Entdeckung beim Spaziergang
„Kleine Sensation“: Erste Äskulapnatter seit 2001 in Bad Reichenhall nachgewiesen
Zunächst hatte sich Adelinde Schulz einfach nur über die schöne Begegnung mit der eleganten, großen Schlange gefreut. Dabei wusste sie nicht, dass sie eine besondere Entdeckung gemacht hat: Es handelt sich nämlich um die seltene Äskulapnatter. Wo man sie am ehesten antrifft und wie man bei Sichtungen vorgeht.
Bad Reichenhall – „Diese Beobachtung ist schon eine kleine Sensation“, sagt der Henrik Klar-Weiß, Biodiversitätsberater des Landkreises Berchtesgadener Land. Die letzte bestätigte Sichtung einer Äskulapnatter liegt nämlich bereits 23 Jahre zurück. Im vergangenen August hatte die Untere Naturschutzbehörde dazu aufgerufen, Sichtungen zu melden, da sich die Schlange zwar entlang der Salzach ausbreitet, im Reichenhaller Becken aber bisher kaum vorgefunden wurde.
Die Äskulapnatter, eine kräftig gebaute Schlange, erreicht normalerweise eine Länge von 1,40 bis 1,60 Metern, kann aber bis zu zwei Meter lang werden und gehört somit zu den längsten Schlangen Europas. Ihr Körper hat eine Grundfärbung von olivgrün bis grauschwarz, oft mit glatten, glänzenden Oberflächen. Weiße Ränder an vielen Schuppen erzeugen eine helle Längsstreifenoptik. Der Bauch ist hellgelb bis weißlich gefärbt. Der Kopf ist leicht vom Rumpf abgesetzt und normalerweise ungemustert. Die mittelgroßen Augen haben runde Pupillen. Der Kopf weist acht Oberlippenschilde sowie einen Voraugenschild auf. Sie frisst gerne kleine Säugetiere und Vögel und ist ungiftig.
Der Aufruf brachte zahlreiche Meldungen. „Das waren aber entweder Ringelnattern oder in Gebieten, wo die Vorkommen schon bekannt waren, also in Freilassing, Fridolfing und Tittmoning“, so Klar-Weiß. Doch seit Sonntag (26. Mai) steht fest, dass es sie doch in der Region gibt, denn da gelingt es Adeline Schulz, ein Exemplar in Karlstein zu fotografieren.
Adelinde Schulz begegnet der Äskulapnatter in Karlstein
Aufgrund des schönes Wetters spaziert die Reichenhallerin zunächst zur Burg Gruttenstein. Dort angekommen, entschließt sie sich, die Wanderung bis zur St. Pankraz Kirche fortzusetzen. „Auf dem Weg von Karlstein hinauf zum Pankrazkircherl lag sie dann auf der Straße“, erzählt sie. Um was für eine Schlange es sich bei dem etwa zwei Meter langen Tier handelt, weiß sie zu dem Zeitpunkt noch nicht, daher ist sie vorsichtig und macht ein Foto. „Sie hat sich nicht bewegt und ich hatte Angst, dass sie überfahren wird. Ich habe sie dann mit meinem Wanderstock ein bisschen angestoßen, damit sie sich von der Straße entfernt.“
Adeline Schulz postet das Bild zunächst in die Reichenhaller Facebook-Gruppe. Die meisten sind hier der Meinung, dass es sich um eine Ringelnatter handelt. Nur ein User liegt mit seiner Vermutung richtig. Dass es eine Äskulapnatter ist, erfährt sie jedoch erst, als das Bild über die Zeitung beim Landratsamt landet und von dort die Bestätigung kommt.
