55 Jahre Karstadt-Gebäude in Rosenheim – Teil 1
Gab es nicht schon ein 50. Jubiläum 2007? – Und wie es zum „Karstadt-See“ in Rosenheim kam
Am 16. April jährt sich die Eröffnung des heutigen Karstadt-Gebäudes zum 55. Mal. Wir blicken anhand von Berichten aus dem OVB-Zeitungsarchiv auf die Bauarbeiten ab 1968 zurück. Zunächst einmal gehen wir der Frage nach: Gab es nicht schon ein 50. Jubiläum 2007? Außerdem erfahrt Ihr, wie es zum „Karstadt-See“ in Rosenheim kam.
Rosenheim - Eingangs stellt Ihr Euch vielleicht die Frage: „Moment mal, gab es da nicht vor einer Weile schon einmal ein 50. Jubiläum?“ Denn Ende 2007 wurden 50 Jahre Karstadt Rosenheim gefeiert. „Wir haben Grund zum Jubeln“, zitierten die-OVB-Heimatzeitungen damals Bürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU). Gerade durch Karstadt bekomme die Einkaufsstadt Rosenheim ein besonderes Profil. Andererseits gab es aber auch 1995 bereits eine Feier zum 25-jährigen Bestehen in Rosenheim, wie damals die Zeitung schrieb. Wie kann das sein? Ist es vielleicht so, wie beispielsweise mit den Jubiläen des Herbstfests? „Es kommt darauf an, worauf man als Datum des Jubiläums Bezug nimmt“, erläutert Herbert Borrmann, früher selbst Abteilungsleiter bei Karstadt und renommierter Kenner der Stadtgeschichte.
Im April 1957 hatte „Oberpollinger“, München, seit 1927 im Besitz der „Karstadt“-Aktiengesellschaft, das alteingesessene Kaufhaus Wilhelm KG in Rosenheim übernommen. Nach umfangreichen Umbauten wurde das Haus am 9. November 1957 als „Kaufhaus Oberpollinger“ wiedereröffnet. Dies wäre also die Grundlage für die Feier 2007. „Das Jubiläum, welches etwa 1995 gefeiert wurde, war jenes der Eröffnung des Kern-Gebäudes des inzwischen unter der Marke ‚Galeria‘ stehenden Kaufhauses“, so Borrmann weiter, „Diese fand nach umfangreichen und zwischenzeitlich durch einen Wassereinbruch auf der Baustelle verzögerten, von 1968 zwei Jahre andauernden Bauarbeiten am 16. April 1970 statt.“
55 Jahre Karstadt-Gebäude in Rosenheim - Teil 1: War da nicht schon ein 50. Jubiläum? - Und wie es zum „Karstadt-See“ in Rosenheim kam
Gehen wir also zurück zum Beginn der Bauarbeiten. „Das Karstadt-Haus in Rosenheim, dessen Neubau bevorsteht, wird einmal das größte Warenhaus im Südosten Bayerns darstellen. Mit dem Abreißen des bisherigen Gebäudes an der Hauptverkehrsstraße der Stadt wird dieser Tage begonnen“, konnte das OVB am Donnerstag, den 7. März 1968 vermelden. „Heute eröffnet Karstadt das Ausweich-Kaufhaus in der Tiefgarage des Salingartens. Mit dieser Neuerung, die für das Wirtschaftsleben der Stadt einen bedeutenden Abschnitt einleitet, wird der bisherige Firmenname Oberpollinger in Karstadt umbenannt. Oberpollinger war bekanntlich schon bislang ein Teil des Karstadt-Konzerns.“
Fotos: Bau und Eröffnung des Karstadt-Gebäudes in Rosenheim 1968 bis 1970




Zu diesem Zeitpunkt waren es bereits 41 Jahre, seit 1927 Karstadt, damals noch die „Rudolph Karstadt AG“, mit der gesamten Firma M. J. Emden Söhne Oberpollinger übernommen hatte. Das 1905 gegründete Kaufhaus sollte dann bis 2015 Teil des Karstadt-Konzerns bleiben. Im Zuge der Konkurs der Signa-Gruppe trennten sich ihre Wege. „Mit der Inbetriebnahme des Ausweich-Kaufhauses geht auch in der Firmenbezeichnung eine Veränderung Hand in Hand. War bisher Oberpollinger der Hauptname des Kaufhauses und stand Karstadt gewissermaßen im Untertitel, so wird es nunmehr genau umgekehrt sein. Nicht zuletzt aus Gründen der einheitlichen Werbung trägt auch das Haus in Rosenheim künftig den Firmennamen Karstadt“, erfahren wir unterdessen aus dem Artikel zum Baubeginn 1968.
