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Verein aus Marktschellenberg auf Personalsuche

Eishöhlenführer gesucht: Warum man sich einen der ungewöhnlichsten Nebenjobs „verdienen“ muss

Aus der ganzen Welt kommen Besucher zur Schellenberger Eishöhle.
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Die Höhlenführer begrüßten schon Besucher aus über 50 Nationen, darunter Brasilien, China und Australien.

„Du bist gerne in den Bergen unterwegs, physisch belastbar, kannst auch schwere körperliche Arbeiten verrichten und hast Freude dabei, Menschen kennenzulernen?“ Mit diesen Worten geht der Verein für Höhlenkunde Schellenberg auf Personalsuche, denn: Für die Saison von Mai bis Oktober wird noch ein/e Eishöhlenführer/in gesucht. Dass es sich um keinen normalen Nebenjob handelt, wird im Gespräch mit den langjährigen Führern Markus Preinfalk und Ludwig Mayer deutlich. Sie haben „dort oben“ schon so einiges erlebt.

Marktschellenberg - Gämsen und Dohlen bei der Arbeit, jeden Tag ein atemberaubender Ausblick auf die Berchtesgadener Alpen, Gäste aus der ganzen Welt, einzigartige Eisschichten, Übernachten auf 1450 Metern Höhe: Es gibt nur wenige Nebenjobs, die das alles und noch mehr bieten können. Doch Markus Preinfalk und Ludwig Mayer wissen nur zu gut: „Die Eishöhle muss man sich verdienen.“ Das trifft auf die Besucher und auch auf die Höhlenführer zu, wie sie erklären.

Das fängt schon beim Weg zur einzigen für Besucher erschlossenen Höhle in Deutschland an. Mit einem Jeep können die Führer die ersten 500 Meter vom Eishöhlen-Parkplatz über eine Forststraße hinauffahren. Die nächsten 500 Meter bis zur Toni-Lenz-Hütte können nur zu Fuß zurückgelegt werden. Bis man an der Höhle ankommt, liegen etwa drei Stunden, sieben Kilometer und 1000 Höhenmeter hinter einem. Im Frühjahr muss vor Saisonbeginn die Höhle, die zum Unterberg dazugehört, auf Vordermann gebracht werden.

Auch das gehört zur Arbeit als Eishöhlenführer: Harte körperliche Arbeit.

Körperlich harte Arbeit vor dem Saisonstart

„Wir müssen dann mit Kettensägen Stufen ins Eis schneiden, Matten auslegen, Seile spannen, Geländer aufstellen. Das ist viel Arbeit, vor allem körperlich anstrengend und in einer nasskalten, unangenehmen Umgebung“, weiß Mayer zu berichten. Die Höhlenführer müssen das nicht alleine erledigen: Mehrere Vereinsmitglieder packen mit an und auch die Gebirgsjäger aus Strub schicken immer einige Soldaten. Diese sammeln damit wichtige Erfahrungen für ihre Ausbildung, wie der 71-Jährige schildert. Ungefähr zwei Wochen dauert es, bis die Eishöhle besuchertauglich gemacht wird.

Mayer ist bereits seit 2017 als Führer aktiv. Genauso wie der langjährige Höhlenführer Paul Schmaus, der nach 18 Jahren 2022 aufgehört hat, wohnt er in Inzell. „Ich habe mich schon immer für Geologie und Höhlen interessiert. Über Paul bin ich zu diesem Posten gekommen, denn hier kann ich beides verbinden.“ Da Mayer und Markus Preinfalk ehemalige Arbeitskollegen sind und Letzterem nach seiner Selbstständigkeit mehr Zeit zur Verfügung stand, wurde das Inzell-Trio 2019 quasi vervollständigt. „Nachdem ich mehrmals mit ausgeholfen habe, hat mich Paul gleich als Führer mit engagiert“, lacht der 61-jährige Preinfalk.

