Fassungslosigkeit, Entsetzen, Forderungen
„Unvorstellbar“: Tier-Drama auf Hof in Griesstätt – hat das Kontroll-System versagt?
17 verendete Tiere auf einem Hof in Griesstätt: Nach wie vor ist die Fassungslosigkeit groß. Wie konnte das passieren? Fest steht: Die Ursachenforschung läuft noch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine Frage, die sich viele stellen: Hat das Kontrollsystem versagt?
Griesstätt – Fassungslosigkeit in Griesstätt: Auch Bürgermeister Robert Aßmus ist der Schock über das Geschehen auf einem Hof in der Gemeinde deutlich anzumerken. Er will sich zu dem Fall nicht äußern, auch weil er die genauen Hintergründe noch nicht kennt. „Derzeit sind viele Gerüchte im Umlauf, daran werde ich mich nicht beteiligen.“ Nur so viel: „Man hofft als Bürgermeister immer, dass so etwas in der eigenen Gemeinde nicht passiert.“
Aufklärung nun Sache der Behörden
Griesstätt sei trotz der Tatsache, dass auch hier in den vergangenen Jahren viele landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben hätten, nach wie vor sehr ländlich geprägt. „Wir haben mehrere tolle Vorzeigebetriebe“, findet Aßmus. Von Problemen, wie sie anscheinend auf dem Hof vorherrschten, auf dem die 16 toten Rinder und Schafe gefunden wurden, habe er nichts gewusst. „Jetzt gilt es, die Sache in aller Ruhe aufzuarbeiten“, fordert er.
So sieht es auch der Kreisobmann der Bauern, Josef Andres aus Pfaffing. „Die Aufklärung ist Sache der Behörden. An Spekulationen beteiligen wir uns nicht.“ Er hat selber keine Informationen zum Griesstätter Fall, der Bauernverband müsse diesbezüglich von den zuständigen Ämtern oder Stellen auch nicht informiert werden. Trotzdem sagt Andres: „Das Geschehene geht einem ans Herz.“
„Unvorstellbar“ ist der Fall in seinen Augen angesichts „der Dichte an Kontrollen auf unseren Höfen“. -Der Betrieb von Adres und Sohn beispielsweise hat sich einem Qualitätssicherungssystem angeschlossen, bei dem die Einhaltung der Hygiene-, Produkt- und Betriebshygiene überprüft werde. So auch am Morgen des 27. März, als die Redaktion der Kreisobmann der Bauern daheim am Telefon antraf: Die Kontrolleure hätten sich nur wenige Stunden zuvor auf dem Hof angemeldet. QM- oder QS-Zertifizierungen seien in der Regel notwendig, um die Milch an Molkereien verkaufen zu können.
Anlass für Kontrolle war eine anonyme Anzeige
Wieso ist die Situation auf dem Hof in Griesstätt deshalb erst jetzt aufgefallen? Anlass für die Tierschutzkontrolle durch das Veterinäramt war laut Staatsanwaltschaft Traunstein eine anonyme Anzeige. Sie sorgte dafür, dass zwei Mitarbeiterinnen des Veterinäramts die Räumlichkeiten auf Missstände bei der Tierhaltung durchsuchten. Und fündig wurde: 14 Rinder waren tot, drei Schafe ebenfalls verendet, drei weitere Rinder mussten laut Staatsanwaltschaft „aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes eingeschläfert werden“. Die Todesursache erforscht nun das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Das sagt das Landratsamt zu den Kontrollen
War der Hof schon vorher im Visier der Behörden? Auf Anfrage teilt das Landratsamt dazu mit: „Der betroffene Betrieb wurde in den vergangenen Jahren mehrmals kontrolliert, zuletzt am 31.05.2023. Die im Rahmen der vorangegangenen Kontrollen festgestellten Mängel wurden durch den Tierhalter fristgerecht abgestellt. Bei den beiden zuletzt durchgeführten Kontrollen, beide im Jahr 2023, wurden keine Verstöße festgestellt.“
Kontrollen der Veterinärverwaltung würden in der Regel unangekündigt und anlassbezogen durchgeführt. Dabei werde die gesamte Tierhaltung auf die Einhaltung der einschlägigen veterinärrechtlichen Vorgaben überprüft. Aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Traunstein könne die Behörde jedoch keine Aussage bezüglich eines möglichen Haltungsverbots treffen. „Von Seiten des Veterinäramts wird für den Betrieb ein Haltungs- und Betreuungsverbot angestrebt. Ein solches Verbot wird Gegenstand des Gerichtsverfahrens sein“, heißt es abschließend.
SPD und Grüne im Landtag kritisieren System der Kontrollen
Der Fall in Griesstätt hat auch politischen Konsequenzen. SPD und Grüne im bayerischen Landtag haben mit Erklärungen reagiert, in denen sie Reformen einfordern.
Die SPD-Fraktion bemängelt, mit dem Geschehen in Griesstätt seien es schon fast ein halbes Dutzend Tierschutzskandale in Bayern allein im laufenden Jahr. Ruth Müller, landwirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, fordert mehr Kontrollen, vor allem dann, wenn schon bekannt sei, dass es Auffälligkeiten gebe. „Wenn Landwirte ganz offenbar überfordert sind, brauchen sie schnelle und niedrigschwellige Hilfe – und nicht ewige Verschlepperei und Duldung der Umstände.“
Ein Grund, warum die Behörden nicht genau hinschauen würden, könnte der Personalmangel in den Veterinärämtern sein, vermutet die SPD. „Offenbar taugt das System der Kontrollen, das die Staatsregierung etabliert hat, nicht“, heißt es in einer Presseerklärung. „Wir fordern, dass die Behörden nach Verstößen in Zukunft besonders gründlich kontrollieren. Selbstverständlich müssen sie dafür auch ausreichend Personal zur Verfügung haben“, so Müller weiter.
Der Fall in Griesstätt hat auch die Landtags-Grünen veranlasst, in einer Presseerklärung eine deutliche Stärkung des Tierschutzes zu fordern. Paul Knoblach, Sprecher für Tierschutz, schreibt: „Wieder qualvoll verendete Tiere auf einem Bauernhof, wieder im Raum Rosenheim. Wieder war es ein aufmerksamer Informant, der das entdeckt hat, und nicht die zuständige Veterinärbehörde. Wenn sich herausstellt, dass das ein weiterer Tierschutzskandal in der inzwischen haarsträubend langen Reihe der vergangenen Monate ist, muss sich jetzt sofort der Ministerpräsident einschalten.“ Der Freistaat habe „ein haarsträubendes Tierschutzproblem“. Das System der Kontrollen sei gescheitert.
Die Landtags-Grünen fordern einen detaillierten Aktionsplan, außerdem einen unabhängigen Landestierschutzbeauftragten oder eine Beauftragte. Um die Probleme strukturell anzugehen, habe die Grünen Fraktion zudem eine Sachverständigenanhörung zu Veterinärkontrollen und wiederholten Tierschutzverstößen in Rinderhaltungen im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus beantragt.
