Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Dreimal mehr Verkehrstote als durch Mord und Totschlag“

Blitzmarathon in Bad Reichenhall: Der Polizei über die Schulter geschaut

Polizeihauptkommissar Daniel Bäßler
+
Polizeihauptkommissar Daniel Bäßler bei der Messung in Karlstein

In ganz Bayern fand am Freitag (19. April) der Höhepunkt des Blitzmarathons statt. Auch im Berchtesgadener Land wurde den ganzen Tag über auf verschiedenen Strecken die Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer kontrolliert. Wir haben der Polizei in Bad Reichenhall dabei über die Schulter geschaut und mit den heraus gewunkenen Temposündern gesprochen.

Bad Reichenhall – Pünktlich um 10 Uhr halten zwei Fahrzeuge der Polizei am Parkplatz bei der Feuerwehr in Karlstein. Zuvor haben die Beamten schon eineinhalb Stunden lang am Hallthurm Geschwindigkeiten gemessen. Dort gab es lediglich zwei Verstöße – was an so einem Tag auch normal ist. Die meisten wissen ja, dass zum Blitzmarathon gemessen wird und halten sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Nun geht es erst einmal ans Auspacken und Aufstellen des Messgeräts. „Wir haben strenge Vorgaben, was das Messverfahren angeht“, erklärt Polizeihauptkommissar Daniel Bäßler. Zunächst muss sichergestellt werden, dass das Gerät einwandfrei funktioniert. Es wird auf optische Beschädigungen geprüft. Auch die Eichsiegel müssen intakt sein. Dann durchläuft das Gerät mit dem Laserstahl und dem Objektiv verschiedene Tests, die in ein Protokoll eingetragen werden. Zudem wird sein Standort klar definiert, nämlich zum einen per Skizze und zu anderen mittels einer Bemaßung durch zwei Punkte.

„Das ist alles wichtig, falls es einmal zu einer Gerichtsverhandlung kommt“, so Bäßler. Auch wenn dies äußert selten geschieht: Für den Fall der Fälle wird genau dokumentiert. So gibt es eine Liste, in die Kennzeichen, Uhrzeit, Geschwindigkeit und Bemerkungen eingetragen werden und eine weitere für die Verstöße. Bei Lkw können zusätzlich die Daten auf dem Fahrtenschreiber als Beweismittel sichergestellt werden.

Ab 64 km/h wird heraus gewunken

Nun kann das Messen auf der St 2101 losgehen. Dabei bedient einer der Polizisten das Messgerät, während zwei mit dem Herauswinken beauftragt sind. Das Messgerät hat eine Reichweite von 1000 Metern und erreicht so leicht die Fahrzeuge, die aus der Stadt kommend in Richtung Karlstein um die Rechtskurve fahren.

Das Gerät misst 1000 Meter weit.

Obwohl außerorts, ist hier die Geschwindigkeit wegen Lärmschutz auf 50 km/h begrenzt. In der Geschwindigkeitstabelle können die Beamten ablesen, ab wann sie jemanden heraus winken müssen. Das sind in diesem Fall alle, die mit 64 km/h oder mehr unterwegs sind. Zieht man von den 64 noch 3 km/h als technischen Fehlerbereich ab, ist man also 11 km/h zu schnell gefahren und erhält eine Verwarnung von 40 Euro, die gleich bar oder per Kartenzahlung beglichen werden kann. Ab 69 km/h ist schon eine Geldbuße von 60 Euro fällig. Hier ergeht ein Bußgeldbescheid per Post, plus 28,50 Euro Gebühr.

Die Messung

Besonders spannend für mich: Ich darf das Messen zunächst selbst ausprobieren. Beim Durchschauen erkennt man einen schwarzen Punkt, der von einem Ring umrandet ist. Mit diesem Punkt muss man nun das Kennzeichen fokussieren. Gar nicht so leicht. Immer wieder verdecken der Gegenverkehr oder der Vordermann die Sicht und man muss der Bewegung des Fahrzeugs folgen. Schnell wird mir klar, dass es sehr viel Sinn macht, dass die Beamten eine eigene Schulung für das Gerät brauchen. Hat man nun alles gut eingestellt, drückt man oben auf einen Kopf. Nach ein paar Anläufen wird mein Messergebnis an der Seite des Geräts angezeigt: Die Entfernung betrug 286,7 Meter, die Geschwindigkeit 48 km/h. Also alles im grünen Bereich.

