Millionensumme in nachhaltige Erweiterung investiert
Revolution in der Jugendtherapie: Klinik Schönsicht in Bischofswiesen betritt Neuland
Die Klinik Schönsicht in Bischofswiesen wird bald medienabhängige Jugendliche behandeln. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin durchgeführt wird, ist einzigartig. Doch bevor die Therapien beginnen können, muss noch viel gebaut werden.
Bischofswiesen – Das Pilotprojekt wird endlich Wirklichkeit. „Wir haben den Zuschlag erhalten“, freut sich Klinikleiterin Iris Edenhofer. Damit ist klar: Medienabhängige Jugendliche werden in der Klinik Schönsicht in Bischofswiesen, ehemals Jagdschloss der Königlichen Jagdgesellschaft, sich künftig therapieren lassen können. Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin. Derzeit wird am Oberkälberstein aber noch fleißig gebaut. Unternehmer Dr. Bartl Wimmer investiert in die Bestandsklinik und in Neubauten mehr als 35 Millionen Euro.
Allein die Kosten für das Heizöl seien enorm hoch gewesen, sagt Iris Edenhofer. Vor ihr liegt ein Ordner: Darin eine Übersicht, wie viel Heizöl die im Umfeld und zur Klinik gehörenden Gebäude jedes Jahr an Heizöl verbrauchten. 56.000 Liter waren es im Jahr 2023. „Das ist unglaublich viel.“ Der hohe Verbrauch fossiler Energieträger passt nicht zur Firmenphilosophie, die der Berchtesgadener Unternehmer Bartl Wimmer mit seinen Projekten in Berchtesgaden verfolgt. „So nachhaltig wie möglich soll es werden“, unterstreicht die gelernte Hebamme, die im Berchtesgadener Gemeinderat für die Grünen sitzt und seit vorvergangenem Jahr die Klinik leitet.
Deshalb entsteht derzeit ein eigenes Heizhaus, ein Holzhackschnitzelkraftwerk am Oberkälberstein. Es ist der erste Schritt zur Unabhängigkeit. Ein paar Nachbarn haben sich bereits angeschlossen. Die Straßen wurden aufgerissen. „Wir werden hier oben autark sein und uns vollumfänglich eigenständig mit Energie versorgen können“, sagt die Klinikleiterin. Wenn es nach dem Zeitplan geht, könnte das Heizhaus bis Ende Oktober, zumindest bis Ende des Jahres, fertiggestellt sein. Wer Iris Edenhofer einen Vormittag lang begleitet, sieht den Aufwand auf Hanggelände, der für die Klinikerweiterung betrieben wird und der auch einiges an Kritik nach sich gezogen hatte: Die Berchtesgadenerin hat am Oberkälberstein aktuell eine Großbaustelle vor der Nase. Jede Menge Fernwärmeleitungen wurden kürzlich im Boden verlegt. Eine eigene Klinikwäscherei ist in der Entstehung. Die Straße hier ist schmal. Viel Lkw-Verkehr, viel Stau und Lärm.
Klinik Schönsicht investiert beträchtliche Millionensumme in nachhaltige Erweiterung
Das groß angelegte Klinik-Erweiterungsprojekt ist auf mehrere Jahre ausgelegt. Von 80 auf 120 Patientenzimmer will Klinikleiterin Edenhofer den zur Verfügung stehenden Raum erweitern, inklusive großer Mensa für mehr als 200 Personen. Derzeit entsteht in Premiumlage ein großes, komplett auf Nachhaltigkeit getrimmtes Holzgebäude mit 24 modernen Zimmern, in denen künftig Kinder mit elterlicher Begleitung untergebracht werden, Panorama-Berglick inklusive. Der Fokus der Klinik liegt auf Kindern und Jugendlichen, die in Begleitung erscheinen und dann mehrere Wochen oder gar Monate in der Schönsicht bleiben.