„Das ist jetzt ein eindeutiger Hinweis“, sagt Klar-Weiß. „Ich habe das Foto auch Kollegen vorgelegt. Sie waren derselben Meinung.“ Für das ungeschulte Auge ist die Äskulapnatter aus Karlstein jedoch nicht einfach zu erkennen. In der Regel ist sie olivgrün und am Bauch gelblich. Der Biodiversitätsberater hierzu: „Die Farbe kann gerade auf Fotos täuschen. Das hier ist ein Handy-Schnappschuss aus einiger Entfernung. Und natürlich haben die Tiere eine gewisse Bandbreite, vom Grünlichen bis hin zu Dunkelbraun und fast Schwarz.“
Hangwald als ideales Habitat
Dass die seltene Schlange ausgerechnet beim Pankrazfelsen zu finden ist, wundert Klar-Weiß nicht. „Der warme, sehr naturbelassene, felsdurchsetzte Hangwald am Thumsee ist ein ideales Habitat. Er ist den Gebieten in Niederbayern, etwa am Inn-Durchbruch, wo sie schon lange lebt, nicht unähnlich.“ Dieses Jahr habe die Schlange auch in Salzburg eine gewisse Ausbreitungstendenz und werde deutlich häufiger beobachtet, wie erst vor wenigen Tagen am Ausee. Ob sich die Äskulapnatter nun dauerhaft im Reichenhaller Becken niederlassen wird, bleibe zu beobachten. „Ich würde aber davon ausgehen, dass sie jetzt da ist.“
„Das war ein sensationelles Erlebnis“, freut sich Adelinde Schulz über ihre Begegnung mit der Schlange. „Ich werde in nächster Zeit bestimmt noch öfter nach ihr Ausschau halten. Schlangen habe ich ja schon häufig gesehen, aber noch nie eine so große und eine so schön schlanke.“
Was tun, wenn man eine unbekannte oder seltene Schlange gesichtet hat?
Die Äskulapnatter findet man häufig in Auwäldern in südexponierten Lagen. Man trifft den exzellenten Kletterer auch auf Bäumen und sehr häufig in Holzstößen an. Die Äskulapnatter ist nach der Eiszeit aus Südeuropa wieder zurück nach Norden gewandert, hat dabei den Ostrand der Alpen über das Wiener Becken überquert und die Donau, den Inn und schließlich die Salzach besiedelt.
Anschaulich wird die Verbreitung auf der Karte des Netzwerks Global Biodiversity Information Facility (GBIF), in dem mehrere Datenbanken zusammenlaufen. Die bayerische Naturschutzverwaltung hat eine offizielle Datenbank, die sich „KarlaNatur“ nennt. Hier kann man Sichtungen melden. Wer technisch nicht ganz so versiert ist, kann sich auch direkt an die Untere Naturschutzbehörde wenden.
Zudem gibt die Naturschutzbehörde für Sichtungen folgende Tipps:
- Grundsätzlich gilt: Alle Schlangenarten sind streng geschützt. Man darf sie weder fangen noch verletzen noch töten. Ihre Ruhe- und Fortpflanzungsstätten dürfen nicht zerstört werden.
- Vor Schlangen im Garten braucht man in der Regel keine Angst zu haben. Die giftige Kreuzotter taucht dort extrem selten auf. Man findet sie höchstens in Berggebieten oder an Mooren. Ringel-, Schling- und Äskulapnattern hingegen sind gute Helfer bei der Begrenzung von Wühlmauspopulationen in Gärten.
- Im Falle einer Sichtung sollte man sich im Idealfall über die seltene Begegnung freuen und versuchen, das Tier nicht zu stören. Entdeckt man im Komposthaufen ein Nest, sollte man dieses einfach wieder zudecken.
- Falls man eine Äskulapnatter beim Sonnen auf einer Straße antrifft, kann man Sie behutsam ins angrenzende Gebüsch scheuchen, damit sie nicht überfahren wird.
- Eine Schlange gerät für gewöhnlich nur unbeabsichtigt in ein Haus. Lässt man ihr einen Fluchtweg offen und wartet etwas, wird sie in den meisten Fällen von allein wieder verschwinden.
- Fotos sind immer zur genauen Bestimmung hilfreich. Ebenso die GPS-Daten, um die Beobachtung exakt verorten zu können. Auch das Datum sollte man sich notieren.
- Hinweise nimmt der Biodiversitätsberater des Landkreises, Henrik Klar-Weiß, per E-Mail an naturschutz@lra-bgl.de oder telefonisch unter 08651 773-847 gerne entgegen.
mf
