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Bundeswehr unterhält dort Standortübungsplatz

Interessenkonflikt auf der Reiteralpe? Wie Bundeswehr und Naturschützer Hand in Hand gehen

Auf dem  Hochgebirgsübungsplatz Reiteralpe haben sich Dutzende Soldaten zu einer Besprechung beim Lenzkaser zusammengefunden. Ein Helikopter der Bundeswehr hebt ab. In dem Gebiet leben auch Birkhühner.
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Das Gebiet beheimatet strengeschützte Tierarten, aber die militärische Nutzung der Reiteralpe hat Vorrang.

Die Reiteralpe dient der Bundeswehr als Hochgebirgs-Standortübungsplatz, der einzige seiner Art in ganz Deutschland. Gleichzeitig ist die Teilfläche des Nationalparks Berchtesgaden bekannt für ihre Artenvielfalt und Biodiversität, die es zu schützen gilt. Schieß- und Sprengübungen auf der einen, Birkenhühner und Bergpieper auf der anderen Seite, dazwischen Wanderer und Skitourengeher: Droht hier ein Interessenkonflikt? Kann das überhaupt funktionieren? Es kann, und das sogar richtig gut.

Schneizlreuth/Ramsau - Mit einem Runden Tisch zur Erarbeitung des Managementplans lud die Regierung von Oberbayern am Dienstag alle Grundeigentümer und Träger öffentlicher Belange in das Haus der Berge ein. Denn das FFH-Gebiet „Nationalpark Berchtesgaden, Teilfläche Reiteralpe“ weist eine Besonderheit auf: Die circa 536 Hektar große Fläche ist zu 90 Prozent identisch mit dem Hochgebirgs-Standortsübungsplatz der Bundeswehr.

Zugleich befinden sich auf dem Hochplateau zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die über den Aufbau des europäischen Biotopverbundnetzes mit der Bezeichnung „Natura 2000“ geschützt werden sollen. Doch nicht nur das: Über die Fauna-Flora-Habitat- (FFH) sowie die Vogelschutz-Richtlinie werden Lebensräume, Arten sowie einzelne Verfahrensschritte, also Maßnahmen, benannt und geregelt. „Es handelt sich um ein europaweites Schutzprojekt, das seit 1992 errichtet wird. Es geht darum, den Artenrückgang zu stoppen und wieder mehr Vielfalt zu entwickeln“, verdeutlichte Dr. Wolfgang Hochhardt von der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern.

Die Latschenkiefer-Ausbreitung sorgt für Probleme, da sie Pflanzen und Tiere einschränkt und sogar ihren Lebensraum bedroht.

Reiteralpe macht 2,5 Prozent der Nationalparkfläche aus

Deswegen beauftragte die Behörde das Büro für Ökologie & Naturschutz „coopNATURA“, deren Stellvertreter Simone Längert und Jörg Oberwalder die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorstellten. Die Reiteralpe stelle als subalpiner Gebirgsstock der nördlichen Kalkalpen etwa 2,5 Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks dar, wie Längert schilderte. „Alpinismus, Tourismus, Hüttenverpachtung, Jagd und Höhlenforschung spielen hier eher eine untergeordnete Rolle“, betonte sie.

Die 536 Hektar teilen sich etwa zur Hälfte in Waldgebiet und offene Flächen auf, wobei: Letztere bestehen tatsächlich nur zu 13 Prozent aus wirklich offenem Gelände, denn Alpenrosengebüsche und vor allem Latschenkiefer breiten sich immer mehr aus. Spannend: In den 13 Prozent, die tatsächlich offene Flächen nachweisen, befinden sich laut Längert etwa 95 Prozent der Arten. „Wer einmal versucht hat, sich durch einen Latschenkiefer-Wald zu kämpfen, der weiß, warum“, erläuterte sie. Auch deshalb kommt der Bekämpfung der Latschenkiefer künftig eine besondere Rolle zu, etwa durch extensive Beweidung, denn sie verdrängt durch ihre Ausbreitung viele andere Arten.

Bedeutendes Vorkommen an Birkhühnern

Während sich die Fauna insgesamt in einem guten bis sehr guten Zustand befindet, sieht es bei manchen Tieren etwas anders aus. Die Arten wurden jeweils nach den Kategorien Population, Habitate und Beeinträchtigungen über einen monatelangen Beobachtungszeitraum im Sommer überprüft.

Beim Birkhuhn beispielsweise wurde deutlich, dass sich die Population und die Habitate in einem guten Zustand befinden. „Im Gebiet der Reiteralpe befindet sich etwa ein Prozent des deutschlandweiten Vorkommens. Für gerade einmal 500 Hektar ist das ein sehr bedeutendes Vorkommen“, machte Oberwalder klar. Die Art generell gilt durchaus als gefährdet, da es immer weniger Lebensräume gibt.

Das Vorkommen der Birkhühner wird als bedeutend eingestuft.