„Es gibt einen riesigen Bedarf im begleiteten Bereich“, sagt Edenhofer. Die ungefähre Wartezeit für begleitete Kinder liegt aktuell bei rund acht Monaten. Vielfältig sind die in der Klinik behandelten Krankheitsbilder. Klar ist: Reha-Plätze sind rar gesät, zumal der Bedarf deutlich größer ist als das Angebot. Der Kampf gegen Sprachentwicklungsstörungen soll in der Schönsicht Teil des Arbeitsalltags werden. Bis zu drei Jahre Wartezeit sind die Regel. Auch wenn es derzeit schwierig ist, Logopäden zu finden und anzuheuern, ist sich die Klinikleiterin sicher, dass die Suche nicht ganz so viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
Arbeit gibt es für Reha-Kliniken jede Menge. Das grundsätzliche Problem: Der Anteil psychosomatischer Erkrankungen ist seit 2022 deutlich gestiegen. Vor allem nach der Corona-Pandemie. Post-Covid ist auch in der Schönsicht also noch immer ein großes Thema. Allein in diesem Jahr waren es bereits mehr als 55 junge Patienten, die ihren Klinikaufenthalt hier verbrachten. Adipöse Jugendliche, die mit Gewichtsproblemen zu kämpfen haben, kommen hier unter. Kinder mit Asthma, die die Bergwelt zur Erholung nutzen, suchen in Bischofswiesen einen Platz. ADHS und Angststörungen sind weitere Themen. Edenhofer hat sich zur Unterstützung ein Team aus Kinder- und Jugendpsychiatern zusammengestellt. Es sei mehr als schwierig gewesen, qualifiziertes Personal in diesem Sektor zu finden. Deutschlandweit musste sie sich auf die Suche begeben. Selbst tiergestützte Therapien könnte es zukünftig bei gewissen Krankheitsbildern geben, weil diese erwiesenermaßen Erfolge feiern.
Zusage für einzigartiges Therapieprojekt
In Sachen Medienabhängigkeit betritt die Klinik Schönsicht hingegen Neuland. Edenhofer ist dabei Teil des Förderprogramms „rehapro“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Das zugrunde liegende Konzept ist so einzigartig, dass man mit der Knappschaft-Bahn-See und der Charité Berlin Partner im Boot hat. Letzterer wird das Projekt wissenschaftlich begleiten. „Etwas Vergleichbares gibt es noch nicht“, sagt Iris Edenhofer. Handy-, Tablet-, und Spielsüchtige, die oft mehrere Stunden pro Tag vor dem Endgerät verbringen, sind die Zielgruppe. Die Zahl der Betroffenen wächst seit Jahren.
Das Haus, in das bald Familien einziehen werden, ist fertig gebaut, der Innenausbau findet nun statt. Mitte kommendes Jahr wird das Gebäude dann in Betrieb gehen. Ein zweites Haus mit 18 weiteren kleinen Appartements soll 2026 fertiggestellt werden. Eine Tiefgarage mit 69 Stellplätzen wurde in Hanglage bereits vollendet, alles ist auf nachhaltige Elektromobilität hin ausgerichtet, PV-Anlagen inklusive. Die Klinikerweiterung war notwendig geworden, sagt Iris Edenhofer. Im Klinik-Bestandsbau gab es bereits länger schon Platzprobleme. Auf die Bedürfnisse der jugendlichen Patienten konnte nicht mehr zeitgemäß eingegangen werden. Ohne die Nachhaltigkeitsaspekte im Bau, ohne die bauliche Erweiterung, hätte der Leistungsträger, die Rentenversicherung, nicht mitgespielt, sagt sie.
Dass hier oben, am Oberkälberstein oberhalb Berchtesgadens, in den nächsten Jahren noch viel mehr entstehen wird, ist zudem kein Geheimnis: Der Umbau des Haupthauses im Bestand wird die wohl mit Abstand größte Herausforderung werden. Über Jahrzehnte gewachsen, ist das Gebäude mittlerweile in die Jahre gekommen. Barrierefreiheit? „All das wollen wir so gut wie möglich hinkriegen. Soweit es uns möglich ist“, sagt Edenhofer. Die angegliederte Sporthalle im dahinter liegenden Wäldchen soll erweitert werden, ein Campus mit Café und großem Spielplatz entstehen. All das soll passieren, während der Klinikbetrieb weiterläuft. Bis ins Jahr 2028 wird der Oberkälberstein in Teilen Baustelle bleiben. Iris Edenhofer ist zuversichtlich, dass sich das Ergebnis am Ende sehen lassen kann. (kp)