Die Toni-Lenz-Hütte liegt nur 15 Minuten von der Höhle entfernt. Dort können die Führer in einem eigenen Zimmer übernachten.

Übernachtungen in der Toni-Lenz-Hütte

Bereut haben sie alle diesen Schritt nicht, denn der Höhlenalltag bietet einige Besonderheiten. Das fängt schon damit an, dass sie meistens zwei bis drei Tage am Stück arbeiten und dann in der Toni-Lenz-Hütte übernachten. Dort haben sie ein kleines Zimmer, in dem es an nichts fehlt. Es gibt sogar einen kleinen Ofen. Wenn ihr Tag startet, nehmen sie aus der Hütte auch die Ausrüstung mit: Handlampen für die Besucher, Eintrittskarten, Wechselgeld.

Die restliche Ausrüstung - Helme und warme Kleidung - ist in der Höhle. „Immer wieder kommt es vor, dass wir schlecht vorbereitete Besucher haben oder welche, die spontan vorbeikommen. Im Inneren herrschen Temperaturen von 0 bis 4 Grad“, erzählt Mayer. Das musste auch ein Filmteam schmerzlich feststellen, das für Dreharbeiten extra hoch zur Höhle gelaufen war und die Kälte im Inneren unterschätzt hatte.

Wenn es mal regnet, haben die Höhlenführer die Möglichkeit, sich in einem Kassenhäuschen unterzustellen. Manche Besucher dachten schon, dass es sich um eine Toilette handelt „Aber es kam zum Glück noch niemand auf die Idee, sein Geschäft darin zu verrichten“, betont Preinfalk mit einem Schmunzeln. Die Höhlenführer sind bei jedem Wetter oben anzutreffen. Gewitter? Schneefall im September oder Oktober? Kommt schon mal vor. Langweilig wird es so oder so nicht. Selbst wenn niemand kommt, was ausgesprochen selten vorkommt, gibt es immer im Inneren der Höhle etwas zu tun.

Das Kassenhäuschen bietet im Notfall Schutz vor Regen.

Meistens acht bis zehn Besucher pro Führung

Bei den stündlichen Führungen, die ab 10 Uhr beginnen, sind meistens acht bis zehn Besucher in einer Gruppe. „Manchmal ist es auch nur eine Person, die dann eine ganz individuelle Führung bekommt. Es gab aber auch schon 40 bis 50 Personen in einer Führung“, schildert Mayer. Bevor die Führungen beginnen, muss die Höhle jeden Tag aufs Neue kontrolliert werden. Sind Steine heruntergefallen? Sind die Geländer stabil? Die Stufen vereist? Und wenn die letzte Führung des Tages vorbei ist, wird die Höhle erneut überprüft. Ein Knochenjob, ohne Frage, aber ein ganz besonderer.

„Wenn wir nach der Führung das Leuchten und Strahlen in den Augen der Besucher sehen, macht das viele Mühen wett. Das sind alles Personen, die das unbedingt wollen: Die nehmen schließlich den ganzen Weg zur Höhle auf sich.“ Dazu die Natur, die einen jeden Tags aufs Neue überrascht: Regelmäßig tummeln sich Gämsen in der Nähe der Höhle, auch Dohlen sind immer wieder im Inneren zu sehen. Manchmal aus erfreulichen Gründen, manchmal aus traurigen: Die Rabenvögel brüten häufig im Eingangsbereich, laut Preinfalk „immer wieder ein tolles Ereignis“. Doch die Dohlen ziehen sich zum Sterben auch in Felsnischen und Höhlen zurück - nicht umsonst wird ein Bereich Dohlenfriedhof genannt.

Gämsen sind häufiger im Bereich der Eishöhle zu beobachten.

