Reduziert und nachhaltig
Leben auf 21 Quadratmetern: Samuel Meisinger baut sich eigenes Tiny House in Bischofswiesen
Das neue Zuhause von Samuel Meisinger steht auf vier Rädern. Der 25-Jährige hat beschlossen, aus dem Haus, in dem er mit seinem Vater und dem Bruder wohnt, auszuziehen. In ein selbst gebautes Tiny House. Zeit zur Fertigstellung hat er genug. „Ich bin ja Lehrer und habe jetzt Sommerferien.“
Bischofswiesen – Seit fünf Wochen ist Samuel Meisinger schwer beschäftigt. Das Projekt, das sich der gebürtige Burghauser vorgenommen hat, ist zugleich Schnitt und Schritt im Leben des jungen Mannes. Seit drei Jahren geistert der Wunschtraum in dessen Kopf herum. Der Techniklehrer, der in Bad Reichenhall und Berchtesgaden unterrichtet, will raus aus dem Haus des Vaters in Bischofswiesen und rein ins Zuhause auf vier Rädern. „Unabhängig sein und auf mich gestellt“, sagt der ausgebildete Holzbildhauermeister. Sein Wunsch: ein reduziertes Leben führen auf kleinem Raum. Viele junge Leute verfolgen diese Vorstellung derzeit.
Die Voraussetzungen sind besondere. Ein Tiny House ist ein Minihaus. In Zeiten hoher Immobilienpreise und knapper Grundstücke haben sich mobile Wohnhäuser mit überschaubarer Wohnfläche bewährt. Sie gelten als interessante Alternative zum Neubau - zwar deutlich reduziert, zum Leben alleine reichen sie aber aus. Sein kleines, mobiles Zuhause steht symbolisch für den Wunsch vieler junger Menschen, unabhängig und ressourcenschonend zu leben. Ein Baugrundstück braucht es dazu nicht zwingend. Zumindest nicht im Fall von Samuel Meisinger: Dessen Häuschen steht auf vier Rädern. Es ähnelt einem Hochseecontainer. Vollständig selbst gebaut und jederzeit bereit, den Ort zu wechseln.
Nachfrage nach Tiny Houses steigt
Die Nachfrage nach den Kleinsthäusern ist gewachsen, weiß auch Meisinger. Eine genaue Abgrenzung der Größe, bis zu der ein Haus als Tiny House bezeichnet wird, existiert in Deutschland nicht. In der Regel misst die Grundfläche von Tiny-Häusern zwischen 16 und 30 Quadratmetern. So groß, dass man darin leben kann. Mit Maßen von 8,5 mal 2,5 Metern steht Samuel Meisingers Tiny House auf jenem Lkw-Anhänger-Unterbau, den er sich eigens dafür angeschafft hat. Vier Meter hoch ist der Holzbau aus Fichte.
„Ich habe für das gesamte Material rund 12.000 Euro bezahlt“, sagt Samuel Meisinger. Hinzukommen viele Stunden, in denen der 25-Jährige gesägt, geschraubt und gehämmert hat. Auch die kommenden Wochen will er nutzen, um seinen großen Traum zu verwirklichen. Samuel Meisingers handwerkliches Geschick ermöglicht ihm vieles, was andere vielleicht vor große Herausforderungen stellen würde. „Das Gute ist: Ich kann alles selber machen und habe die Maschinen dazu“, sagt der Handwerker, der seine Ausbildung in der Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei des Berchtesgadener Landes absolviert hat. Seine Meisterschule machte er später in Thüringen. Mittlerweile arbeitet er als Techniklehrer.
Samuel Meisinger hat sich einen Plan gemacht. Er hat viel im Internet recherchiert. „Das Holz für den Unterbau und den Boden hatte ich tatsächlich über“, sagt er. Ein Baugrundstück hat er keines. Also entschied er sich dazu, sein Kleinsthaus mobil zu gestalten. Also so, dass er jederzeit den Standort wechseln kann, wenn es ihm in den Sinn kommt. Eine Genehmigung dazu braucht er dann nicht. Sein erster Standort ist der Garten des Vaters, gleich neben dem großen Gartenbeet, in dem Samuel Meisinger alles nur Erdenkliche an Gemüse anpflanzt. „Da haben wir genug Platz für mein Häuschen.“ Für das Erste ist das die denkbar bestmögliche Lösung.
