Höhe im Untersberg kämpft mit Schrumpfung
Marktschellenbergs verborgenes Juwel: Eishöhle ringt um Touristen
Deutschlands größte Eishöhle liegt im sagenumwobenen Untersberg – und hat ein massives Schwundproblem: Nicht nur das Eis geht sukzessive zurück, sondern auch die Besucherzahlen.
Marktschellenberg – Das einzigartige Ausflugsziel am Untersberg „muss man sich hart verdienen“, sagt der Verantwortliche Helfried Unterberger, Vorsitzender des Vereins für Höhlenkunde Schellenberg. Schon bald ist der Zugang wieder möglich. In den vergangenen Wochen suchte der Verein noch nach neuen Eishöhlenführern, die Interesse an einem der sicherlich ungewöhnlichsten Nebenjobs der Region haben.
Keine zwei Monate sind es noch, bis die Schellenberger Eishöhle wieder öffnet. Und bis dahin ist für die Freiwilligen des Höhlenkundevereins noch jede Menge Vorarbeit zu leisten. „Wir investieren rund 1000 Arbeitsstunden, um die Eishöhle nach dem Winter wieder begehbar zu machen“, sagt Helfried Unterberger, den alle nur Heli nennen. Stufen müssen in das Eis gefräst und Gummimatten verlegt werden, damit Höhlengänger nicht ausrutschen.
Die Höhle ist ein von Extremen geprägter Standort. Faszinierende Eisformationen und mächtige Hallen finden sich tief im Inneren des Untersbergs. Das Konstrukt aus Gängen, Kammern und Hallen ist auf eine Länge von 3,6 Kilometern erforscht. Für die Öffentlichkeit sind nur rund 600 Meter zugänglich. Es ist dies allein der eisführende Teil. Betreten darf man diesen allerdings nur mit entsprechender Führung. Sieben Höhlenführer gibt es dafür, die eigens ausgebildet sind und zwischen 18. Mai und Mitte Oktober täglich Höhlenerkundungen anbieten.
Die Eisformationen und Felsgrotten sind Anschauungsobjekt und Forschungsfeld zugleich. Wissenschaftler rund um Prof. Dr. Andreas Pflitsch von der Ruhr-Universiät Bochum haben eine große Zahl an Daten-Loggern installiert und messen seit Jahren Temperatur, ermitteln Eisstände und halten Ausschau nach jahrtausendealten Pflanzenresten, tief verborgen im gefrorenen Nass. Einige Entdeckungen hat es bereits gegeben: So stießen die Forscher etwa auf ein Blatt im Eis, das auf das Jahr 648 nach Christus datiert wurde. Weitere Funde aus dem Jahr 2019 waren noch älter, rund 2000 Jahre.
Höhle liegt auf 1570 Metern
Die Marktschellenberger Eishöhle liegt auf 1570 Metern Meereshöhe. Mit 60000 Kubikmetern Eis und einer Dicke bis zu 30 Metern fasziniert das Naturschauspiel jedes Jahr rund 5500 Besucher und nur eine kleine Handvoll Forscher. „Früher kamen doppelt so viele Gäste pro Jahr“, sagt Heli Unterberger, der den Verein seit fünf Jahren anführt. Der Rückgang der Eishöhlenbesucher hat Gründe. Denn um zum Höhleneingang aufzusteigen, muss man einiges an Zeit einplanen, „rund drei Stunden, um zu Fuß hinzukommen“, sagt Heli Unterberger. Alternativ kann man mit der Untersbergbahn von Grödig aus nach oben fahren, den Bergkamm entlang wandern Richtung Stöhrhaus. Wer dort den Thomas-Eder-Steig nimmt, sollte trittsicher und schwindelfrei sein. Rund eine Stunde spart man sich dann.
Nichtsdestoweniger bleibt der Besuch der Eishöhle ein Tagesausflug: Bis die Führung vorbei und man wieder unten im Tal ist, ist der Tag fast vorbei. „Es gibt im Umfeld so viele andere Ausflugsziele, die einfacher zu erreichen sind“, sagt Unterberger und erklärt damit den Rückgang der Besucher im Laufe der vergangenen Jahre.
Unterberger ist Österreicher, im Salzkammergut aufgewachsen, gebürtig aus Bad Ischl. Seit mehr als 20 Jahren wohnt er in Marktschellenberg auf deutscher Seite. „Die Bayern haben mich gut hier aufgenommen“, sagt er. Heli Unterberger führt einen Verein an, der im kommenden Jahr 100-jähriges Bestehen feiert. Darauf ist die überschaubare Mannschaft stolz. Mit Deutschlands größter Eishöhle wachen die ehrenamtlich Arbeitenden über ein Naturspektakel, das vor dem Klimawandel nicht gefeit ist.
Massiver Rückgang des Eises
„Wir haben einen massiven Rückgang des Eises“, sagt Heli Unterberger. Allein in der Angermayerhalle, der Eingangshalle der Schellenberger Höhle, „haben wir durch die Klimaerwärmung einen Eisschwund von einem halben Meter – in nur einem einzigen Jahr“, sagt der Vereinsvorsitzende. Das sei massiv. Angesichts einer Eisdicke von bis zu 30 Metern ist das aber – noch – verschmerzbar. In der Regel wächst das Eis über die Wintermonate nach. Doch die Tendenz ist deutlich. „Unser Eis schmilzt.“ Trotzdem gibt es Ausnahmen der Regel: Der Eisrückgang betrifft nicht die gesamte Höhle. An gewissen Stellen, so etwa im sogenannten Mörckgang, konnte ein Team aus Wissenschaftlern eine Eiszunahme feststellen. Zusammenhängen dürfte dies, laut deren Erkenntnissen, mit dem Gefrieren des Schmelzwassers aus den oberen und wärmeren Bereichen der Höhle.
Weil sich das Weltklima weiterhin in einer Wärmephase befindet, ist es dennoch nicht ausgemacht, dass die Dynamik in der Eishöhle den Verantwortlichen in die Karten spielt.
Buch soll erscheinen
Spätestens im kommenden Jahr soll es ein Buch über die größte Eishöhle Deutschlands geben, wissenschaftlich aufgearbeitet. Seit knapp 20 Jahren finden die Messungen statt. „Wir hoffen, dass wir dieses Jahr eine gute Saison haben und viele Besucher begrüßen dürfen“, sagt Heli Unterberger. Die Vorbereitungen auf die Saison sind bereits in vollem Gang.
Ab 18. Mai ist die Eishöhle in Marktschellenberg geöffnet. Führungen werden täglich zwischen 10 und 16 Uhr angeboten. Weitere Infos unter info@eishoehle.net.
kp