Wenn das Eis etwas Neues freigibt

Und so ist es wenig überraschend, dass es immer wieder Besucher gibt, die nachfragen, ob in der Höhle schon Tiere gefunden wurden. Oder ob es schon urzeitliche Funde gab. „Also wir haben noch kein Mammut und auch keinen Ötzi entdeckt. Manchmal gibt das Eis organisches Material, zum Beispiel Holz oder Blätter, frei. Das wird dann zu Forschungszwecken als ganzer Block aus dem Eis herausgesägt, das war’s aber schon“, erzählt Mayer. Naturgemäß drehen sich viele Fragen um das Eis, etwa wie das Alter festgestellt wird. Auch der Klimawandel beschäftigt die Besucher. „Das beschäftigt viele, wenn wir ihnen den Rückgang des Eises zeigen.“

Es tut uns leid, aber unsere Führungen starten immer pünktlich.

Markus Preinfalk

Manchmal wird es auch skurril: Rund um den Untersberg gibt es viele Mythen und Sagen. Eine davon dreht sich um Zeitlöcher: Wenn man in eine der Höhlen geht, soll dort die Zeit schneller vergehen. „Eine Stunde im Berg ist gleich eine Woche außerhalb des Berges. Wir müssen diese ernstgemeinten Fragen aber immer mit einer Enttäuschung beantworten: Es tut uns leid, aber unsere Führungen starten immer pünktlich. Wir wollen die Menschen aber nie vorführen, das gehört auch zu unserem Job“, erklärt Markus Preinfalk.

Keine Lust auf Sensationstouristen

Auch das Unglück in der Riesending-Schachthöhle im Juni 2014, als der Forscher Johann Westhauser in 950 Metern Tiefe und circa 6,5 Kilometer vom Einstiegsschacht entfernt verletzt wurde, wird immer wieder zum Thema gemacht. Vor allem der Standort der Höhle stößt auf Interesse. „Wir geben den aber nicht preis. Der Zugang ist eh verschlossen, aber selbst das würde Sensationstouristen immer noch anziehen.“

Mayer und Preinfalk durften mittlerweile Gäste aus über 50 Ländern begrüßen, dementsprechend sind englische Grundkenntnisse notwendig. Besucher aus Brasilien, Indien, China, Israel und noch vielen weiteren Nationen waren bereits in der Höhle unterwegs. „Ein Australier spielte als Orchestermusiker bei den Salzburger Festspielen. Der kam in Ledersandalen hinauf und wollte barfuß durch die Höhle laufen, weil er das immer so macht. Der hat das wirklich durchgezogen“, erinnert sich Preinfalk.

Idealisten gesucht

Um das bestehende Team aus aktuell fünf Höhlenführern, darunter zwei Frauen (Markus Preinfalk, Ludwig Mayer, Birgit Eder, Andrea Plendl und Stefan Sassenrath), zu unterstützen, sucht der Verein für Höhlenkunde Schellenberg seit einigen Wochen nach Verstärkung. Jemand, der flexibel ist und am besten von Mai bis Oktober mehrere Tage pro Monat Zeit hat. Wie der Vorsitzende Helfried „Helli“ Unterberger beschreibt, reicht als Bewerbung ein kurzer Lebenslauf. „Uns ist es egal, ob jemand einen Doktortitel hat oder einfacher Handwerker ist, aber es sollten schon die Naturverbundenheit und die Vorliebe für Berge deutlich werden. Man muss auch kein Forscher oder Kletterer sein, es ist auch keine Höhlenerfahrung notwendig“, schildert Unterberger.

Entweder als Minijob oder in einem festen Angestellten-Verhältnis, beides ist möglich. Klar sollte aber auch sein: Der Verein kann nur den Mindestlohn bieten. „Dieser Job ist nicht zum Geldverdienen geeignet. Wir wollen Idealisten, die das Geld nehmen, aber es hauptsächlich wegen der Natur machen“, betont Markus Preinfalk. Denn diesen Knochenjob machen alle Höhlenführer deswegen, weil es ihnen unheimlich viel Spaß macht. Weil die Natur sie immer wieder überrascht, weil das Strahlen in den Gesichtern der Besucher vieles ausgleicht. Weil man sich die Eishöhle einfach verdienen muss.

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