Vorstellung der Pläne 1968: Alle betonen, Karstadt wird eine Bereicherung, keine Konkurrenz für den Einzelhandel
Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und dem damaligen Bürgermeister Steinbeißer, so erfahren wir aus dem Bericht von Anfang März sei außerdem harmonisch gewesen. Karstadt-Vorstandsmitglied Dr. Walter Deuss betonte, dass das Projekt kein Problem für den Einzelhandel sein werde, im Gegenteil: „Ein Vollwarenhaus, wie es hier entstehe, übe eine große Anziehungskraft aus. Es werde damit ein Einzugsgebiet angesprochen, in dem sich etwa 200.000 künftige Kunden befinden (einschließlich Tirol). Daraus werde selbstverständlich auch die Konkurrenz ihren Vorteil ziehen. Ein solcher Neubau sei daher nicht schädlich, sondern nützlich für den gesamten Einzelhandel der Stadt.“ Darin habe er ausdrücklich mit Steinbeißer übereingestimmt.
„Wir müssen wie ein Magnetfeld wirken. Wenn wir es nicht tun, tun es andere; zum Beispiel München“, wird das Stadtoberhaupt zitiert. „Wandere der Kunde aber dorthin ab, dann hätte die Auswirkung davon die gesamte Wirtschaft Rosenheims zu tragen.“ Die Bedenken des Einzelhandels habe dessen Verbandsvorsitzender Heinz Haubitz angeschnitten. „Ein Plus sei jedoch, dass es nicht nur anziehend auf benachbarte deutsche Gebiete, sondern auch auf das nahe Österreich wirke. Von Vorteil sei es ferner, dass Karstadt ein Gesamtsortiment bringe, und somit nicht einzelne Wirtschaftszweige dem Konkurrenzdruck ausgesetzt werden. Die von Haubitz geäußerte Hoffnung, dass die bisher geübte faire Preispolitik auch in Zukunft aufrechterhalten bleibe, bestätigte Dr. Deuss vollinhaltlich. Eine gemeinsame Gefahr hätten beide Redner in der Konkurrenz „auf der grünen Wiese“, den Verbrauchermärkten am Stadtrand gesehen, „die große Verkaufsflächen unter wesentlich leichteren Bedingungen errichten können, als das im Stadtzentrum der Fall sei.“
Zuerst Freude über uralte Baumstämme, dann eine Beinahe-Katastrophe
Zwischenzeitlich gab es am 24. Oktober noch eine spannende Mitteilung: „Uralte Baumstämme fanden sich bei den Aushubarbeiten für das Karstadt-Kaufhaus an der Münchener Straße. Die mächtigen Stämme von rund 70 cm Durchmesser lagen parallel zur jetzigen Münchener Straße, die sich in ihrer Trasse ziemlich genau mit der alten ‚Landstraße nach München‘ oder, wie sie später hieß, der ‚Chaussee nach Aibling‘ deckt. Es ist also anzunehmen, dass diese Stämme einst zum Unterbau und zur Befestigung der ehemaligen Landstraße dienten, wahrscheinlich zur Überbrückung einer der vielen Gießen oder Kölln (= nur selten wasserführender Graben, wie früher einer beim Loretowagner bestand). Leider war bei der Dringlichkeit der Bauarbeiten keine Möglichkeit, die Stämme näher zu untersuchen.“ Es könne sich auch um Moor- oder Steineichen handeln.