Neu kaufen? Auf keinen Fall!
Den Korpus des Häuschens hat er aus Fichte gefertigt. „Ich habe schwedische Schlammfarbe verwendet, zum Schutz des Materials.“ Eine schwere Bogentür ziert den Eingang des mobilen Hauses. Es ist die alte Holztür des väterlichen Hauses, die einst ausgetauscht, aber eben dann eingelagert wurde. Diese war zu gut zum Entsorgen, und jetzt kommt sie dem Mittzwanziger gerade gelegen, um die neue Haustür seines Eigenheims zu werden. Samuel Meisinger ist einer, der nachhaltig denkt: Vier Fenster zieren sein Tiny House. Neu kaufen? Kam für ihn nicht infrage. Er hat sich auf dem örtlichen Wertstoffhof umgesehen und dort zwei Fenster entdeckt, die ein anderer recyclen wollte. „Die waren aber noch gut.“ Also hat er sie hergerichtet und in das Haus integriert. Zwei weitere fand er bei eBay-Kleinanzeigen. Der Verkäufer bot sie zu einem Spottpreis an. Der Bischofswieser musste zuschlagen.
Mit Holzfaserdämmplatten isoliert er sein Häuschen an allen Seiten, um es vor Kälte von außen zu schützen. Bei der Elektrik lässt er sich von einem Bekannten helfen. „Da bin ich etwas vorsichtig.“ Samuel Meisinger hat in seinem neuen Eigenheim an alles gedacht: Auf den rund 21 Quadratmetern vereinen sich Küche und Wohnzimmer. Es ist Platz für Klamotten und den Alltagskrusch, den man so zum Leben braucht. „Ich habe auch eine Zwischenebene eingefügt“, sagt er. Weil das Container-ähnliche Haus mit vier Metern hoch genug ist, hat er also Platz für ein paar weitere Quadratmeter samt Leiterlösung, auf denen wohl eine gemütliche Sitzgelegenheit platziert werden soll. Alles, was im Tiny House verbaut wird, war bereits in Verwendung. So hat er einen alten Ofen gefunden, den er in einem ehemaligen Stall gefunden hat und den er auf Vordermann bringt. Es wird ein Waschbecken geben sowie einen Duschsack. Mit Wasserkanistern wird er entweder Regenwasser sammeln oder sich zunächst noch am Leitungswasser des väterlichen Hauses bedienen. „Das muss ich mir noch überlegen.“
Viel Zeit, Sommerferien sei Dank
Für das Dach der mobilen Unterkunft hat sich der Holzbildhauermeister eine riesige gelbe Lkw-Plane besorgt, die eine lange Beständigkeit hat und wasserundurchlässig ist. Photovoltaikplatten sorgen für die notwendige Energie, die der sparsame Lehrer im Alltag benötigt. Am Ende müsse es halt zum Leben reichen, sagt er. Samuel Meisinger ist überzeugt davon, dass sein Eigenbau-Häuschen eine gute Ausgangslage für sein künftiges Leben bieten wird.
Die kommenden Wochen wird der Bischofswieser noch jede Menge zu tun haben. Die Zeit dazu hat er. „Es sind Sommerferien, ich habe nichts weiter vor.“ Schrauben, hämmern, wohnlich machen: Der junge Mann ist fest entschlossen, sein Tiny House rechtzeitig vor dem Schulstart fertigzustellen. Für ihn ist es mehr als nur ein Bauprojekt – es ist ein Schritt in Richtung eines selbstbestimmten Lebens. Mit jedem gesägten Brett und jeder geschraubten Schraube kommt er diesem Traum ein Stück näher. (kp)