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Sprengkommando aus München mit Hubschrauber eingeflogen

„War ein gefährlicher Blindgänger“: Neue Details zur Granatensprengung im Watzmannkar

Ein Polizeihubschrauber fliegt durch die Luft. Eine Alm vor dem Watzmann-Gebirge. Eine alte Granate aus dem Zweiten Weltkrieg liegt auf einer Wiese.
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Die Granate vom Watzmannkar ist vergleichbar mit dem Fund, der vor sechs Jahren am Langbürgner See bei Bad Endorf gemacht wurde (Bild rechts oben). Das Sprengkommando wurde zur Einsatzstelle im Watzmannkar gebracht.

Ein Bundespolizist entdeckte im Watzmannkar bei Schönau am Königssee eine Granate. Aus München rückte das Sprengkommando an, untersuchten das Fundstück und führte eine kontrollierte Sprengung durch. Doch: Wie läuft ein solcher Einsatz ab? Wie oft werden solche Überbleibsel in den Alpen entdeckt? Und wie gefährlich sind sie wirklich? Die Grenzpolizei und ein beteiligter Sprengexperte verraten weitere Details.

Schönau am Königsee - Beim Wandern und Klettern in den Bergen denkt man in erster Linie an die atemberaubenden Aussichten, an die schweißtreibenden Touren oder an eine leckere Brotzeit auf einer Alm. Man bestaunt die Natur, die Tiere, die Pflanzen - und denkt sicherlich nicht an das Thema Granaten. Doch hin und wieder werden in den Alpen militärische Überbleibsel aus den Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs entdeckt. Bereits im vergangenen Sommer kam es zu einer solchen Entdeckung im Watzmannkar. Und im Mai fand ein Hobbytaucher eine Stielhandgranate im Thumsee bei Bad Reichenhall.

Am Dienstagnachmittag gab die Grenzpolizei Piding bekannt, dass es erneut im Watzmannkar bei Schönau am Königssee einen gefährlichen Fund gab. Ob sich der Bundespolizist privat oder dienstlich in diesem Bereich aufhielt, konnten weder ein Polizeibergführer der alpinen Einsatzgruppe noch die Bundespolizeiakademie, die das Trainingszentrum Kührointhaus ganz in der Nähe der Fundstelle betreibt, bestätigen.

Blick vom Großen Hundstod auf den Watzmann.

Bundespolizist brachte Granate an einen anderen Ort

Der Sprecher aus Piding erklärte jedoch auf Nachfrage, dass die Granate von dem Mann in Sicherheit gebracht wurde, damit Unbeteiligte nicht so leicht darauf treffen konnten. Denn die Sprengung fand nicht am selben Tag statt, dementsprechend markierte er die Stelle für die später eintreffenden Experten aus München. „Der Kollege hat das sehr gut gemacht und die Granate so deportiert und gesichert, dass sie nicht ohne Weiteres ausgelöst werden konnte.“

Eine Hubschrauberstaffel brachte dann das Sprengkommando sowie die Bergführer zum Einsatzort im Watzmannkar. „Zu Fuß hätte das unverhältnismäßig lange gedauert“, so der Polizist. Vor der Sprengung, die nach zwei Stunden erledigt war, sorgten die Bergführer für die Sicherheit. „Im Watzmannkar gibt es nicht nur einen Weg, sondern viele Steig-Möglichkeiten. Damit keine Unbeteiligten verletzt werden, haben wir uns weitläufig aufgestellt und das Gebiet damit abgesperrt“, schilderte der Sprecher aus Piding.

7,5 Zentimeter Durchmesser

Auf Nachfrage beim Sprengkommando des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in München heißt es, dass die Gebirgssprenggranate einen Durchmesser von 7,5 Zentimetern hatte. Diese Munition wurde damals extra für die Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg entwickelt. „Das war eine Granate mittleren Typs. Es gibt kleinere Varianten, aber auch solche mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern“, teilt Sebastian Braun mit. Er bestätigt: Es handelte sich um einen gefährlichen Blindgänger. Und macht klar: „Es ist ein Irrglaube, wenn man denkt, dass die schon 80 Jahre dort herumliegt und nichts mehr passieren kann“, teilt Braun mit. „Im Gegenteil, die werden mit der Zeit immer gefährlicher.“

Das gelte vor allem für Fundorte in solcher Höhe, weil die Witterung und Bedingungen noch stärker auf das Material wirken. Unter Umständen besteht sogar die Möglichkeit, dass solche Blindgänger einfach so explodieren. Das gilt auch für Steinschlag oder Geröllverschiebungen durch den Schnee. „Ganz wichtig: Es könnte, muss aber nicht zur Explosion kommen. Grundsätzlich sollte jedem bewusst sein, dass man ohne Fachkenntnisse solche Munition nicht anfassen, damit hantieren, sie einstecken oder wegtransportieren sollte“, betont Braun.