Anpassungsfähig, aber nur bis zu einer gewissen Grenze

In der Kategorie Beeinträchtigungen herrsche durchaus Handlungsbedarf. „Ob das an der Latschenkiefer-Ausbreitung oder der Bundeswehr liegt, ist unklar. Für Störungen kann auch ein Adler sorgen, der über das Gebiet fliegt“, gab Oberwalder zu bedenken. Als ein Offizier entgegnete, dass schon Tiere dabei beobachtet worden seien, wie sie nur 50 Meter von Schießübungen relativ entspannt das Geschehen beobachtet hätten, entgegnete Oberwalder: „Die Tiere passen sich den Gewohnheiten vor Ort an, etwa an den Skitourengeher, der sich auf der üblichen Spur bewegt, oder den Soldaten, der auf der festgelegten Schießbahn unterwegs ist.“

Diese regelmäßigen, vorhersehbaren Störungen auf klar definierten Gebieten sind nicht das Problem. Das gilt auch für einmalige, kurze, unvorhersehbare Beeinträchtigungen. „Diese müssen ,verkraftbar‘ sein, denn sonst wäre die Art schon längst ausgestorben.“ Schlimme Folgen können häufigere, aber unregelmäßige und damit für Wildtiere unvorhersehbare Störungen haben. Insgesamt gesehen gehe es den meisten Tierarten gut, so Oberwalder.

Die Reiteralpe ist der einzige Hochgebirgsübungsplatz der Bundeswehr in ganz Deutschland.

„Ein Unikat auf 1600 Metern Höhe“ für die Bundeswehr

Wie wichtig die Reiteralpe für die Bundeswehr ist, betonten Hauptmann S. und Stabsfeldwebel L. aus Bad Reichenhall. Den Hochgebirgsübungsplatz gebe es seit den 60er-Jahren und er sei der einzige seiner Art in ganz Deutschland. „Das ist ein Unikat für die Bundeswehr auf 1600 Metern Höhe, auf dem im Sommer wie im Winter wichtige Übungen stattfinden, um den Nato-Auftrag und die Bündnisbereitschaft zu erfüllen“, erklärten sie. Die Übungsplätze im Ausland würden nicht alle benötigten Optionen für das Training erfüllen, zudem werde die Zusammenarbeit mit manchen Ländern - zum Beispiel mit Österreich - von Jahr zu Jahr schwieriger.

„Die geopolitische Lage hat sich, wie alle wissen, sehr verändert, weshalb manche Anlagen und Flächen der Reiteralpe wieder verstärkt genutzt und baulich verändert werden. Dabei werden artenschutzrechtliche Anliegen überprüft und beachtet, das ist auch in unserem Interesse“, teilten die beiden Reichenhaller Offiziere mit. Erst im März absolvierten Rekruten ihre erste Basisausbildung und im Dezember stellten Soldatinnen und Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 231 beim Gefechtsschießen ihre Kriegstauglichkeit unter Beweis.

Die Besonderheit der Reiteralpe

Bettina Schraube vom Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr schilderte zudem eine Besonderheit des Übungsplatzes: „In Bayern gibt es etwa 200 Liegenschaften, davon befinden sich 45 auf ,Natura2000‘-Gebieten. Im Gegensatz zu den anderen Flächen haben wir die Reiteralpe nur gepachtet.“

Das Gelände gehöre größtenteils den Bayerischen Staatsforsten, dadurch ergebe sich keine Verpflichtung zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen. In einigen Bereichen, zum Beispiel bei der Seilbahn und den Lenzkasern, würden trotzdem pflegerische Schritte unternommen. Doch was hat nun insgesamt Vorrang, der Naturschutz oder die Bundeswehr? „Bei der Ausweisung 2008 wurde mit dem Freistaat Bayern geklärt, dass die militärische Nutzung stets Vorrang hat, selbst bei veränderter militärischer Nutzung“, so Schraube.

Häufiger Schießübungen bei der Neuen Traunsteiner Hütte

Schneizlreuths Bürgermeister Wolfgang Simon wollte noch von den Bundeswehrvertretern wissen, ob in der Nähe der Neuen Traunsteiner Hütte verstärkt geschossen werde. Denn die Zustiege dorthin erfolgen über öffentliche Wander- und Klettersteige und die Gemeinde bewerbe die Hütte als touristisches Ziel.

Die Bundeswehr führt hier, im Sommer wie im Winter, verschiedenste Übungen durch.

„Grundsätzlich handelt es sich um ein militärisches Sperrgebiet. Mit der Gemeindeverwaltung und dem zuständigen DAV wurde vereinbart, die Wege temporär zu sperren oder entsprechend umzuleiten, wenn Übungen durchgeführt werden. Notfalls müssen die Wanderer ein bis zwei Stunden Wartezeit in Kauf nehmen“, erklärten die Offiziere. Doch wer sich auf den offiziellen Wegen aufhalte, habe generell nichts zu befürchten.

Insgesamt lobten alle Beteiligten, darunter auch Mitarbeiter der Bayerischen Staatsforsten und des Nationalparks, die vorbildliche Pflege der Naturschutzflächen sowie das gute Zusammenspiel von Bundeswehr, Behörden, Revierleitern und Almbauern. „Den Rest erledigen die Kühe“, hieß es. Wie diese beim Kampf gegen die Latschenkiefer unterstützt werden können, um dem Artenschutz zu helfen, wurde bereits in ersten Ansätzen miteinander diskutiert.

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