„Hier hab ich zum ersten Mal geschmust“
Abriss des Aiblinger Lindenkinos: Was passiert mit den grünen Schmuse-Sesseln?
Bald rücken die Bagger an, in wenigen Wochen verschwindet das geschichtsträchtige Impulse-Haus samt Lindenkino aus dem Aiblinger Stadtbild. Doch was passiert jetzt mit den bequemen, grünen Kinosesseln? Und welche Rolle spielten sie beim „ersten Date“?
Bad Aibling – Wer dieser Tage in den weichen, samtigen Sesseln versinkt und dabei in Erinnerungen schwelgt, der kann es unter Umständen noch spüren – das nostalgische Flair echter Kinoatmosphäre, der Geruch von Popcorn, das Vibrieren der Soundanlage. Denn auch wenn das Bad Aiblinger Lindenkino bereits vor der Corona-Pandemie den Betrieb eingestellt hatte, herrschte dort in der Lindenstraße nun noch einmal reges Treiben.
Im Februar teilten die Verantwortlichen des Impulse-Hauses sowie des Lindenkinos dem OVB mit, dass der gesamte Gebäudekomplex in Kürze weichen wird. In wenigen Wochen rollen die Bagger an, im April kommt die Abrissbirne zum Einsatz. Danach soll es dort einen Neuanfang geben, bis 2026 wird an gleicher Stelle ein Mehrfamilienhaus mit 15 Wohneinheiten und drei Gewerbeeinheiten entstehen.
„Es fällt einfach überall etwas an“
Erste Absperrungen um das Gebäude, in dem sich neben Kino und Bettengeschäft auch noch Praxisräume befinden, deuten bereits jetzt die anstehenden Bauarbeiten an. Doch bis sich hier tatsächlich eine Baustelle breit macht, muss noch einiges passieren. „Die letzten Wochen waren schon nicht ohne, es fällt einfach überall etwas an“, sagt Robert Siersch, während er im alten Kinosaal steht und sich auf einen der aneinandergereihten Kinosessel stützt. Genau diese müssen noch raus, weshalb man sich eine besondere Aktion überlegt hat, erzählt der Aibvision-Geschäftsführer, dem das geschichtsträchtige Lindenkino gehört.
„In der Kürze der Zeit haben andere Kino-Kollegen jetzt keine Verwendung für die Stühle“, schickt Siersch voraus. Deshalb wolle man nun die Menschen aus Bad Aibling und Umgebung damit beglücken und bietet die Sessel zum Verkauf. „Die ohne Lehne für 50, die mit Lehne für 70 Euro“, sagt Siersch über die Sitzgelegenheiten, die 2012 für deutlich mehr Geld eingebaut wurden und die noch immer in sehr gutem Zustand sind.
Bruckmühlerin sichert sich „Stück Geschichte“
An zwei Tagen (zuletzt am Karfreitag) öffneten die Betreiber noch einmal den legendären Kinosaal für Interessierte, die womöglich Verwendung für das Inventar haben. Beim Besuch vor Ort jedenfalls herrscht reges Treiben, Akkuschrauber surren und die Sessel werden nach und nach vom Boden abmontiert. Auf einigen reservierten Exemplaren liegen bereits Papiere mit der Aufschrift „Verkauft“.
„Ich richte tatsächlich mein Wohnzimmer neu ein“, nennt Catherine Faber den Grund für ihr Kommen. Kürzlich habe sie sich eine grüne Couch gekauft, die farblich zufällig perfekt zu den Kinosesseln passe. Für die Bruckmühlerin, die mit gleich vier Kinostühlen eine Sitzecke plant, ist das Mobiliar jedoch nicht nur ein Gebrauchsgegenstand. „Das ist schon ein Stück Geschichte“, sagt Faber, bevor sie mit mehreren Helfern die Stuhlreihe auf einen Anhänger wuchtet.
Sie selbst sei schon als Kind ins Lindenkino gegangen. „Mein letzter Film war hier Once Upon a Time in Hollywood“, erinnert sich die Frau, die „richtig traurig“ sei, dass die legendäre Institution nun für immer verschwinden werde. Immerhin hat sie nun ein Stück Aiblinger Historie in ihrem Wohnzimmer.
Einrichtung mit nostalgischem Flair
Eine weitere Besucherin montiert gerade zusammen mit ihrem Mann zwei Kinosessel ab. „Er ist ein großer Kinoliebhaber“, sagt sie. Nun entstehe zu Hause eine ganz neue, nostalgisch angehauchte Sitzecke. Überhaupt sei die Nutzung der Käufer völlig unterschiedlich, berichtet Patric Bacher-Kuhn, der zusammen mit Robert Siersch der Geschäftsführung des Aibvision angehört.
So habe sich etwa ein Sportverein für seine älteren Herren eine Bank aus den grünen Unikaten ergattert. Andere wollen ihren Partykeller damit bestuhlen oder ein Heimkino einrichten. „Manche bauen sich die Sessel sogar in ihren VW-Bus ein“, sagt Bacher-Kuhn. Für ihn besonders bewegend: „Wenn man mit den Leuten so spricht, merkt man erst, welche Bedeutung das Lindenkino für sie hatte.“ So berichteten ehemalige Lindenkino-Gänger etwa von ihren ganz persönlichen Erfahrungen. Eine ältere Dame habe etwa von ihrem ersten Date im Kino erzählt, sagt der Geschäftsführer. „Sie sagte dann beispielsweise: ‚hier habe ich das erste Mal geschmust‘.“
Kino-Zukunft ist gesichert
Viele interessierten sich auch einfach aus nostalgischen Gründen für die Sitze. Bacher-Kuhn ist jedoch ganz wichtig, dass das Ende des Lindenkinos auch mit einem Neuanfang und „tollen Wohnungen“ verbunden sei. „Eine Türe geht zu, eine andere auf“, betont er. Und: „Es gibt in Bad Aibling ja glücklicherweise auch noch die Gelegenheit, ins Kino zu gehen“, sagt er und hofft, dass auch in Zukunft die Menschen fleißig in die Bahnhofstraße zum Filme schauen kommen werden. „Damit es auch in Zukunft weiterhin ein Kino geben kann.“
Denn man könne nicht wissen, ob es heute überhaupt noch ein Kino in Bad Aibling geben würde, hätte Robert Siersch das Lindenkino damals nicht übernommen und später das Aibvision Filmtheater in der Bahnhofstraße errichtet.
Wie es mit dem Bettenfachgeschäft weitergeht
Während für das Lindenkino nun der letzte Vorhang fällt, geht es für das Bettenfachgeschäft an anderer Stelle weiter. Die Schwestern Marianne Krug-Semsch und Gertrud Krug wagen in Berbling in der Heinrichsdorfer Straße 11, in den Räumlichkeiten der Schreinerei Holzmaier, ab Mitte April einen Neuanfang.