Tödliche Sprengkraft

Die Sprengkraft lasse sich nur schwer beziffern, weil es unterschiedliche Granatentypen und unterschiedliche Sprengstoffe gebe. Aber: Zusammen mit der Splitterwirkung bei einer Detonation, wenn kleine und größere Steine zu Geschossen werden, ergibt sich eine verheerende Wirkung. „Das ist in einem bestimmten Radius - mindestens 20 bis 30 Meter - definitiv tödlich“, so der Experte. Wie das Produktionsjahr auf dem Zünder verriet, stammte die Granate aus dem Jahr 1943.

Wenn es zu solchen Entdeckungen kommt und diese bei der Polizei gemeldet werden, wird entschieden, wie schnell gehandelt werden muss. „Sobald Leib und Leben gefährdet sind, egal ob von Mensch oder Tier, handeln wir sofort und kommen noch am selben Tag“, erklärt Braun. Die alpine Polizei rücke sofort aus, dokumentiere den Fund mit Bildern und sende diese nach München. „Wir können dann schon genauer einschätzen, wie gefährlich die Situation ist und welche Schritte eingeleitet werden müssen.“

Wenn die Zeit zum Faktor wird

Bei der kontrollierten Sprengung gibt es mehrere Dinge zu beachten. „Wenn wir auf eine Höhe von über 2000 Metern kommen müssen, wird auch die Zeit zum Faktor. Wenn Gefahr in Vollzug ist, bringt uns die Hubschrauberstaffel München schnellstmöglich zur Fundstelle.“ Vor Ort wird dann entschieden, welche Sprengtechnik angewendet wird, um die Gefahren möglichst zu minimieren. Das heißt zum Beispiel, dass die Granate unter einen Felsblock gebracht wird, damit keine Splitterwirkung entstehen kann. Dabei stimmt sich das Sprengkommando auch mit den Behörden wie der alpinen Einsatzgruppe der Polizei ab, weil natürlich auch die Sicherheit gewährleistet werden muss.

Dort wurde bis zum bitteren Ende gekämpft.

Sprengexperte Sebastian Braun

Der Experte warnt davor zu denken, dass man in den malerischen Bergen niemals auf solche gefährlichen Relikte treffen könnte „Fanatische Truppen haben damals bis zum Schluss gekämpft und sich sehr weit in den alpinen Bereich zurückgezogen“, beschreibt der Sprengexperte. Stellvertretend sei der „Adlerhorst“ auf dem Obersalzberg zu nennen. „Dort wurde bis zum bitteren Ende gekämpft.“

Einsatzzahlen gestiegen

Braun bestätigt, dass mit Beginn der Pandemie auch mehr Meldungen bei den Sprengexperten eingingen. „Seitdem mehr Menschen in den Alpen unterwegs sind, wurde unsere Einsatzzahl erhöht.“ Kleinfunde, von denen keine Gefahr ausgehe, gibt es immer wieder. Aber zu größeren Einsätzen im Bereich der Alpen wird das Sprengkommando drei bis fünf Mal im Jahr alarmiert. „Vieles kann man auch abtransportieren, weil die Zünder nicht mehr funktionieren. Aber die Einsätze, in denen wir kontrolliert sprengen, erzielen natürlich die meiste Aufmerksamkeit.“

Es muss niemand für einen solchen Einsatz sein Leben riskieren.

Sprengexperte Sebastian Braun

Auch wenn man durch die Filmindustrie natürlich eine grobe Vorstellung vom Aussehen von beispielsweise Handgranaten hat: Für ihn ist klar, grundsätzlich immer die Polizei zu verständigen. Selbst dann, wenn man sich nicht sicher ist. „Es muss niemand für einen solchen Einsatz sein Leben riskieren. Niemand verlangt, dass man solche militärische Überbleibsel zu 100 Prozent erkennt.“ Braun rät, sich immer auf den ausgewiesenen Wegen aufzuhalten und nicht querfeldein zu marschieren. „Das ist auf jeden Fall besser, weil diese Wege von den Alpenvereinen und der Polizei immer wieder begangen und kontrolliert werden.“

Es gibt sogar Hotspots

Aus der beruflichen Erfahrung weiß Braun: In ganz Bayern seien militärische Überbleibsel wie Pistolen, Gewehre, Granaten und weitere Munition zu finden, die von der Wehrmacht und den Amerikanern genutzt wurden. Vieles davon wurde auch in Bombentrichtern, Seen oder Wälder entsorgt. Es gibt sogar regelrechte Hotspots, doch diese möchte er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Die Staatsregierung führe verschiedene Maßnahmen durch, bei denen diese Gebiete gezielt abgesucht werden, damit keine Gefahren für die Bevölkerung entstehen.

Auch wenn es manchmal Fundstücke aus dem Ersten Weltkrieg gibt, stammt das meiste Material aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Hin und wieder treffen Braun und seine Kollegen auch auf neuere Sprengmittel, als die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg in den Bergen Übungsmanöver durchführten. „Das ist eher die Ausnahme.“ Doch egal, ob älter oder jünger: Grundsätzlich bleiben alle Überbleibsel gefährlich, macht Braun klar. (ms)

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