacht, das Gewand in ihrer Wohnung genäht. Ihre Werkstatt habe sie nicht mehr betreten können, fast acht Wochen habe sie dort nicht mehr arbeiten können. Zu viele Erinnerungen.
In Gedanken an ihre verstorbene Freundin
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal nicht mehr kann“, sagt Magdalena Löhmann. Die beiden seien aufgewachsen wie Schwestern. Die Mutter der Freundin sei ihr Vorbild, sie habe eine Schneiderei im Haus und auch den Staatspreis gewonnen.
Nun arbeitet Magdalena Löhmann, um „da oben jemanden stolz machen“. Immer im Kopf habe sie dabei ihr Lieblingszitat, aus dem Film „Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“: „Das ist kein Nähen. Sie holen den Himmel auf die Erde.“