„Vorübergehend sah es nach einer Katastrophe aus - Wassereinbruch in der Baugrube des Karstadt-Neubaues — Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz und Polizei im Einsatz“, lautete die Überschrift eines Berichts am Samstag, den 2. November 1968, „In der Baugrube des Karstadt-Neubaues im Zentrum Rosenheims entstand am Donnerstagabend durch einen Wassereinbruch vorübergehend eine gefährliche Situation. Die umliegenden Wohnungen mussten geräumt werden. Für die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, das Rote Kreuz und die Polizei herrschte Großeinsatz. Die Gefahr konnte jedoch bald gebannt werden, ohne dass Menschen zu Schaden kamen.“
Wassereinbruch bringt Baustelle zum Stillstand
Dabei habe man extra darauf geachtet, dem tückischen Baugrund in Rosenheim Rechnung zu tragen, so der Bericht vom 2. November. „Noch ehe das Vorhaben bauaufsichtlich genehmigt und der Bau begonnen wurde, fanden eingehende Bodenuntersuchungen statt, die von Spezialisten vorgenommen wurden und von erstklassigen Fachleuten überprüft worden sind. Dann - so erfuhren wir von Oberbürgermeister Dr. Steinbeißer gingen die Statiker ans Werk und auch ihre Ergebnisse wurden nochmal überprüft, ehe eine bauaufsichtliche Genehmigung durch die Stadt erfolgte.“ Man habe extra zudem sogenannte Schlitzwände angebracht. Diese hätten Risse und undichte Stellen entwickelt, womit aber gerechnet worden sei.
Damals wie heute: Gillitzerblock mit Karstadt gehört zu Rosenheims wichtigsten Ecken




„Am Donnerstag um 17.45 Uhr entstand jedoch eine unerwartete Situation. Aus einer Ecke der Baugrube drang Wasser ein, das mit den herkömmlichen Mitteln (Kiesaufschüttung) nicht mehr abgedämmt werden konnte“, so der Bericht weiter. Unter anderem hätten in der Folge die Gäste eines benachbarten Hotels sicherheitshalber evakuiert werden müssen. Zudem wurden die Geräte aus der Baugrube geholt. „Da keine ändere Möglichkeit bestand, den Wassereinbruch zum Stillstand zu bringen, entschlossen sich die Fachleute, die Baugrube zu fluten. Die Feuerwehr legte Leitungen zu allen Wasseranschlüssen in der Umgebung und in elf Stunden hatte das Wasser die notwendige Höhe von sechs Metern erreicht, um die Einbruchstelle zu egalisieren. Die Gefahr war damit gebannt.“ Nun würden sich zunächst eigenes eingeflogene Fachleute die Lage betrachten und es müssten weitere Maßnahmen geprüft werden, um Schäden an Nachbargebäuden auszuschließen.
Ursache des Schadens ist ein „Nest“
„Als Ursache des Schadens wurde ein sogenanntes Nest, das aus einem in der Stahlbetonwand eingeschlossenen Erdklumpen bestanden hatte, von der örtlichen Bauleitung der Karstadt AG angegeben“, konnte die Zeitung dann am 5. November vermelden. „Wegen Unterspülungsgefahr mussten die angrenzenden Häuser geräumt werden. Diese Gefahr ist nun gebannt worden. Die entstandenen Hohlräume im Untergrund sind mit Beton vollgepumpt worden. In den nächsten Tagen werden weitere Injektionen eingebracht. Allerdings wurde von der Feuerwehr das Rückgebäude des Anwesens Münchener Straße 8 vorsorglich geräumt, bis die Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sind.“ Die Schäden an jenem Gebäude hätten sich allerdings in Grenzen gehalten.