Der Blick durch das Messgerät. Mit dem kleinen schwarzen Punkt muss man das Kennzeichen anpeilen.

Auch wenn gefühlt viele auf dieser Strecke zu schnell fahren: An diesem Tag halten sich zunächst alle an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Der Blitzmarathon wurde ja auch inklusive der Mess-Standorte angekündigt. Die meisten Werte liegen bei 45 km/h. „Auch wenn wir keinen erwischen, haben wir eine Außenwirkung. Wir wollen an diesem Tag die Leute an das Einhalten der Verkehrsregeln erinnern“, sagt der Polizeihauptkommissar. „Wir haben ja dreimal mehr Verkehrstote als durch Mord und Totschlag.“

Drei Verkehrssünder müssen zahlen

Nach gut einer Stunde werden doch noch drei Verkehrssünder rausgefischt oder „verarztet“, wie es Bäßler scherzhaft nennt. Dabei wird eine ganzheitliche Kontrolle durchgeführt. Passt der TÜV? Sind die Reifen abgefahren? Sind die Papiere in Ordnung? Verhält sich der Fahrer auffällig?

Mit 68 km/h wird zuerst ein Audi-Fahrer heraus gewunken. Er bezahlt die 40 Euro mit Karte. „Das ist ja noch im Rahmen“, sagt er. „Ich war in Gedanken. Die Straße ist ja lang und breit.“ Bäßler erklärt dieses Phänomen so: „Die Einheit von Bau und Betrieb einer Straße muss stimmen.“ Aus verkehrspsychologischer Sicht ist manchen nicht klar, warum etwa auf einer breiten, gut ausgebauten Straße eine Geschwindigkeitsbegrenzung herrscht. Daher gibt es etwa auch Hinweisschilder wie „Unfallstrecke“, „Lärmschutz“ und „Schule“. Auch Geschwindigkeitsmessungen am Ortseingang sollen die Fahrer auf zu schnelles Fahren hinweisen. Bäßler betont aber auch: „Ausschlaggebend ist der eigene Tacho. Man muss die Verkehrsteilnehmer nicht immer darauf hinweisen.“ Schließlich habe man ja auch einen Führerschein und kenne die Regeln.

Gleich nach dem Audi folgt ein Mercedes, der heraus gewunken wird. Die gemessenen 71 km/h, die sich der Fahrer selbst auf dem Gerät anschauen möchte, bedeuten eine Anzeige mit einer Strafe von 60 Euro plus Gebühren. „Und Punkte?“, fragt der Fahrer. Nein, die gebe es in dem Fall nicht. „60 Euro sind ärgerlich, aber zu schnell ist zu schnell, das kann man jetzt nicht mehr ändern. Ich habe vom Blitzmarathon im Radio gehört, aber ich war wohl schon im Wochenendmodus“, gesteht er schulterzuckend.

Die höchste gemessene Geschwindigkeit an diesem Tag in Karlstein: 71 km/h bei einer Entfernung von 435,5 Metern.

Der nächste Fahrer, der wegen 67 km/h angehalten wird, hat im Internet vom Blitzmarathon gelesen. „Aber ich wusste nicht mehr, dass das genau heute ist.“ Auch er bezahlt die 40 Euro Verwarnung gleich vor Ort. Alle drei Fahrer zeigen sich freundlich und einsichtig. Sie wissen, dass sie zu schnell gefahren sind. Das sei auch bei fast allen Messungen so, erklärt der Hauptkommissar. Warum zu schnell gefahren wurde, sei der Polizei im Übrigen egal. Ob es jemand eilig hatte oder der Fahrer in Gedanken war, spiele keine Rolle. „Das hilft dem Opfer nicht. Zu schnelles Fahren ist kein Kavaliersdelikt. Aber die meisten halten sich an die Regeln. Wir stehen wegen der fünf Prozent hier, die sich nicht daran halten.“

Nach zwei Stunden ist auch in Karlstein erst einmal Schluss. Der Beamte nimmt die gleichen Testungen wie zu Beginn am Gerät vor und trägt sie ins Protokoll ein. Hatte das Gerät am Hallthurm wegen der niedrigen Temperaturen gleich drei Akkus verbraucht, hat der vierte in Bad Reichenhall gehalten. Nun geht es für die Kollegen weiter nach Weißbach an der Alpenstraße zur nächsten Messung.

mf

Kommentare