Nach dem Motto „Wer den Schaden hat ...“ war im Fasching des folgenden Jahres dann einer der Wägen dann ein „U-Boot für den Karstadt-See“, wie wir aus der Ausgabe vom 19. Februar 1969 erfahren. Doch die Beschäftigung mit der Grube ging weiter: „Drei ausgebildete Taucher des Rosenheimer Bundesgrenzschutzes waren gestern auf der Karstadt-Baustelle im Einsatz. Bei Bohrungen waren die Bauleute am Donnerstag in einer Tiefe von sechs Metern auf Widerstand gestoßen. Wie sich herausstellte, handelt es sich bei dem Hindernis um Bohrrohre, die beim unverhofften Wassereinbruch im November 1968 liegengeblieben waren“, erfahren wir in der Ausgabe vom 15. März. In völliger Dunkelheit hätten die Taucher die Rohre dann zerschneiden müssen. „Die Taucher tasteten die Gegenstände in der Finsternis erst ab, bevor sie zum Schweißen übergingen, teilte uns Oberstleutnant Bruno Jansen vom BGS mit.“
September 1969 erscheint der Neubau dann erstmals im Stadtbild
Schließlich, am 19. September 1969 kann die Zeitung vermelden: „Der Neubau des Kaufhauses Karstadt an der Münchener Straße erscheint jetzt im Stadtbild, nachdem man ein Jahr lang hier nur den Bauzaun sah.“ Schlussendlich, am 29. November, ist es soweit: „Richtkrone über dem Karstadt-Haus“. Im Bericht dazu heißt es: „Bei einem Rundgang konnte man einen Eindruck von den enormen technischen Einrichtungen gewinnen. Die Be- und Entlüftungsanlage modernster Art sorgt für ständig gleichbleibende Temperaturen unabhängig von Jahreszeit und Witterung. Dazu bedarf es keinerlei Außenöffnung. Sie würde nur störend wirken. Künstliches Licht wird in solch technischer Vollkommenheit installiert, dass es einen vollen Ersatz für das Tageslicht darstellt.“
„Zu dem bisherigen Warenangebot werden noch hinzukommen: Haushaltsartikel und Lebensmittel, dazu weitere Hartwarenabteilungen, ferner eine eigene Konditorei und eine Metzgerei. Die Versorgung des Warenhauses mit Waren wird von dem neugebauten Lagerhaus in der Ruedorfferau aus durchgeführt. Genügend Parkraum steht in der nahegelegenen Tiefgarage im Salingarten zur Verfügung“, so der Artikel weiter und schließt: „Mit einem Standkonzert der Samerberger Blaskapelle unter Leitung von Franz Stadler wurde die Hebefeier eingeleitet. Nachdem die von Musikmeister Hollersbacher eigens komponierte ‚Karstadt-Fanfare‘ uraufgeführt worden war, zog man die Richtkrone, die vorher durch die Stadt gefahren wurde, hoch. Der Richtschmaus fand in der Inntalhalle statt.“
Alle Blicke ins Zeitungsarchiv auf der Themenseite:
Alle bisher erschienen Artikel aus der jeden Samstag um 15 Uhr erscheinenden Reihe „In alten Zeitungsbänden gestöbert“, aber auch diverse zusätzliche Artikel über spektakuläre Kriminalfälle, bekannte Persönlichkeiten der jüngeren Zeitgeschichte sowie andere bedeutende Ereignisse, nacherzählt an Hand von alten Zeitungsartikeln findet Ihr ab sofort auf dieser Themenseite.
Im demnächst erscheinenden zweiten Teil sind wir dann bei der Eröffnung im Jahr 1970 angelangt und werfen auch noch einen Blick voraus, was in den folgenden Jahren noch geschah. (hs)




